Randy Brecker / Nostalgic Journey:
Tykocin Jazz Suite (The Music of Wlodek Pawlik)
Nostalgic Journey: Tykocin Jazz Suite (The Music of Wlodek Pawlik) Spielzeit: 60:06
Medium: CD
Label: Summit Records, 2008
Stil: Fusion


Review vom 22.06.2013


Wolfgang Giese
Der 1945 in Philadelphia geborene Trompeter ist kein Musiker, den man einen Puristen schimpfen könnte. Schon früh kam er mit der Pop- und Rockmusik in Berührung, als er 1967 Mitglied von Blood, Sweat & Tears war. Weitere Stationen seines Schaffens waren unter anderem die Bands von Horace Silver und Clark Terry. Er wirkte auch in der frühen Fusion-Band Dreams mit, bis 1969 seine erste Soloplatte erschien: "Score".
Mit seinem vier Jahre jüngeren Bruder Michael konnte er die wohl populärste Fusionformation jener Tage vorlegen, die Beiden spielten als Brecker Brothers.
Vorliegende Platte, die bereits 2008 vorgestellt wurde und nun wieder aufgelegt ist, trägt zwar Randys Namen, enthält jedoch Musik des polnischen Pianisten und Komponisten Włodek Pawlik.
Die beiden Musiker hatten sich im Jahre 1994 in Deutschland getroffen und ein sehr tragischer Anlass führte sie Jahre später wieder zusammen und zum Entstehen dieses Albums.
2005 war es, dass man bei Michael Brecker eine sehr seltene Form der Leukämie, das Myelodysplastische Syndrom, diagnostizierte. Auf der Suche nach Knochenmarkspendern stieß man schließlich auf Verwandte der Brüder mütterlicherseits in Polen, in einem Gebiet namens Tykocin. Pawlik unterstützte bei dieser Suche und so fand man wieder zusammen.
Im Januar 2007 starb der Saxofonist leider und der polnische Kollege schrieb als Erinnerung daran und an die Wiederentdeckung der polnischen Wurzeln beider Musiker diese Jazz-Suite.
Gleich vorweg, es ist ein fantastisches Werk geworden, sehr tief bewegend und hochmusikalisch.
Ohne Brecker startet die Platte mit den drei Teilen der "Introduction". Part One stellt eine lange tupfende Klaviereinleitung dar - mit der Option auf das Unbekannte, das Unerwartete.
Und schon setzen im zweiten Teil der Suite Streicher ein, man wird unvermittelt von einer Atmosphäre massiver Traurigkeit gepackt. Wollte der Pianist im ersten Teil mit seinem Spiel vielleicht Tränen symbolisieren? Etwas Böses, Unheimliches scheint sich den Weg bahnen zu wollen... aus tiefer Seele, ein Hauch von Tod und Mysterium geht um sich, und schon sind es Glocken, die das Ritual beenden, und Düsternis scheint sich zu verbreiten - bis mit dem vierten Stück die Wandlung zum Jazz vollzogen zu sein scheint.
Die Musiker treiben voran, geladen mit Emotion und im Inbegriff höchster Spielkunst. Nicht oft hört man solch leidenschaftlich gespielte Musik. Wenn man sich dem Hintergrund, der zum Entstehen dieser Musik führte, widmet, mag man so manche Gefühlsaufwallung gut nachvollziehen.
Dem Komponisten ist es trefflich gelungen, die verschiedenen Elemente zusammenzubringen, also sein eigenes Jazztrio, dazu Randy als weiteren Solisten und das Orchester.
Die mit "Nostalgic Journey" begonnene Energie schreitet fort, und ganz besonders toll gestaltet sich die Einbindung der verschiedenen Elemente auf "Let's All Go To Heaven", das eine starke Fusionbasis hat, aber ganz weit entfernt ist von dem, was heutzutage unter dieser Bezeichnung oft vor sich her dümpelt. Hier klingt es frisch und unverbraucht und voller Spielfreude strotzend. Und wenn dann die Streicherpassagen wie selbstverständlich mit in das Arrangement während des Stücks einfließen, dann hat man das Gefühl, dass allesamt Könner am Werk sind. Die Balance der Elemente ist perfekt und dabei überhaupt nicht sachlich oder nüchtern im Ausdruck, sondern äußerst emotional.
Dieser fünfte Titel ist für mich der 'Übersong' der Platte!
Aber auch die mit dem Piano solo eingeleitete Ballade "No Words" ist sehr gefühlvoll im Ausdruck und kann durchaus verzücken. Der für oft eher kraftvolles Spiel bekannte Trompeter agiert sensibel, wie auch beim fast dreizehn Minuten langen "Magic Seven", der Komposition, bei der Jazz und E-Musik eine bestechende Allianz eingehen. Und zum Schluss noch einmal kräftiger Swing und eine Platte mit dem Zwang, sie sofort noch einmal hören zu müssen, geht leider zu Ende.
Michael wäre sicher stolz gewesen auf eine solche Widmung.
Line-up:
Randy Brecker (trumpet)
Włodek Pawlik (piano)
Pawel Panita (double bass)
Cezary Konrad (drums)
The Podlasie Opera and Philharmonic of Bialystok (Poland) (orchestra)
Marcin Nałęcz-Niesiołowski (conductor)
Tracklist
01:Introduction, Movement 1 (2:30)
02:Introduction, Movement 2 (3:14)
03:Introduction, Movement 3 (2:51)
04:Nostalgic Journey (10:27)
05:Let's All Go To Heaven (10:44)
06:Piano Introduction To No Words... (2:26)
07:No Words... (9:39)
08:Magic Seven (12:55)
09:Blue Rain (5:18)
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