Alles geht einmal zu Ende. So wohl auch für The Blues Band, die zumindest selbst angekündigt hat, dass das gerade erschienene Studioalbum (mit dem passenden Titel "So Long") ihr letztes sein wird. Solche Ankündigungen, die sich bereits in vielen Fällen – mal ein bisschen früher, mal ein bisschen später – im Stil von «Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern??« wieder in Luft auflösten, kennen wir aber natürlich auch bereits zur Genüge. Aber was solls, nehmen wir es erst mal so hin und nehmen es, wie es ist.
Die fünf englischen Musiker gründeten The Blues Band im Jahr 1979 und die Combo war von Anfang an ein Renner. Dabei war das britische Quintett selbst wohl am meisten über die kurze Anlaufzeit überrascht. Jedenfalls verkauften sich nicht nur die Platten von Beginn an sehr gut, auch die Konzertsäle waren bestens gefüllt. Was möglicherweise auch daran gelegen haben kann, dass die Namen Paul Jones, Tom McGuinness (beide u. a. Ex-Manfred Mann), Dave Kelly (u. a. Ex-John Dummer Blues Band, Ex-Tramp), Gary Fletcher (Ex-Sam Apple Pie) sowie Hughie Flint (u. a. Ex-McGuinness Flint) zum damaligen Zeitpunkt in der Szene schon lange keine Unbekannten mehr waren.
Dass die Combo in ihrer bislang 42-jährigen Karriere lediglich einen einzigen Line-up-Wechsel (1982 wurde der Original-Schlagzeuger Hughie Flint durch Rob Townsend – Ex-Family – ersetzt) verkraften musste, spricht ebenfalls Bände für den Zusammenhalt und die Band-Chemie. Und genau diesen Punkt hört man auch den 16 Tracks auf "So Long" an. Die Songs bestechen durch ihre Lässigkeit, eine sehr angenehme Lockerheit und man kann die Vertrautheit des einen in den anderen Musiker sprichwörtlich fassen, was die Stücke einerseits relaxt erscheinen lässt und es dennoch nicht versäumt wird, die Spannung hoch zu halten. Hielten sich in den letzten Monaten noch Gerüchte, dass die Scheibe etwa zur Hälfte aus Coverversionen bestehen soll, so sind auf dem fertigen Produkt letzten Endes gerade mal drei davon gelandet.
Zum Einen ist da das eröffnende "Hard Times Killing Floor" von Skip James, bei dem sich die Band bereits mit all ihren Stärken (inklusive der feinen Blues Harp von Paul Jones) präsentiert. Vor allem glänzt neben "Don’t Ever Let Nobody Drag Your Spirit Down" (original von Eric Bibb) aber der alte und schon von vielen (u. a. Janis Joplin) gecoverte Bee Gees-Klassiker "To Love Somebody". Hier kommt wieder einmal Dave Kellys herrlich soulige Stimme ganz wundervoll zur Geltung. Im Hintergrund klagt die Harmonika ihr Leid und lässt das Stück zum Gewinner werden. Apropos Gewinner: Einer meiner absoluten Favoriten ist die erneut von Dave Kelly gesungene Nummer "Them Ol' Crossroads Blues", die herrlich flott nach vorne rockt und bei der der Gast-Pianist Bob Hall eine hervorragende Figur abgibt. Kelly ist vor dem Mikro richtig klasse und … zugegebenermaßen der Lieblingssänger des Rezensenten, wenn es zu The Blues Band kommt.
Werden sechs der Stücke von Kelly gesungen, so kann Paul Jones ebenso viele Tracks auf seinem Konto verbuchen. Auch der gute Paul hat natürlich nichts verlernt und damit auf dieser angekündigt letzten Scheibe niemand zu kurz kommt, haben auch Tom McGuinness ("Midnight Bus" und "Bring On The Blues") sowie Gary Fletcher ("Don’t Let It Be You" und "My Love Made You Wrong") für jeweils zwei Songs die Lead Vocals übernommen. Mit dem bereits erwähnten Bob Hall, dazu Ben Waters sowie Zoot Money war prominente Gast-Unterstützung an den Tasten im Einsatz und für das Stück "Ti Fi Une Grande Dame Maintenant (Big Girl)" konnte auch der Spitzen-Gitarrist Albert Lee gewonnen werden. Der Songtitel hört sich zwar verdächtig nach dem Bob Dylan-Stück You’re A Big Girl Now an, der Song an sich hat aber nichts damit zu tun. Last but not least sollte noch erwähnt werden, dass der Original-Drummer Hughie Flint für die letztgenannte Nummer zu Gast war und das Bodhran bedient hat.
Als Fazit kann, nein, muss man "So Long" jedem Musik-Fan empfehlen, der jemals etwas für The Blues Band bzw. den Blues/Blues Rock übrig hatte bzw. immer noch hat. Hier sind nicht nur absolute Könner an ihren Instrumenten im Einsatz, sondern obendrein auch noch sehr gute Songwriter. Außer den bereits genannten Tracks können in erster Linie noch "Hoggin", "Come On Give Me Some Blues", "Something You Heard" oder auch "Sweet Sweet Girl" überzeugen. Letzten Endes haben wir es bei "So Long" mit einem absolut gelungenen Schwanengesang zu tun.
Dass die Engländer zum Lachen nicht in den Keller gehen, beweist auch das Albumcover. Denn wenn der Albumtitel "So Long" einerseits 'Auf Wiedersehen' bedeutet, kann er in anderem Kontext auch als 'Sooo lang' verstanden werden. Und prompt ziert das Cover eine ewig lange, nicht enden wollende Straße… englischer Humor eben. Bleibt zu hoffen, dass wir The Blues Band – wenn es denn wirklich das letzte Album gewesen sein sollte – nochmal und hoffentlich auch sehr bald wieder auf der Bühne erleben dürfen.
Line-up The Blues Band:
Gary Fletcher (acoustic & electric guitars, bass, electric piano, organ, lead vocals – #5,14)
Paul Jones (harmonica, lead vocals – #2,4,7,10,13,15)
Dave Kelly (acoustic-, electric-, slide- & wah wah guitars, lead vocals – #1,3,6,9,12,16)
Tom McGuinness (acoustic & electric guitars, mandolin, lead vocals – #8,11)
Rob Townsend (drums)
With:
Albert Lee (guitar – #12)
Ben Waters (piano -#2,4,12,13)
Bob Hall (piano – #3,6)
Zoot Money (organ – #3,9)
Steve Simpson (violin – #12)
Hughie Flint (bodhran – #12)
Jon Pelusa (background vocals – #9)
Nola Jesup (background vocals – #9)
Jane Spoul (background vocals – #9)
Tracklist "So Long":
- Hard Times Killing Floor
- Sweet Sweet Girl
- Tough Times
- Hoggin'
- Don’t Let It Be You
- Them Ol' Crossroads Blues
- Don’t Ever Let Nobody Drag Your Spirit Down
- Midnight Bus
- To Love Somebody
- Something You Heard
- Bring On The Blues
- Ti Fi Und Grande Dame Maintenant (Big Girl)
- Come On Give Me Some Blues
- My Love Made You Wrong
- Tough Love
- Tick Tock
Gesamtspielzeit: 65:44, Erscheinungsjahr: 2022
2 Kommentare
Manni
5. Februar 2022 um 19:16 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Schöne Review! 🙂
Die Musiker der Blues Band waren immer absolute Profis und ihre Musik hat mich über 40 Jahre begleitet. Hab sie im März 1981 in Mannheimer Rosengarten (Musensaal) live gesehen. Sie waren wirklich überzeugend mit nicht nur Paul Jones sorgte mit Charme und Witz zwischen den Songs für viele herzliche Lacher.
Rainer
5. Februar 2022 um 13:24 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hallo Markus ,
herzlichen Dank für Deine großartige Kritik .Ich kann jedes Wort unterstreichen und kann nichts mehr hinzufügen
Herzliche Grüße an RockTimes und Dich
von
Rainer aus Dortmund