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14. Eier mit Speck in Viersen – Festivalbericht vom 26.-28.07.2019

Eier mit Speck 2019

Die musikalische Konstante am Niederrhein

Eier mit Speck ( kurz: EMS): Diese drei Worte sind seit Jahren jedem Festivalfan am Niederrhein aber auch außerhalb ein Begriff. Seit Gründung im Jahr 2006 wird das Festival immer beliebter und der Zuspruch war auch 2019 wieder extrem groß, so dass wie üblich schon knapp drei Monate vorher alle Wochenend-Tickets weg waren. Hatte das Programm in den letzten Jahren nicht immer bei allen für Enthusiasmus gesorgt, so sorgte doch 2019 die 14. Ausgabe schon im Vorfeld für extrem große Vorfreude und nach drei Tagen Festival kamen wirklich alle auf ihre Kosten. Und musikalisch war es vielleicht das beste Jahr in der gesamten Festivalgeschichte. Aber immer der Reihe nach.

Der Freitag – Hotter than hell … also fast

Am Tag zuvor war mal wieder ein Hitzerekord gefallen und auch am Freitag Nachmittag war es noch unfassbar heiß auf dem Gelände. Aber es wurde besser und meine erste Band des Tages waren die Argentinier  Las Manos De Fillippi. 25 Jahre lang machen die Musiker der Band aus Buenos Aires schon zusammen Musik und mit einer sehr wilden Mischung aus Ska, Hip Hop und Rock präsentierten sich die Jungs 45 Minuten lang in bester Spiellaune und die ersten Tanzeinlagen waren sowohl auf als auch vor der Bühne zu sehen. Ein richtig guter Einstieg und für schlappe 5 Euro verkaufte die Band anschließend am Merchandise-Stand ihr aktuelles Album.

Wie man das vom EMS so kennt, versucht man ein sehr breites musikalisches Spektrum abzudecken und mit den Prog-Rockern von The Intersphere aus Mannheim kam ein wirklich radikaler Schnitt nach der flockigen Tanzmucke der Vorgängerband. Trotzdem schaffte es das Quartett, mit ihren intensiven Songs die Leute zu begeistern. Einer DER deutschen Bands aus dem Bereich Alternative Prog Rock. Sehr beeindruckend.

Danach ging es musikalisch etwas einfach gestrickter weiter, denn die New Yorker Hardcore Band H2O legten weniger Wert auf musikalische Feinheiten. Hier ging es um laute Gitarren und einfache Melodien. Das Metier beherrschen die Jungs aber großartig und mit eingestreuten Song-Schnipseln von Pennywise bis zu Police konnte man das EMS-Publikum begeistern. Sehr schön auch die Tatsache, dass sie ihrem Präsidenten mit dem Dead Kennedys-Klassiker "Nazi Punk Fuck Off" auch ein Lied widmeten.

Dann kam die Band, auf die ich mich persönlich an diesem Tag am meisten gefreut habe und Audrey Horne aus Norwegen enttäuschten mich nicht. Mit ihrer Mischung aus Metal und  Classic Rock (inkl. diverser Thin Lizzy-Anleihen) zog die Band aus Bergen eine richtig geile Show ab. "Out Of The City" und das abschließende "Waiting For The Night" waren nur zwei Highlights aus knapp 70 Minuten feinster Unterhaltung. Nicht nur mein Highlight des Tages.

Die Headliner hatten an diesem Freitag nur knapp 60 Minuten Anreise. Any Given Day aus Gelsenkirchen legten dann härtemäßig nochmals einen drauf und mit fettem Metalcore beendete das Quartett aus dem Ruhpott nach 90 Minuten den ersten Festivaltag. Gelungener Auftakt !

Der Samstag: Let It rain

Samstags hatte es sich dann ein wenig abgekühlt und Wilson & Jeffrey aus Oldenburg war meine erste Band des Tages. Die zündete aber bei mir nicht so richtig und ihre Mischung aus Hip-Hop und Rock gibt es leider hundertfach in besseren Versionen. Schade.

Auf Zodiac aus Münster hatte ich mich ebenfalls sehr gefreut, aber auch hier sprang der Funke nicht über. Ihre Mischung aus Classic Rock und Blues wirkte einfach viel zu statisch. Lediglich ihre Version des Neil Young-Klassikers "Cortez The Killer" gefiel mir richtig gut. Insgesamt aber einfach etwas kraftlos.

Dann aber kam endlich Power aufs Festival und obwohl Psychobilly alles andere als hip ist und die Rockabilly/Psychobilly-Szene doch überschaubar ist, bewies das Trio von The Brains aus dem kanadischen Montreal, dass man auch mal eben ein paar Tausend Besucher auf einem Festival begeistern kann. Voller Spiellaune und mächtig Dampf schaffte es die Band, die Leute zu begeistern und vor allem Kontrabassist Colin sorgte mit seinen Slappen für mächtig Spaß auf der Bühne.

Aaron Buchanan & The Cult Classics konnte dann leider das Energielevel ihrer Vorgänger nicht halten. Zwar mit solidem Classic Rock und leichten Alternative-Anleihen stets bemüht, aber nicht packend. Auch kam jetzt der Regen stärker auf und viele flüchteten sicher unter die Zelte bzw. Bedachungen.

Mit den letzten beiden Bands des Tages kam aber nochmals Begeisterung auf und irgendwann war der Regen dann auch egal. Tim Vantol ist Niederländer und kommt ursprünglich aus Amsterdam. Mittlerweile wohnt er aber in Bayern und hat auch ganz in der Nähe von Viersen einige Jahre gelebt. Dementsprechend gut ist auch sein Deutsch und mit einer Mischung aus Folk und Alternative Rock legte die Band um Tim mit seinen Begleitmusikern mächtig los. Hier erinnerte das Ganze mal an Bruce Springsteen und an anderer Stelle hörte man etwas Irish Folk heraus. Alles aber extrem charmant und sympathisch rübergebracht. Klasse Konzert.

Ich war gespannt, ob das die Headlicher von The Darkness toppen konnten. Und ja – konnten sie. Obwohl ihre Musik eher etwas altbacken klingt und nicht gerade modern ist, schaffte es das Quartett locker das Publikum mitzureißen. Alles ein bisschen drüber, aber alles mit einem Augenzwinkern rübergebracht. Absolut unterhaltsam. Auch die Kommentare von Frontmann Justin Hawkins mit schönem britischem Humor machten immer wieder Laune. Mit "I Believe In A Thing Called Love" am Ende des regulären Sets holten sie schließlich ihren ersten und größten Hit aus dem Hut und da hatte man dann wirklich Alle. Der häufige Einsatz der Kopfstimme war vielleicht für den einen oder anderen Zuschauer etwas zuviel des Guten, aber genau das macht The Darkness aus und als Abschluss des zweiten Tages erhielten die Zuschauer eine 1A-Rockshow mit allem was dazu gehört. Großes Kino!

Der Sonntag- Headliner der Herzen mit Tuba

Es hatte sich herumgesprochen, dass man am Sonntag pünktlich um 13.00 Uhr auf dem Festivalgelände sein sollte, denn wie schon 2018 eröffneten auch dieses Jahr wieder Blaas Of Glory aus dem niederländischen Zwolle den letzten Festivaltag. Mit The Final Countdown, gespielt auf u. a. Glockenspiel, Tuba. Banjo und Akkordeon, marschierten die Jungs direkt auf das Festivalgelände, drehten eine Runde und dann rauf auf die Bühne. Was folgte waren 40 Minuten pure Ekstase mit Rock-Hits wie Ace Of Spades, Here I Go Again, Running With The Devil, Fat Bottom Girl oder der "Polonäse" und wilden Tanzeinlagen im Publikum. Unglaublich, wie diese Marching-Band abgefeiert wurde. Das Ganze gipfelte dann in »Headliner, Headliner«-Chören was die Jungs sichtlich rührte. Wie 2018 gab es noch eine Zugabe unplugged vor der Bühne. Unfassbare Stimmung am Sonntag Mittag und hoffentlich 2020 wieder dabei.

Danach konnte es nur ruhiger werden denn es war unmöglich, dieses Level zu halten. Die Französin Irma musste sicher hinter der Bühne fragen, wo sie denn hier gelandet sei. Aber nach ein paar Minuten des Aufwärmens kam auch die Singer/Songwriterin aus Paris bestens an. Zu ihrer Mischung aus Tracy Chapmann, Lauryn Hill und sogar Whitney Houston wurde auch hier am Ende kräftig applaudiert.

Hip-Hop mit großer Bläsersektion. So kann man grob die Band Mozah aus Köln beschreiben. Mein Ding war es nicht, aber das Publikum feierte die neun Musiker mächtig ab.
Dann wurde es funky mit Rilan B & The Bomabardiers aus dem niederländischen Haarlem. Ihre Kombi aus Rock, Soul und Funk kam ebenfalls gut.

Nun folgten meine Favoriten des Tages: Mit Thundermother aus Schweden kam eine richtig feine Packung Rock’n’Roll zum EMS. Die vier Mädels legten von der ersten Sekunde an direkt mächtig los und in den nächsten knapp 45 Minuten sorgten sie für wahre Begeisterungsstürme. Neben der kraftvollen Stimme von Frontfrau Guernica, sorgte vor allem Gitarristin Filippa mit ihren Einlagen immer wieder für Furore: So wurde mal eben eine Flasche Bier ex ausgetrunken, um als Bottleneck herhalten zu können oder sie lies sich in besten Angus Young-Manier auf den Schultern eines Roadies durch das Publikum tragen, um dort mit wildem Gitarrenspiel zu begeistern. Definitiv eines der Highlights des Festivals. Nach dem Konzert hab ich die Mädels übrigens noch zum Interview getroffen.

Von Ivan Ivanovich & The Kreml Krauts hatte ich mir einiges erhofft, konnten doch in den letzten Jahren Bands wie Rotfront oder Russkaja mit ähnlicher Musik hier abräumen. Aber leider war das dieses Jahr nicht so. Ihre Mischung aus Polka, Ska und etwas Punk zündete leider gar nicht wie erwartet. Schade.
Mit Less Tah Jake hatte man ebenfalls eine Festival-erprobte-Band am Start und mit ihrem Ska-Punk konnte das Quinett aus Florida auch in Viersen punkten. Mit viel Enthusiasmus und Spaß riss man die Leute mit und sorgte ein letztes Mal für ausgelassene Freude und Party-Stimmung.

Für Party-Stimmung sind der Headliner und Abschluss-Act Life Of Agony aus New York nicht wirklich berühmt, aber das erwartete auch niemand. Die Band um Mina Caputo lieferte aber ein sehr intensives  Konzert ab und mischte alte und neuere Songs geschickt im Set. Mein Favorit, "Through And Through" vom Debut "Rivers Runs Red", kam sehr früh aber das Level konnte bis zuletzt gehalten werden. Kompliment, tolles Konzert.

Auch das 14. EMS konnte überzeugen, wie am Anfang bereits gesagt, sogar noch mehr als die letzten Ausgaben. Insgesamt wieder eine tolle Stimmung und jede Menge entspannte, verrückte und friedliche nette Leute am Start, sowohl vor- als auch auf und hinter der Bühne. So soll es sein und hoffentlich wird es wieder so Ende Juli 2020 wenn es dann zum 15. Mal heißt »Herzlich Willkommen bei Eier mit Speck« .

Wir danken Jürgen Heigh für die wie immer unkomplizierte Akkreditierung und großes Dankeschön an Sascha Buschhaus von Germanrock.de für die tollen Fotos.

Über den Autor

Udo Gröbbels

Beiträge im RockTimes-Archiv

Genres: Ska, Pop, Rockabilly, Rock N Roll

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