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Stranger In My Town / Vol. II – Digital-Review

Stranger In My Town / Vol. II

Als das vorliegende Album "Vol. II" der RockTimes-Redaktion in digitaler Form angeboten wurde, sagte ich nach ungefähr drei Sekunden des Zuhörens einer Rezi zu. Ich wusste sofort, dass ich hier genau mein Ding finden würde. Dabei waren mir Stranger In My Town bis dahin gänzlich unbekannt. Sie stammen aus dem landschaftlich höchst attraktiven Lecco am Comer See, nahe Bergamo in der Region Lombardei, wo erstklassiger Wein angebaut wird. Eine Band, die 2014 als Trio startete und inzwischen um eine knackige Rhythmus-Gitarre verstärkt wurde; die sich sowohl dem Postrock als auch dem Stoner wohlgefällig zeigt, da bin ich gerne dabei.

Das Album ist komplett instrumental, doch werde ich in den nächsten sechsundfünfzig Minuten keinen Gesang vermissen, denn die Spannungsbögen sowohl der Songs als auch im Gesamtwerk sind gut gesetzt. Für Abwechslung wird gesorgt. "Indian" hat als Opener einen Steigerungslauf, der an Monkey 3s "Jack" erinnert, nimmt sogar noch ein wenig mehr Fahrt auf, weil wir es hier mit zwei knackigen Gitarren zu tun haben, die das Intensitätslevel mächtig befeuern und die Wüste zum Leben erwecken. Ein bisschen Stoner klingt da schon an und die wunderbar meditierenden, gegenläufigen Gitarren zu Beginn und am Ende machen Lust auf das, was noch kommt.

"Apophysis" ist ein doomiges Postrock-Monster voller Elektrizität und Spannung, die Saiten vibrieren, Riffs krachen, die monotonen Hooklines entzünden überspringende Funken, die in einem Fächer ausschwärmenden Gitarrenrocks einen Flächenbrand auslösen. Satte sechs Minuten hängt man hier an der Steckdose – mächtig geil, eben auch, weil die Jungs den Schlüssel gefunden haben, wie man mit einer stilvollen Entschleunigung sehr wohl den Stimmungspegel hochhalten kann. Dass dann in "Flying Leaf" fast ein wenig jazzige Phrasen folgen, ist für mich eine völlige Überraschung, wenngleich eine hoch erfreuliche. Der meditative Duktus passt herrlich zum Titel und lädt zu verträumten Abflügen ein. Bis die Riffs einschlagen. Der Song komprimiert sich immer mehr und nimmt mit repetitiven Linien einen psychedelischen Kurs auf, der immer wieder von brettharten Riffwänden zerschreddert wird. So geht es mit Volldampf in die nächste Nummer "Sun Tension", deren erste Riffs mich an die "Mississippi Queen" erinnern. Mountain, da war mal was. Doomig heruntergeregelt kommen wir wieder zurück in die postrockigen Gefilde von Stranger In My Town, die Nummer kreiselt nun über markantem Bass zu neuen Stromschnellen.

Und wenn der Nebel über den Mond zieht, finden wir in dem gemächlich melodischen "Moon Fog" erneut eine gewisse Verwandtschaft mit den Schweizern von Monkey 3, wobei Allan Piglicampos Lead Guitar einen jammigeren Charakter vertritt als die progressiver ausgelegte Saitenarbeit von Boris. Gerade das darf man Stranger In My Town als Verdienst anrechnen, dass man Improvisation und Jam quasi über die postrockenden Akkorde stellt. Das macht die Melange so lebendig.
Und Gas geben sie auch, die Jungs aus Italien, "IPA" ist cooler Heavy Rock ohne Schnörkel und Verpackung, dafür mit erstklassiger Solo-Gitarre. Wer jetzt allerdings bei "Steam" titelgemäß an eine Vorsetzung des Volldampf-Szenarios gerechnet hatte, wird von einer sehr reflektiert akzentuierenden Nummer überrascht, deren Dynamik zulegt, aber im Tempo stabil bleibt.

Doch dann wartet zum Abschluss ein doomiges Reptil auf uns, kriechend und giftig schleicht es sich erbarmungslos in die Gehörgänge und macht sich dort breit, es gibt keine Möglichkeit, ihm zu entrinnen. Allan zieht hier alle Register seines Spiels und wechselt zwischen schrägen Hooks und wilden Improvisationen, immer wieder eingefangen von doomigen Riffs. Am Ende verschwinden die Saitenklänge tief im Innern des eigenen Kleinhirns und der Rezensent ist fortan von einem neuen Virus – nein – einer neuen Leidenschaft befallen. Denn Stranger In My Town bieten auf "Vol. II" Musik, die mir gefällt und wirklich Spaß macht. Musik zwischen den fronten von Postrock, Hevy und Stoner mit einem schönen Touch klassischer Improvisation, das lass ich mir gefallen.


Line-up Stranger In My Town:

Allan Pigliacampo (lead guitar)
Isacco Frigerio (rhythm guitar)
Enrico Sperone (drums)
Silvano De Franco (bass)

Tracklist "Vol. II":

  1. Indian
  2. Golden Lies
  3. Apophis
  4. Flying Leaf
  5. Sun Tension
  6. Moon Fog
  7. IPA
  8. Steam
  9. Shadow Trip

Gesamtspielzeit: 56:34, Erscheinungsjahr: 2021

Über den Autor

Paul Pasternak

Hauptgenres: Psychedelic Rock, Stoner Rock, Blues Rock, Jam Rock, Progressive Rock, Classic Rock, Fusion

Über mich

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