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Michael Allman / Blues Travels Fast – CD-Review

Michael Allman / Blues Travels Fast

Konfetti-Blues und die Bürde des Lebens

Ein Blick in das Archiv von RockTimes lohnt immer … Schatzsuche einmal anders, ohne Luftballons und Konfetti, dafür aber mit Pretiosen vom Bekanntheitsgrad eines Mittelstürmers vom glorreichen ATS Buntentor – ein Bremer Stadtteilverein, in welchem ein Teil des hoffnungsvollen Nachwuchses des Rezensenten kickt. Dabei lässt sich der ebenfalls hoffnungsvolle Michael Allman finden, der damals mit zarten 43 Lenzen in Gestalt des Albums Michael Allman’s Hard Labor Creek sein Debüt feierte … und der rezensierende Ex-Kollege tat selbiges.

Immerhin ist der Familienname kein Zufall, denn Michael ist niemand Geringeres als der älteste Sohn eines gewissen Gregg Allman, seines Zeichen Legende bezüglich der Southern-Rock-Urväter Allman Brothers Band, welcher es bereits in der Prä-Allman Brothers-Zeit privat krachen ließ. Nachdem der erst werdende Jung-Papa Gregg vom Vater der Go-Go-Tänzerin Mary Lynn Sutton zum Teufel geschickt wurde, wuchs Michael Allman in seinen ersten sechs Lebensjahren mit jemand ganz anderen als Vater auf, der dann tragischerweise bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Jetzt erst erfuhr das Kind vom eigentlichen leiblichen Vater, zu der Zeit mit seiner Band und dem Verlust seines virtuosen Bruders in aller Munde. Es sollte aber elf weitere Jahre dauern, bis Michael Allman – bedingt durch eine Brustkrebserkrankung seiner Mutter – Kontakt mit seinem Vater hatte. Und auch er selbst sollte Anfang des Jahrtausends vom Krebs heimgesucht werden, den er glücklicherweise, wie seine Mutter, besiegen konnte.
Diese biografischen Auszüge machen deutlich, dass der Protagonist bisher wahrlich kein stromlinienförmiges Leben hatte und die (eigene) Musik spielte dabei nie wirklich eine Hauptrolle. Aber es riecht förmlich nach Blues, welcher sowieso in den Genen liegen dürfte, die sich wiederum auch rein äußerlich längst nicht mehr leugnen lassen.

Und so beginnt der Nachfolger von "Hard Labor Creek" folgerichtig mit dem Titelstück "Blues Travels Fast", veredelt von Country-Picking-Saitenlegende Albert Lee, der die blauen Töne nicht zu schwer werden lässt. Der Blues kommt in den folgenden Songtiteln noch mehrmals vor, musikalisch garniert mit latentem Southern-, Country- und Soulfeeling. Der berühmte 'Muscle Shoals'-Vibe ist jederzeit greifbar und Michael Allman agiert auffallend zurückhaltender als sein bekannterer Halbbruder Devon Allman (Royal Southern Brotherhood, Allman Betts Band). Dabei liegt er, im Gegensatz zu Devon, vom Timbre her erstaunlich nahe am berühmten Erzeuger.
Die Hälfte der Songs hat er (mit)geschrieben, für die Highlights wie den schmissigen "New Minglewood Blues", Rock’n’Roll-veredelt durch Georgia Satellit Rick Richards, das feurige "Goin' Back To Daytona" mit weiblicher Vokalpower oder den wunderbaren Soul-Blues-Schwof "Feeling So Bad" zeichnen andere verantwortlich.

Das gesamte Album ist offenkundig über einen längeren Zeitraum hin entstanden, ermöglicht ein Wiederhören mit dem leider verstorbenen Fell-Virtuosen Yonrico Scott (Royal Southern Brotherhood, Derek Trucks Band) und beinhaltet in seiner jetzigen Veröffentlichung mit "Mule Named Whiskey" einen Bonus-Track, der bereits vom Vorgängeralbum bekannt ist.

Bisher war das Album lediglich im Stream zugänglich und erreicht derzeit beim schwedischen Marktführer sagenhafte 145 monatliche Hörer*innen (weltweit!). Es ist dem Enthusiasten Reinhard Holstein nicht hoch genug anzurechnen, dass er dieses Kleinod via 'Juke Joint 500' für die wahren musikalischen Feinschmecker zugänglich macht, insbesondere in Form des zukünftiges Sammelobjekts kolorierter Vinyl-Scheiben in 500er-Auflage.
Fazit: Michael Allman hat den Blues … und es mit diesem Namen nicht leicht. Er selbst sagt, dass sein Bruder Devon der am härtesten arbeitende in der Familie sei (musikalisch betrachtet). Mit "Blues Travels Fast" liegt nun aber ein kleines Schatzkästchen vor, welches den Namen Allman noch ein kleines bisschen heller erstrahlen lässt und die Eminenz Gregg Allman, irgendwo mit einer unglaublichen und sagenhaft besetzten Band musizierend, zu einem Konfetti-Regen veranlassen dürfte.


Line-up Michael Allman:

Michael Allman (vocals)
Albert Lee (lead & rhythm guitar – #1)
Jared Hauge (rhythm guitar – #1)
Jeff 'JJ' Jones (acoustic guitar – #1,3,4,5,6,7)
Michael 'Wildman' Stern (lead guitar – #2,4, rhythm guitar – #4, acoustic guitar – #8, bass – #4, noises – #6,10,
more cowbell – #1,7,  string arrangement – #6)
Ron Day (rhythm guitar – #2,8, lead guitar – #6)
Rick Richards (lead & rhythm guitars – #3,5,7)
Ben Farmer (lead & rhythm guitars – #9)
Jared Hauge (Dobro – #10)
Joey Huffman (bass – #1,3,5,7, keyboard – #1,2,3,4,5,7)
Bryan Hall (bass – #2,8)
Michael Hurlwitz (bass – #9)
Ike Stubblefield (keyboard – #2,8,9)
Kevin Sellors (drums – #1,3,4,5,7)
Yonrico Scott (drums – #2,8)
Andy Hill (drums – #9)
Michele Malone (backing vocals – #1)
Schascle "Twinkle" Yochim (backing vocals – #2,8)
Sue Willett (backing vocals – #3,4,7)
Diane Durrett (backing vocals – #9)
Jacob Braun (cello – #6)
Freddy Vigdor (saxophone – #8)

Tracklist "Blues Travels Fast":

  1. Blues Travels Fast (4:24)
  2. Goin' Back To Daytona (4:34)
  3. New Minglewood Blues (4:22)
  4. Midnight Blues (3:25)
  5. Brown Liquor Blues (2:50)
  6. Rose Hill (2:08)
  7. Black Cat Moan (3:15)
  8. Feeling So Bad (4:43)
  9. Mule Named Whiskey (4:35)
  10. Sun Don’t Shine (4:06)

Gesamtspielzeit: 38:22, Erscheinungsjahr: 2022

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

2 Kommentare

  1. Wolfgang Giese

    MOIN, Olaf…

    mal ganz "Off topic"! Bei "Buntentor" hats bei mir geklingelt. Das Viertel (Bei den fünf Giebeln) ist doch Teil meiner Kindheit und Jugend gewesen… Ach, wie oft ich dort war, viele gute Erinnerungen gibt es, leider sind alle persönlichen Kontakte aus verschiedenen Gründen abgebrochen. Ein damaliger Freund ist heute wohl noch bei Eurem Konkurrenten "Albtraum Buntentor" aktiv…..

    P.S.: Danke für die Vorstellung der Platte, feiner Blues Rock im Southern Style… (ja, der Steve wusste damals schon, was gut ist)

    Liebe Grüße,

    Wolfgang

  2. Reinhard Huber

    Hallo!
    auf http://www.southern-records.de gibts die cd in D erhältilich!(Michael Allman!)

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