Es gibt keinen einzigen Musiker, den ich in den letzten Jahren öfter und in mehr verschiedenen Bands live gesehen habe, als den schottischen Sänger/Gitarristen Miller Anderson. Der Mann ist mit seinen 71 Lebensjahren einfach hyperaktiv und scheut sich auch nicht davor, bei mehreren Bandprojekten gleichzeitig dabei zu sein. Egal ob mit dem British Blues Quintet im Jahr 2007 oder dem Blues Project 2011, bei denen kurz vor dem Auftritt Jon Lord gesundheitsbedingt ausgestiegen war und kurze Zeit später verstarb, immer war Miller Anderson die prägende Kraft auf der Bühne. Und auch im Jahr 2010, als er sowohl mit der Spencer Davis Group durch Deutschland tourte, wie auch mit seiner eigenen Band zu hören war, gab es jedes Mal hochwertige Konzerte auf die Ohren, die keine Wünsche offen ließen.
Doch auch das reichte dem Schotten noch nicht, denn über mehrere Jahre übernahm er auch noch die Leadgitarre bei der Hamburg Blues Band, die ja bekanntlich fast nonstop durch Europa tingelt und kaum freie Zeit für andere Aktivitäten lässt. Leider fehlt mir aus dieser Zeit ein Konzertbesuch, denn auch mit dieser Truppe hätte ich ihn gern live auf der Bühne gesehen. Wie dem auch sei, im Moment scheint die Miller Anderson Band wieder Priorität zu haben, denn mit "Through The Mill" ist gerade ein neues Album am Start, das promotet werden will. So ergab sich also fast zwangsweise der ideale Zeitpunkt für Antje Fischer und ihre Kollegen, die Miller Anderson Band zum 'Blues in der Kirche' nach Salzgitter einzuladen.
Und die Entscheidung, den schottischen Ausnahmemusiker, immerhin Teilnehmer am Woodstock-Festival 1969 mit der Keef Hartley Band, in die Kniki zu holen, erwies sich schon im Vorhinein als völlig richtig, denn nach dem Konzert von Big Daddy Wilson vor ein paar Wochen, war auch dieser Gig schon Tage vorher so gut wie ausverkauft, sodass es nur noch ganz vereinzelte Tickets an der Abendkasse gab. Die Hütte war rappelvoll. Und auch wir von RockTimes waren auf die umformierte Band sehr gespannt, denn Miller Anderson hat sich jetzt ausschließlich mit deutschen Musikern umgeben, von denen nur Keyboarder Frank Tischer beim letzten Auftritt, den wir live erlebt hatten, dabei war. Außerdem vervollständigen Tommy Fischer am Schlagzeug und Bassist Janni Schmidt das Line-up der Miller Anderson Band. In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass die komplette Gruppe im nächsten Jahr auch als Spencer Davis Group auf Tour gehen wird. Dann natürlich mit dem Namensgeber an der Rhythmusgitarre, wie Miller während des Auftritts verkündete.
Der Vierer wirkte vom ersten Ton des Konzertes extrem gut aufeinander abgestimmt, und auch der Sound war optimal ausgepegelt, obwohl Mastermind Anderson nur einen Mini-Soundcheck hinlegte und die Band vorher ohne ihn die Töne einpegelte. Die Rhythmus-Sektion machte so richtig schön Power und bildete die perfekte Grundlage für Frank Tischer und Miller Anderson, die sich ganz ihren Soloaktivitäten hingeben konnten. Dabei wurde dem Keyboarder jede Menge Freiraum für ausgedehnte Improvisationen gelassen, die er auch mit tollen Orgel- und Pianoklängen ausfüllte. Gleich mehrmals verließ Anderson die Bühne und ließ Tischer sich so richtig austoben. Und auch Schmidt und Fischer bekamen reichlich Zeit für Soloeinlagen, die jeweils stürmisch abgefeiert wurden. Anderson selbst wechselte permanent zwischen Lead- und Slidegitarre hin und her, was er natürlich beides perfekt beherrschte. Dazu war seine tolle Stimme eine wahre Wohltat für die Ohren.
Vorwiegend im ersten des zweiteiligen Sets wurden einige Songs des neuen Albums vorgestellt, die allesamt einen guten Eindruck hinterließen, allerdings noch nicht diesen Wiedererkennungswert besaßen, wie die altbewährten Titel eines Miller Anderson-Konzertes. Auch für mich waren das noch neue Töne, da mir "Through The Mill" bisher noch nicht bekannt ist. Der Rest des Konzertes bestand zum größten Teil aus Songmaterial des tollen Livealbums From Lizard Rock. Es fehlten lediglich die Acoustic-Songs. So wurde z. B. "Houston", Millers Homage an sein kleines Heimatdorf, vom Publikum per Zuruf gefordert, obwohl der Titel musikalisch absolut nicht zu den größten Herausforderungen gehört. Anders sah es da schon mit solchen Knallern wie "High Tight And High Water" und "Little Man Dancing" aus, die so richtig schön ausgelebt wurden.
Für mich waren allerdings die beiden Songs "Leavin' Trunk" und "Just To Cry" aus seligen Keef Hartley-Tagen die absoluten Höhepunkte des Abends, denn hier legte die Band rattenscharfe Jams hin und walzte die Stücke herrlich psychedelisch auseinander. Auch der Titelsong des Savoy Brown-Klassikers "Boogie Brothers" ging so richtig stark in die Beine. Doch DAS Highlight des Konzertes war ohne Zweifel die Version des Deep Purple-Überfliegers "When A Blind Man Cries", das Miller Anderson einst zusammen mit Jon Lord auf die Bühne brachte. Gänsehaut pur war angesagt und das bei einem Song, der mit der Stimme eines Ian Gillan bekannt wurde. Alle Achtung Miller Anderson. Das war ganz großes Kino! Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass Keyboards und Gitarre ebenfalls eine Klasse für sich waren. So verliefen diese zweieinhalb Stunden wie um Fluge, bis schließlich nach vier Zugaben Schluss war. Und jeder der Besucher war sich wohl klar darüber, dass hier ein ganz starkes Konzert abgelaufen war.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Antje Fischer von der Stadt Salzgitter für die problemlose Akkreditierung und die nette Betreuung.
Line-up Miller Anderson Band:
Miller Anderson (guitar, vocals, harmonica)
Frank Tischer (keyboards, backing vocals)
Janni Schmidt (bass)
Tommy Fischer (drums)
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