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Richie Sambora / Stranger In This Town – CD-Review

Eingefleischte Bon Jovi-Fans mögen es mir verzeihen, aber der bessere Sänger der Band ist und bleibt Richie Sambora und dass er dazu noch hervorragend Gitarre spielen kann, steht sowieso ganz außer Frage.

Aber beginnen wir von vorn:
Nach mehreren Anläufen mit verschiedenen Musikern kristallisierten sich nach und nach die zukünftigen Mitglieder für Bandchef John Bongiovi heraus, die für lange Jahre seine Mitstreiter in der Band Bon Jovi bleiben werden. 1983 unterzeichnete John einen Plattenvertrag bei PolyGram.

Der Erfolg der beiden ersten, eher mäßigen Scheiben "Bon Jovi" (1984) und "7800° Fahrenheit" (1985) hielt sich noch in Grenzen. Erst ihr drittes Album, "Slippery When Wet" (1986) und das folgende "New Jersey (1988) brachten den weltweiten Durchbruch und eine sich daran anschließende, monatelange Welttournee war unausweichlich. Die Folge davon war, dass am Ende sämtliche Bandmitglieder völlig ausgebrannt waren, man brauchte eine Pause, um sich zu regenerieren. Es kursierten sogar Auflösungsgerüchte, die an dem einen oder anderen Statement der Bandmitglieder, die man unbedachterweise einzelnen Reportern gegenüber fallen ließ, festgemacht wurden. Und als Jon Bon Jovi 1990 sein Solo-Album "Blaze Of Glory" (Soundtrack zum Film) rausbrachte, war man vollends davon überzeugt, dass Bon Jovi nun endgültig Geschichte sind, zumal sowohl Richie Sambora als auch David Bryan nicht untätig waren und mit ihren Scheiben "Netherworld O.S.T." (David Bryan) und "Stranger In This Town" (Sambora) 1991 nachzogen. Wenn man jedoch das Booklet sehr aufmerksam liest, gilt Richies Dank nicht nur den mitwirkenden Kollegen, Familienmitgliedern, Freunden und Unterstützern, sondern auch Jon Bon Jovi (ein Indiz dafür, dass doch alles nur Gerüchte waren?) – und seinem Idol Jimmy Page (das sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt).

"Stranger In This Town" ist der erste Soloversuch Richie Samboras. Unterstützung erhielt er von Basser Tony Levin und den Bandkollegen seines Brötchengebers, David Bryan am Keyboard und Drummer Tico Torres.

Ziel des Gitarristen war, sich auf dieser Platte auch seiner heimlichen Leidenschaft, dem Blues und Soul zu widmen. Die Songs stammen, unter Mitwirkung von Helfern wie Bryan, Marolda, Child, Warren und Forster, aus Samboras eigener Feder. Dass diese jedoch nicht ganz ohne kommerziellen Anstrich auskommen, mag man ihm verzeihen.
Der Opener beginnt sehr psychedelisch, hat dennoch einen leichten Bon Jovi-Anstrich. Kein Wunder, prägte Sambora mit seinem Gitarrenspiel doch den unverkennbaren Bon Jovi-Sound.
"Church Of Desire" hat den typischen Touch der 80er und erinnert mich sehr stark an die Solo-Ausflüge von Robert Plant auf dessen Erstlingswerken. 'Walzer im Dreiviertel-Takt' gibt es mit dem 6:15-minütigem Titeltrack, gefällt mir außerordentlich gut, zumal hier die Stimme des Solisten sehr schön zum Ausdruck kommt. Eine kleine musikalische Perle auf dem Album.
"Ballad Of Youth" könnte auch wunderbar auf Bon Jovis "New Jersey" passen, wäre eine tolle Stadion-Hymne für die Band.

Eine sehr schöne, bluesgetränkte Ballade ist "One Light Burning". Auf diesem Stück hat sich Richies ganz großer Traum erfüllt, denn es spielt sein Favorit Eric Clapton ein Gitarrensolo und anschließend spielt der namenlose "Mr. Bluesman" seinen Blues. Gegen Ende des Albums packt der Gitarrist endlich wieder den Rockknüppel aus, denn mit den Hardrockern "Rosie" als auch "River Of Love" geht die Post richtig ab.

Bei der Melodic Rock-Nummer "Father Time" beweist Sambora erneut, welch hervorragender Sänger und Gitarrist er doch ist. Seine soulige Stimme passt, wie die berühmte Faust aufs Auge, zu diesem Stück.
Den Abschluss bildet das akustische "The Answer".

Meine Frage ist nun, welche 'Answer' mochte uns Richie mit seinem Album geben? Grundtenor der Platte ist meiner Meinung nach der melodische Hard Rock. Ob Richie sich mit dieser Scheibe einen Wunsch erfüllen oder auch nur austesten wollte, inwieweit er als Solokünstler bestehen kann, ist und bleibt sein Geheimnis. Traumplatzierungen in den Charts erreichte er nicht unbedingt (in Deutschland Platz 72, in den US 36 und UK 26).

Es folgten noch zwei weitere Veröffentlichungen: "Undiscovered Soul" (1998) und "Aftermath Of The Lowdown" (2012), die auch nicht gerade zu den Erfolgs-Platten gehörten. Schade eigentlich, denn Richie Sambora gehört für mich zu den leider immer noch unterbewerteten Sängern und Gitarristen. Fans haben die Platte garantiert schon im Regal stehen und einstauben wird sie dort bestimmt nicht.


Line-up Richie Sambora:

Richie Sambora (accoustic guitar, electric guitars, vocals)
David Bryan (keyboards)
Tony Levin (bass guitar, stick)
Tico Torres (drums, percussion)

Guests:
Eric Clapton (guitar solo – #6)
Randy Jackson (bass guitar – #5)

Tracklist "Stranger In This Town":

  1. Rest In Peace
  2. Church Of Desire
  3. Stranger In This Town
  4. Ballad Of Youth
  5. One Light Burning
  6. Mr. Bluesman
  7. Rosie
  8. River Of Love
  9. Father Time
  10. The Answer

Gesamtspielzeit: 52:11, Erscheinungsjahr: 1991

Über den Autor

Ilka Heiser

Hauptgenres: Classic Rock, Blues Rock, Heavy Rock
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