Meinen ersten und sehr eindrücklichen Kontakt mit den 1000mods hatte ich im Februar 2011 beim Up In Smoke Nummer Eins in Erfurt. Eigentlich waren Colour Haze, Rotor und Sungrazer gemeinsam für fast drei Wochen im Nightliner auf Tour durch Europa, doch an jenem Abend wurde das Programm erweitert um Lonely Kamel aus Oslo und eine damals noch völlig unbekannte Band aus Chiliomodi, Griechenland. Die Jungs eröffneten das Festival und legten eine grundehrliche, knallharte Stoner-Performance hin, voller dröhnender Riffs und doomigen Strömungen. Das erste vollständige Album, "Super Van Vacation", ging in jener Nacht in meinen Besitz über.
Es hat sich viel getan seit jenen Tagen. Griechenland, das steinige Land am heißen Mittelmeer hat sich längst zu einem Zentrum des europäischen Stoner entwickelt und unsere 1000mods verzeichnen heute fast 80.000 Likes auf ihrer Facebookseite. Wenn das denn ein Maßstab sein sollte, haben sie die meisten Etablierten der Szene mächtig abgehängt. Doch eine große Gefolgschaft schafft auch hohe Erwartungshaltungen und so fand ich bei den ersten Recherchen rund um die Band ein paar derbe Kommentare auf ihrer Seite, die sich über die Ausrichtung des neuen Albums, "Youth Of Dissent", auslassen. Man vermisst die ausdrückliche Stoner-Ausrichtung! Ich nehme es vorweg, die Meckerei ist gänzlich überzogen und man sollte einer Band das Recht gewähren, sich musikalisch zu entwickeln und dem Drang nachzugeben, Songs zu schreiben, die sich eben nicht nur wie eine Blaupause der letzten zehn Jahre verstehen.
Wenn man liest, dass Matt Bayles "Youth Of Dissent" produziert hat, dass die Aufnahmen sowohl im Studio von Stone Gossard als auch im London Bridge Studio eingespielt und letztlich in Seattle veredelt wurde, dann klingeln alle Glocken und rufen uns Pearl Jam ins Gedächtnis. Diese und ein paar andere Helden des Grunge. Betrachtet man das Alter der Jungs von 1000mods, dann darf man in den Neunzigern die Helden ihrer Kindheit vermuten, denen sie hier ein großartiges Denkmal setzen. Denn "Youth Of Dissent" ist ein Album knietief in den Sounds des Grunge – aber keinesfalls eklektisch oder aufgewärmt, sondern organisch verwoben mit den eigenen Ausrichtungen. Die Band versteht es, von Beginn an einen eigenen Duktus zu entwickeln, der immer noch Platz hat für krachende Riffs, die Stonerfreunde dürfte es freuen. Doch die Dramatik innerhalb der Songs gewährt auch Platz für psychedelische Momente, wenn klare, mäandernde Gitarren einen großartigen Kontrapunkt zu den Riffschlägen setzen, das ausgedehnte "Dear Herculine" bietet schöne Akzente zu dieser Behauptung. Das gefällt mir.
Und das Intro zum getragen melancholischen "Young" ist eine Gänsehaut-Nummer par excellence.
Das Potenzial, das uns auf dieser Reise begegnen wird, zeigt gleich der dynamische Opener "Lucid" mit seinem herrlich eingebremsten Break im Mittelteil. "So Many Days" ist atmosphärisch und in seiner tiefen Intensität gleich eines der Highlights auf dem Album. Hier empfinde ich den Brückenschlag zwischen den Neunzigern und den Stoner-Wurzeln der 1000mods besonders eindrücklich. Sehr geil, wie der Song entspannt driftet und die Stimmung hält.
Mein absoluter Favorit folgt dann ein wenig später, wenn man bereits voll auf den Vibes des Albums surft: "Less Is More", ein hochgradig emanzipiertes Stück Musik, das der Verantwortung für die zitierten kulturellen Strömungen von damals jederzeit gerecht wird. So frisch und aktuell kann Grunge klingen. Geile Nummer.
Der mächtig treibende Titelsong weckt mit seinen harten Akkorden gewisse Assoziationen an eine Band mit einem ähnlich klingenden Namen, nämlich Arc Of Assent, die allerdings eher in Richtung eines doomigen Heavy Rocks abdriften, während die 1000mods dem Grundgedanken des Albums folgend eine coole Grunge-Nummer entwickeln. Dabei beweisen sie auf der gesamten Scheibe ein erstaunliches Gefühl für eingängige Hooklines und Melodien, denn die Songs gehen bei aller Härte und Ungeschliffenheit durchaus ins Ohr.
Das doomig psychedelische "Mirrors" dürfte abschließend noch einmal die altgedienten Fans der Band ansprechen und löst bei mir wehmütige Erinnerungen an eine kleine Kapelle aus Rotterdam aus, der ich immer sehr nahe stand und die ich schon so lange nicht mehr habe live spielen sehen. Die Rede ist natürlich von The Machine. Gerade der erste Part des Songs mit seinem dröhnend markanten Bass festigt diese Verwandtschaft. Das geile Gitarrenfestival zum Ausklang verknotet mir noch einmal die Hirnwindungen, jetzt wird es einfach triebhaft geil. Diese Nummer live auf der Bühne und in der Audience wird mächtig was los sein, wie man überhaupt feststellen muss, dass diese raue und rohe Musik für die Bretter der Welt wie geschaffen ist, wenn man sie denn endlich wieder bespielen darf.
Die Band widmet das Album nach eigenem Bekunden einem engen Freund namens Lykourgos, der vor einigen Tagen sehr jung verstorben ist.
Wer sich aus den Schablonen der Vergangenheit loslöst und der Musik auf diesem Album unbefangen begegnet, der wird vermutlich schnell zur Einsicht gelangen, dass "Youth Of Dissent" in die Belle Etage der Hard Rock-Scheiben dieses Jahres gehört – auch wenn es eben ausdrücklich kein Stoner-Album ist. Das Begleitmaterial spricht von einem »erwachsenen Werk«, treffender kann man es nicht formulieren. 1000mods haben eine neue Stufe der Evolution für sich gefunden und die macht sie noch interessanter und für neue Freundschaften bereit.
Line-Up 1000mods:
Dani G. (vocals, bass)
Giannis S. (guitar)
Giorgos T. (guitar)
Labros G. (drums)
Tracklist "Youth Of Dissent":
- Lucid
- So Many Days
- Warped
- Dear Herculine
- Less Is More
- 21st Space Century
- Pearl
- Blister
- Young
- Dissent
- Mirrors
Gesamtspielzeit: 55:22, Erscheinungsjahr: 2020
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