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Meat Cheese / Fromage En Extase – CD-Review

Meat Cheese / Fromage En Extase

»Wissens, in Bayern is a Leberkas-Semmel ollaweil a gültiges Zahlungsmittel«, sagte kürzlich der Rosenheim Cop Anton Stadler zu seinem Kollegen, der ihm einen Gefallen schuldete. Ja, der Leberkäs oder Fleischkäse, wie er in den westlichen Regionen Österreichs genannt wird, erfreut sich großer Beliebtheit. Meat Cheese, also Fleischkäse, stammen aus Schwaz in Tirol und huldigen diesem Produkt alpenländischer Degustation mit ihrem Bandnamen. Als großer Freund dieser Köstlichkeit freut sich auch der Rezensent.

Meat Cheese sind Gregor Lindner und Michael Posch und instrumentieren ihren zündenden Rock irgendwo zwischen Stoner, Blues Rock und ein wenig Psychedelic – lediglich mit Bass und Drums. Keine Gitarre, keine Keys, wie funktionieren denn da die Harmonien? Berechtigte Frage, aber die Musik auf dem Debüt-Album "Fromage En Extase", der passende, käsige Titel für den Bandnamen, gibt die Antwort selbst und wer diese erst einmal kennengelernt hat, versteht den Ansatz. Der Bass wird nämlich weitestgehend auf zwei Kanälen präsent, einerseits als klassischer Rhythmus-Partner des Schlagzeugs, aber eben auch mit krachenden Läufen, die wir sonst nur vom Sechssaiter kennen. Das führt zwangsläufig zu einer Art energetischer Explosion, wenn die fetten Saiten fuzzig krächzend in Stellung gebracht werden. So nennen die Jungs ihre Musik eben auch Flash Rock, was die Bedeutung des Momentums in ihren Kompositionen betonen soll, aus der sich die Energie entwickelt und die glücklicherweise und ganz bewusst viel Raum für Improvisation lässt. So hören sich die Aufnahmen tatsächlich eher wie eine Live-Aufnahme an, auch wenn eben die Bass-Linien einzeln eingespielt werden mussten.

Schon die eröffnende Hookline zu "Raptor Party" hat eine faszinierende Energie und dringt in die Gehörgänge wie eine Kreissäge. Stoner beladene Riffs und aggressive Stimme, dann aber mit Passagen wechselnd, die mich stilistisch an die Vorgehensweise der Alpinkatzen erinnert, wenn ich mich recht entsinne eine Passage mit einem lässigen Break im "Landlertanz", auch wenn diese Musik mit dem hier vorliegenden Album rein gar nichts zu tun hat. "Moanin" nimmt ein wenig das Tempo zurück, nicht aber die Intensität, die ist hier ganz besonders überzeugend und auch gesanglich macht die Nummer eine gute Figur. Vor allem bleibt dieser Song in einem deutlichen Flow, das hat fast schon leicht hypnotische Züge.

"Fist" ist der absolute Kracher mit seinen Monster-Riffs, die auch stimmlich geil unterstützt werden. Hier groovt es gemeingefährlich, als ob man unter eine Geröll-Lawine des Karwendels geraten wäre. Jungs, passt auf, das Ihr nicht Eure Heimatberge zerlegt. Doch sie können auch ganz anders als nur brachial. Der sanft und mit sehr spärlicher Harp eingeleitete "Cheese Blues" nimmt mit seinem fast archaisch monotonen Bass-Spiel ganz langsam Fahrt auf und vermittelt einem alten Genre ungeahnte Aspekte. Die Harp bleibt omnipräsent, aber immer dezent und fast ein Stück hinter dem Bass bleibend. Man treibt sich gegenseitig durch die Sologefilde, ohne dass auch nur einen Moment ein Instrument nach der Vorherrschaft drängt. Zum Ende fliegt uns das Ganze in einer Art Boogie-Extase um die Ohren. Oder, um im Titel des Albums zu bleiben, hier knallt uns der Käse auf die Birne. Passt schon, Tiroler Bergkäse gönne ich mir jederzeit gerne, aber die Assoziationen dieser heftigen Musik würde ich nicht gerade in Molkereiprodukten sehen. Da geht es deutlich kerniger zu.

"Cheaper Better Harder" hat jede Menge Tempo und Drive, den Titel könnte man augenzwinkernd als eine sexistische Abwandlung des Macho-Mottos Höher, Schneller, Weiter betrachten. Ob das wohl so gemeint ist? Der Song variiert geschickt das Tempo und hat im Solo überraschende Verrenkungen für uns bereit. Der Vokal-Part im Refrain hingegen klingt sehr massentauglich und wirkt wie eine weitere Ironie. Billiger, Besser, Härter, na dann.

"Bone Marrow" nimmt sich viel Zeit, sein Thema zu finden. Der monotone Bass prägt, bis er sich auch solistisch reproduziert. Das ist ein guter Moment, um die Sache mit dem Flash nachzuvollziehen. Es sind die Momente, wo die Kraft der vier Saiten so richtig zündet. Die Dynamik des Songs wird aber auch geprägt durch die Tatsache, dass man immer wieder zu der reduzierten Hookline zurückkehrt, das pendelt hin und her, eine Art musikalisches Yin und Yang. Cool.
Die ersten Akkorde von "I’m Glad You Asked" werden wohl die meisten Zuhörer aus einer Gitarre als Quelle vermuten, eine solche soll aber nicht verwendet worden sein. Trotzdem erstaunlich, wie man diese Klänge aus dem Bass zaubern kann. Der Song hat übrigens ein mächtiges Crescendo und steigert im Mittelteil beziehungsweise Refrain sein Tempo wie auch die Intensität erheblich, das Solo ist fast ein fuzziges Freak-out mit wilden Killer-Riffs. Wohl bemerkt, hier spielen zwei Musiker, nicht mehr.
Das abschließende "Opus Meat" klingt ein wenig wie eine Stoner-Hymne und die repetitive Line brennt sich in die Windungen des Kleinhirns ein. Hier spürt man ein wenig von der Kraft der umgebenden Berge, in deren Nähe diese Musik entstanden ist, der Song hat etwas erhaben Archaisches und nimmt zum Ende durch Galopp-artige Schlagbeschleunigung zusätzliche Dynamik auf, bevor ein experimentell anmutendes kurzes Sounderlebnis der Scheibe ein viel zu frühes Ende bereitet.

Nein, diese Musik aus nur zwei Instrumenten ist alles andere als eintönig, sie reißt mit und erzeugt einen unerwarteten Variantenreichtum, verfügt dabei über Energie wie ein kleines Kraftwerk. Die Urgewalt der Berge umgesetzt in gradlinige und doch raffinierte Rockmusik, die vor allem eines vermittelt: Leidenschaft und Elektrizität.
Live spielen die Jungs mit einem Samplepad, welches Michael hinter der Schießbude nebenbei bedient – kenne ich von verschiedenen Post Rock-Bands, die ebenso verfahren. Der Fleischkäse versprach ekstatischen Käse, am Ende liefern zwei hoch engagierte Musiker einen erstaunlichen Mix moderner Rockmusik, die ihre traditionellen Wurzeln nicht leugnen kann. Generationen von Hard Rock-Bands haben es vorgemacht, erstaunlich aber, dass man zu Zweit derart Betrieb machen kann.
Abgefahren!


Line-up Meat Cheese:

Gregor Lindner (bass, vocals, blues harp)
Michael Posch (drums, backing vocals)

Tracklist "Fromage En Extase":

  1. Raptor Party
  2. Moanin
  3. Fist
  4. Cheese Blues
  5. Cheaper Better Harder
  6. Bone Marrow
  7. I’m Glad You Asked
  8. Opus Meat

Gesamtspielzeit: 36:56, Erscheinungsjahr: 2022

Über den Autor

Paul Pasternak

Hauptgenres: Psychedelic Rock, Stoner Rock, Blues Rock, Jam Rock, Progressive Rock, Classic Rock, Fusion

Über mich

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