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13. Eier mit Speck in Viersen – Festivalbericht vom 27.-29.07.2018

Eier mit Speck Festival 2017

Die wilde 13

Manche Menschen halten ja die Zahl 13 für eine Unglückszahl, aber zum Glück wurde das 13. Eier mit Speck-Festvial ( kurz: EMS) alles andere als das. Vielmehr erwartete die Besucher drei Tage mit viel Musik, viel Euphorie und noch viel mehr Sonne.
Vor allem am Freitag kletterte das Thermometer über die 35 Grad-Marke, aber vor Ort hatte man sich bestens vorbereitet und eine Sprühdusche am Kaffeestand oder zwischendurch mal Abkühlung per Wasserschlauch aus dem Fotograben halfen gegen eine Überhitzung.
Auch das DRK hatte nach eigenen Angaben keinen großen Zusatzaufwand, trotz der hohen Temperaturen. Also cool bleiben und hier ein paar Impressionen aus drei Tagen 'Friede-Freude-Rührei'.

Der Freitag – Hier kommt die Sonne

Als ich gegen 17.00 Uhr das Festivalgelände betrat, knallte die Sonne aber noch richtig vom Himmel. Trotzdem wussten die spanischen Old School-Metaller von Hitten zumindest einen Teil des Publikums nach vorne in die Sonne zu locken. Sowohl optisch als auch musikalisch erinnerten die Fünf an Iron Maiden in ihren Anfangstagen. Enge Jeans, hohe Turnschuhe und viele Gitarrensoli. Obwohl irgendwie etwas aus der Zeit gefallen, überzeugte die Band mit einer stimmigen Show und erntetet zu Recht viel Applaus.

Nach extrem 'Old School' wurde es anschließend sehr zeitgemäß und Razz aus Osnabrück überzeugten mit frischem und leicht elektronischen Indie Pop. Die vier Jungs, alle erst so Anfang 20, boten trotz ihres jungen Alters eine erfrischende und trotzdem routinierte Show. Großen Respekt an die Band. Da geht noch einiges in den nächsten Jahren.

The Baboon Show

The Baboon Show

Danach wieder Kontrast – aber das ist Programm bei EMS. The Baboon Show aus Stockholm waren mit ihrem typisch schwedischen Rotz Rock jetzt nicht gerade musikalisch ein Highlight, aber die Show und die Energie, die diese Band auf der Bühne verbreitet, ist schon wirklich toll. Allen voran die extrem charismatische Frontfrau Cecilia Boström zog die Blicke auf sich und riss das Publikum mehr als einmal mit. Musik durchschnittlich, aber für Energie, Show und Leidenschaft Note 1.

Anschließend folgte mit dem Niederländer Jett Rebel plus Band für mich das Highlight des ersten Tages. Irgendwo zwischen Lenny Kravitz, Stevie Wonder und gefühlt 321 anderen Einflüssen schaffte es der Frontmann mit unkonventionellen Melodien, gefolgt von ohrwurmartigen Mitsingparts, die Menge mit einer wilden musikalischen Mischung zu begeistern. Dabei konnte man förmlich den Spaß und die Spielfreude während des 60minütigen Gigs greifen. Auf CD ganz okay, aber live eine Welt für sich. Klasse!!!

Den vorher gesetzten Standard an Spielfreude, Ideen und Frische konnten Dirt Box Disco leider nicht ansatzweise halten. 08/15-Schrammelpunk, der mal nach Pennywise oder auch mal nach Bad Religion klang. Das alles recht emotionslos runtergegrölt. Als es nach 30 Minuten nicht besser wurde, habe ich mich dann auf den Heimweg gemacht. Aber bis auf den etwas unspektakulären Abschluss schon mal ein guter Einstieg, der Lust auf den Samstag machte.


Der Samstag – Tequilla und 90er Helden

Der Samstag ist beim EMS meistens der 'Bunte Tag' und auch 2018 gab es wieder eine breite musikalische Streuung. Die Sonne hatte zum Glück etwas Erbarmen und es war nur noch heiß statt superheiß. Meine erste Band war Tequilla And The Sunrise Gang aus Kiel. »Welcome to Kielifornia« heißt das Motto der Band, was es auch sehr gut trifft. Amerikanischer Alternative Rock mit einer großen Portion Ska und schon tanzt um 15.00 Uhr das halbe Festivalgelände. Das funktionierte, wie zu erwarten, hervorragend und nach dem Konzert verkauften die Jungs aus dem hohen Norden sehr viele CDs und Shirts. Hat sich die weite Anreise also gelohnt.

The LaFontaines sind vier junge Musiker aus dem Großraum Glasgow, die mit schmissigem Crossover punkten konnten. Ein wenig Rage Against The Machine plus Beastie Boys in einer popigen Variante. Front-Rapper Kerr Okan wusste nur zu gut um seine Ausstrahlung auf das weibliche Geschlecht. Zitat von einem Mädel hinter mir »Ich versteh zwar kein Wort von dem herben Akzent, aber ich find die geil«. Auf Dauer etwas eintönig, aber insgesamt eine gute Performance.

Kapelle Petra

Kapelle Petra

»Headliner der Herzen« titulierte 2008 beim 3. EMS die Rheinische Post den Auftritt von der Kapelle Petra. Zehn Jahre später, beim zweiten EMS-Auftritt, hat die Band hier am Niederrhein bereits eine Art Kultstatus und zum ersten Mal wurde es richtig voll vor der Bühne. Die 45 Minuten wurden dann auch entsprechend vom Publikum abgefeiert und Songs wie "Geht mehr auf Konzerte" oder "Gazelle trainiert für Olympia" funktionieren vor 50, 500 oder wie an diesem Samstag vor 5000 Leuten. Natürlich durfte auch der durch YouTube bekannte Knaller "Geburtstag" nicht fehlen. Kapelle Petra haben, wie bereits 2008, alles richtig gemacht und viele strahlende Gesichter hinterlassen.

Strahlende Gesicht suchte man beim anschließenden Auftritt vom Frankfurter D-Flame leider vergebens. Mit einem DJ als Begleitband und einer Mischung aus Dancehall und Rap schaffte es der Rapper nicht ansatzweise, die Stimmung zu halten. Schade.

Arcane Roots dagegen bewiesen danach, dass man auch mit vertrackten Rhythmen und nicht gerade eingängigen Melodien ein Festivalpublikum erreichen kann. Mich erinnerte das Trio teilweise grob etwas an Biffy Clyro. Mein Ding war es musikalisch nicht, aber trotzdem beeindruckend, was man mit drei Leuten auf der großen Bühne hinbekommen kann. Respekt.

Großstadtgeflüster sind Dauergäste beim EMS. Mit ihrem Elektropop kam das Trio aus Berlin auch in diesem Jahr wieder sehr gut an. Trotz Krücken und damit eingeschränkter Bewegungsfreiheit schaffte es Fronfrau Jen Bender, die Massen zu erreichen. Toller Auftritt.

Wie in den meisten Jahren holen die Veranstalter gerne einen 'Helden aus den 90ern' nach Viersen. Nach Prong, Clawfinger, Ugly Kid Joe oder Therapy? in den letzten Jahren, waren dieses Jahr Helmet aus den USA am Start. Ihr Album "Betty" war in den 90er sehr erfolgreich und auch 2018 schafften es die etwas älteren Herren, immer noch richtig Lärm und Energie auf der Bühne zu produzieren. Zwar war der Sound im Gegensatz zu den anderen Bands etwas breiig, aber es kommt bei Helmet auf die Power und Energie an und das kam zweifellos rüber. Cool !!

Auch Madsen sind Wiederholungstäter beim EMS und ihren Sonntagsauftritt 2012 gehört für mich in der gesamten Geschichte des Festivals immer noch zu den absoluten Highlights.
Auch 2018 legte die Band einen absolut professionellen und guten Auftritt hin, aber an die Energie und die Intensität von 2012 kam man leider nicht heran. Trotzdem eine würdige Headliner-Show, die mit viel Applaus entsprechend gewürdigt wurde.


Der Sonntag – Entspannter Ausklang

Noch vor der ersten Band betrat Mitorganisator Christoph 'Tappi' Tappesser die Bühne und verkündete die schlechte Nachricht, dass heute früh der Co-Headliner Heisskalt leider kurzfristig abgesagt hat. Man wäre schon an Alternativen dran. Später jedoch wurde beschlossen, dass keine Zusatzband engagiert , sondern die Reihenfolge etwas abgeändert wird. So bekam jede Gruppe Zusatzspielzeit. Diese nutzte dann die erste Band auch ausgiebig. Blaas Of Glory aus dem niederländischen Zwolle sorgten bereits um die Mittagszeit für Granatenstimmung. Mit Posaune, Akkordeon und Banjo entfesselte die Marching-Band eine regelrechte Ekstase bei den Fans vor der Bühne. Dabei wurden Rock-Klassiker von AC/DC, Guns N' Roses oder Iron Maiden im Brass- bzw. Dixieland-Sound mit soviel Spaß und vor allem Können dargeboten, dass der Funke schon direkt beim ersten Song übersprang. Nicht grundlos ist die Band seit Jahren Stammgast in Wacken. Richtig genial wurde es aber, als diese nach dem Ende ihrer Spielzeit von der Bühne ging und einfach unplugged im Publikum vor der Bühne weiterspielte. Da kommt dann auch so eine alte Kamelle wie The Final Countdown verdammt gut an. Mein Highlight des Festivals. Unglaublich!!!

Blaas Of Glory

Blaas Of Glory

Allerfeinsten Ska-Punk mit ordentlich Wumms präsentierten danach The Prosecution aus dem bayerischen Abendsberg. Mit einer tollen Bläserfraktion und mehrstimmigem Gesang inkl. Circle-Pit und anderen Spielereien schaffte die Truppe es schnell das Publikum zu erreichen.
Ebenfalls aus Bayern kommt der Hip-Hopper Fatoni. Im Gegensatz zu D-Flame am Vortag schaffte es Fatoni aber wesentlich mehr 'Hände in die Luft' zu bekommen. Musikalisch nicht mein Ding, aber gut gemacht

Stone Broken aus England dagegen konnten mich schnell überzeugen. Das Quartett erinnerte etwas an die alten Nickelback aus den frühen 2000er-Jahren. Blickfang war allerdings nicht der Sänger Rich Moss sondern die Schlagzeugerin Robyn Haycock, die neben kraftvollem Spiel auch noch tolle Harmonie-Vocals beisteuerte. Richtig coole Band mit viel Spielfreude!

Als letzte Band des Festivals sah ich dann noch Mono und Nikitaman. Bei diesen Temperaturen hat man es mit gut gemachter Reggae-Musik nicht schwer und dementsprechend schnell hatte man das Publikum auf seiner Seite. Entspannt und groovy zog die Band ihr Programm durch. Sehr lässig!

Auch die 13. Ausgabe hatte, bis auf ein paar wenige musikalische Durchhänger, wieder mal viele gute Bands aus diversen Genres zu bieten und es gab wie immer etwas zu entdecken. Auch schon EMS-typisch war die überall entspannte und freundliche Atmosphäre auf dem Gelände. Egal ob Publikum, Crew oder Security – Respekt und Freundlichkeit sind hier keine Floskeln sondern gelebtes Festivalmotto: 'Friede, Freude, Rührei'.

Danke EMS 2018 und Vorfreude auf EMS 2019. Vielen Dank an Jürgen Heigh vom EMS-Team für die, wie immer, unkomplizierte Akkreditierung und besonderen Dank an Andreas Döring für die tollen Fotos.

Über den Autor

Udo Gröbbels

Beiträge im RockTimes-Archiv

Genres: Ska, Pop, Rockabilly, Rock N Roll

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