In unserer Kolumne zu Ostern vor zwei Jahren hatte Kollege Ulli geschrieben: »Dieses Ostern ist das alles etwas anders«. Der Zwischenruf stammte vom 10. April 2020 und ist damit 24 Monate alt. Corona war gerade einen Monat alt, zumindest die Verbreitung des Virus in vielen unserer Lebensbereiche.
Ich darf aus heutiger Sicht feststellen, dass mein letztes reguläres Konzert am 7. März 2020 in Leipzig stattfand. Zuletzt gab es zwei Clubkonzerte in kleinem Rahmen. Vor einem ausgelassenen Publikum stellte damals der Künstler Stoppok, unterstützt von drei hervorragenden Musikern, sein gerade neu erschienenes Album im Saal des Stadtteilzentrums Anker vor. Die Stimmung war phantastisch, die Liveatmosphäre authentisch. Keine halbe Woche später stand im öffentlichen Leben kein Stein mehr auf dem anderen, um einmal bildlich zu sprechen.
Damit sind wir schon inmitten der speziellen Thematik: Gewöhnlich touren Künstler, um in mehreren Konzerten eine Platte vor Fans vorzustellen. Das könnte angesichts von Corona schwierig werden, wenn Platten in einem Zyklus von weniger als drei Jahren veröffentlicht werden. Hier fallen mir spontan Deep Purple ein, um nur ein Beispiel zu nennen. Andere Musiker versuchen vergeblich, endlich einmal ihr 50-jähriges Bandjubiläum zu feiern. Die Pandemie schaffte es bisher, bei Judas Priest die für 2019 geplante Party bis heute zu verderben. Meine innig geliebte Lieblingsband Iron Maiden ist bereits das fünfte Jahr offiziell auf "Legacy Of The Beast"-Tour, um die Termine ständig zu verschieben. Da möchte man am besten gar nicht erst verraten, dass man die Briten im Juni 2018 in der Berliner Waldbühne erlebt hat. Vergleichsweise bescheidener hatte es Sängerin Tarja Turunen (offiziell: Tarja) bei ihren Tourplanungen angehen lassen. Ihr 2019 erschienenes Album In The Raw sollte ursprünglich im Frühjahr 2020 präsentiert werden. Die Aktivitäten wurden großzügig auf 2022 verlegt, wobei durch Corona im März wieder keine Konzerte möglich waren. Die Tour wurde deshalb um ein Jahr auf den gleichen Zeitpunkt auf 2023 verschoben.
Der persönliche Tourplan wird bei jedem Fan anders aussehen und möglicherweise sprechen viele gar nicht mehr davon – eine Art Aberglaube macht sich breit. Konzerte und die Corona-Pandemie erscheinen allerdings in diesen Tagen urplötzlich als Jammern auf hohem Niveau. Nur eineinhalb Flugstunden von Deutschland entfernt tobt in Europa ein erbitterter Krieg. Die Situation in der Ukraine scheint für uns als Betrachter völlig festgefahren, eine Ende nicht in Sicht. Sofort ist unser eingangs zitierter Satz wieder gültig. »Dieses Ostern ist das alles etwas anders«, trifft in vollem Wortlaut zu und mir stockt der Atem, wenn ich sehe, wie hilflos wir doch sind. Wenn schon die große Politik in Deutschland ratlos ist und gemeinsame Strategien nicht in Sichtweite sind, was wollen und was können Künstler leisten?
Bei einem kleinen Stadtfest im ostthüringischen Pößneck zum verkaufsoffenen Sonntag am 10. April gab es eine Bühne, auf der ausschließlich regionale Bands auftraten. Sie zeigten Courage für den Frieden und sammelten mit dem Benefizkonzert Geld für die Kriegsopfer in der Ukraine. Zwei Wochen zuvor gastierten in der gleichen Stadt drei Punkbands auf Einladung eines Jugendvereins in dessen Räumlichkeiten. Spontan flossen alle (!) Einnahmen aus dem Verkauf der Merchandising-Artikel an diesem Abend in die Spendenbüchse. Wer wollte, konnte außerdem seinen Obolus beim Trinkgeld erhöhen. Künstler wissen in der Regel immer, wie man konkret helfen kann. Das praktizieren sie nicht erst seit dem traurigen Krieg in der Ukraine. Wer meinen mag, die Hilfe sei nur ein Tropfen auf dem heißen Sein, mag vielleicht irgendwo Recht behalten. Doch sieht die Rechnung schon ganz anders aus, wenn viele helfen. Mir fällt immer wieder auf, dass bei derartigen Aktionen im kulturellen Bereich nicht erst gefragt wird, es wird gehandelt. Außerdem sind die meisten Initiativen privater Natur.
Fast scheint es so, als habe die Aufmerksamkeit für die Ukraine den Staffelstab von Corona übernommen. Komplett kann das nicht zutreffen, denn Corona ist nicht allgegenwärtig. Hilfsaktionen finden meistens im Zusammenhang mit künstlerischen Aktionen statt. Es wäre folglich nicht zielführend, auf Musik vollständig zu verzichten. Musik erfüllt in Krisenzeiten viele Funktionen. Sie darf deshalb nicht verstummen. Klar ist, dass die gesellschaftlichen Veränderungen und Herausforderungen, die uns aktuell umgeben, in einer Dimension stattfinden, wie sie keiner von uns kennt. Unser einleitendes Zitat brauchen wir nicht noch einmal zu bemühen. Wir halten ganz einfach fest, dass Ostern in diesem Jahr wie gewohnt zur Tradition gehört.
Deshalb wünschen wir unseren Lesern ein besinnliches und erholsames Osterfest und bedanken uns an dieser Stelle für die Treue.
Nach den starken Einschränkungen rund um die Pandemie wird das Fest sicherlich in diesem Jahr auf sehr unterschiedliche Weise von Euch begangen. Bleibt trotzdem alle vorsichtig und schön gesund. Genießt gute Musik, wo immer es Euch möglich ist und freut Euch auf die anstehenden Konzertbesuche.
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