![Southern Rock Junkies / Back To The Roots Volume 1](https://www.rocktimes.info/wp-content/uploads/2022/05/southern-rock-junkies-back-to-the-roots-vol1-300x292.jpg)
Nostalgie aus dem Gurkenfass
So kann das manchmal gehen. Da befindet sich ein unscheinbarer Umschlag in deinem Postkasten, du machst ihn auf und es purzelt eine brandneue Doppel-CD heraus, die du rezensieren darfst … aber bevor du die Chance hast, diverse Zeilen in die Tastatur zu hauen, befindest du dich unvermittelt und unmittelbar auf einem gnadenlosen Nostalgie-Trip.
Southern Rock Junkies? Da war doch was? Oh ja, in des Rezensenten embryonaler Schreibtätigkeit für das Magazin der guten Musik, für die sich bitte die gebührende Zeit zu nehmen ist, ergab sich vor gefühlten Dekaden ein Trip in die Sümpfe der Republik, voller Alligatoren in Verkleidung vermeintlich harmloserer Tierchen, Moskitoschwärmen in Gestalt der gemeinen Stechmücke und Menschen, die sich ob ihres bereits damals prähistorischen Musikgeschmacks zusammenrotteten, um stilecht bei BBQ, diversen Kaltgetränken und passender (Live-)Musik eben diesem zu frönen.
Ohne dass es dem Rezensenten damals bewusst gewesen wäre, wohnte er bei dieser Gelegenheit der Premiere der Southern Rock Junkies bei, sowohl akustisch als auch elektrisch. Das Projekt war eigentlich nur für dieses einmalige Event ins Leben gerufen worden und erntete einen standesgemäßen Begeisterungssturm der kleinen, aber feinen Southern Rock-Gemeinde.
Diese wollte sich damals nicht zuletzt getroffen haben und so gab es auch einen Fortbestand der 'Junkies' als 'Gemeinden-Band'.
Wie sich auf der außerordentlich lesenswerten und informativen Webseite der Southern Rock Junkies nachlesen lässt, ist Robert 'Rob' Hiemer nicht nur der entscheidende Kopf des Band-Projekts, sondern auch akribischer Archivar und nicht zuletzt ein leidenschaftlicher, seit mehr als vier Jahrzehnten aktiver Musiker, der mit seinen im Lande verstreuten Junkie-Kollegen auch gerne eigenes Material umsetzen wollte. Dies führte schließlich 2014 zu einem ersten, proppevollen CD-Doppelalbum ("Ghostriders Of Southern Rock"), dem bis 2018 noch drei weitere folgen sollten.
Und nun liegt "Back To The Roots – Volume 1" vor, wie alle Vorgänger ein randvoller Doppeldecker und mit sage und schreibe knapp 40 Musikern eingespielt, welche gar internationale Namen wie Max Arrigo (Voodoo Lake, Nandha Blues), Rob Tognoni oder Bruce Brookshire (Doc Holliday) inkludieren. Das sollte recht eindrucksvoll veranschaulichen, welches Netzwerk Rob Hiemer im Laufe der Zeit hat knüpfen können.
Aber verderben nicht auch viele Köche zuweilen den Brei?
Der Rezensent kann aus eingangs genannten Gründen unmöglich objektiv sein und verweist in der Frage des musikalischen Inhalts auf den Untertitel des Albums: "Pure Country-Southern-Rock’n’Roll Volume 1".
Es ist in den vergangenen vier Jahren soviel Material zusammengekommen, dass also noch ein Nachschlag zu erwarten ist und vor dieser Produktivität kann der Rezensent nur seinen imaginären Stetson ziehen.
Dabei ist auffällig, dass der Begriff 'Country' mit Vorsicht zu genießen ist. Truck Stop aus dem hohen Norden schauen bei dieser Veranstaltung jedenfalls nicht vorbei. Der Rock’n’Roll dominiert, wobei sich wahlweise Querverweise an die 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahre finden lassen. Die Tex-Mex-Einflüsse des Vorgängeralbums Amigos & Banditos sind nur noch sporadisch auszumachen, zieren aber das absolute Highlight des Rezensenten, welches sehr geschickt die Melodielinie von Deep Purples "Child In Time" verwebt und der Saitenartist-Entdeckung des Albums, einem gewissen Tim Jäger aus Unterfranken – Betreiber einer Musikschule und Kopf der Band Rock Class (drei Alben im Blues Rock-Idiom) – eine Spielwiese eröffnet, die er weidlich und slidend auszunutzen weiß. Das ist der Stoff, bei dem der alte klebrige Southern Comfort vor Begeisterung verschüttet und ein neues Fass Spreewälder Gurken auf den Markt geschmissen wird … und der Mann hat einen echt guten Ton sitzen!
Ansonsten ist Chuck Berry – wer sonst? – allgegenwärtig, natürlich durch die Keith Richards– und Pete Townshend-Schule transformiert, Gary Rossington und Allen Collins von der legendären Band mit den vielen Ypsilons nicht zu vergessen.
Allgegenwärtig ist auch der Begriff 'Home Of Rock', was aber wenig verwundern darf, denn Rob Hiemer ist beim Internetradiosender gleichen Namens mit einer eigenen Sendung On Air.
Er hat alle Songs selbst geschrieben, spielt auf allen Bass und gibt den Sänger. Bezüglich ersteren Aspekts ist bei aller Begeisterung eine latente Formelhaftigkeit nicht zu leugnen und der Rezensent fragt sich, ob eine Reduzierung auf einen Longplayer mit 70 Minuten Gesamtlaufzeit nicht vielleicht eine gute Option gewesen wäre. Bei letzterem offenbart spätestens das programmatisch donnernde "Just For The Rockers" – von Attila Atka Scholtz amtlich eingeshoutet -, dass Rob Hiemers Gesang ein ganzes Album nicht tragen kann.
Ein Schlüsselsong ist schließlich der über 10minütige Rausschmeißer "Home Is Where The Music Is", eine Hommage an 'Radio Home Of Rock', wo die Moderatoren und Sendungen im Text Erwähnung finden und dass durch ein seit seligen "Free Bird"-Tagen im Genre übliches 'Gitarrengemetzel' einen würdigen Schlusspunkt setzt.
Fazit:
Manchmal liegen die Sümpfe Louisianas im schönen Spreewald und der entsprechende Soundtrack kommt aus der Oberpfalz.
Es ist schon erstaunlich, wie produktiv und qualitativ hochwertig ein überwiegend aus Hobby-/Freizeitmusikern bestehendes Bandprojekt mit weit verzweigtem Netzwerk im Studio agieren kann. Natürlich ist hier nicht alles konsistent und es sollten auch keine internationalen Maßstäbe angelegt werden, das würde dem Langzeit-Projekt nicht gerecht. Vielmehr zählt hier das hör- und lesbare Herzblut, der Spirit, das Feeling und der ungebrochene Enthusiasmus für eine Musik, bei der die Zwillingssöhne des Rezensenten nur verständnislos den Kopf schütteln. Selbiger hat dabei eigentlich gar keine Lust, seinen Nostalgietrip zu beenden …
Line-up Southern Rock Junkies (Kernmannschaft):
Robert "Rob" Hiemer (bass, vocals)
Epi Schmid (guitar)
Klaus Dietrich (guitar)
Mike Hennig (guitar)
Tim Jäger (guitar, slide guitar)
Markus Brod (drums)
René Baumann (drums)
And many guests
Tracklist "Back To The Roots – Volume 1":
CD 1:
- Introductory [Gerry Casey] (0:37)
- Happy As A Man Can Be (3:33)
- Cheerz For Rock N Roll (5:08)
- Never Too Late To Rock N Roll (6:20)
- Back To The Roots (6:45)
- Baby Play My Rock N Roll Again (3:00)
- Sorry We Are Stoned (6:44)
- Take My Blues Away (5:36)
- Ticket To Paradise (6:50)
- A Man Can Never Have Too Many Guitars (4:18)
- Quarantine Blues [Max + ROB] (6:05)
- Vamos Muchachos (8:08)
- Southbound (5:13)
- Edge To Midnight (8:26)
CD 2:
- Rock N Roll Dreams (3:38)
- Rock Is In My Head (6:24)
- Turn Your Radio On (4:03)
- Crazy Kind Of Love (4:58)
- Home of Rock Will Never Die (5:44)
- Lanky Wanky Crazy Night (5:18)
- Once At Night (7:33)
- Mexican BBQ (5:07)
- Don’t Wanna Die (5:13)
- Valerie (7:25)
- Just For The Rockers (6:00)
- Halleluja Rock N Roll (5:17)
- Home Is Where The Music Is (10:30)
Gesamtspielzeit: 76:43 (CD 1), 77:09 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2021
5 Kommentare
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ROB
16. Juni 2022 um 15:15 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
The Southern Rock Junkies: Für uns ist die Rebel Flag ein Symbol für die Southern Rock Music – keinerlei Politik – einfach nur good southern rockin‘ music !
Claus
17. Juni 2022 um 7:18 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
In den USA gilt sie als Symbol für Sklaverei und Rassismus. Was ihr darunter versteht ist irrelevant.
Steffen Nitzsche
20. Juni 2022 um 14:10 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Ich sehe das auch so….Hier gehts um Musik. Die Politik hat hier eigentlich wenig zu suchen. Die ist fragwürdig genug. Über diese Flagge gab es schon so viele Diskussionen in Musikzeitschriften. Heutzutage wurde alles poralisiert und in den Dreck gezogen.
Claus
21. Mai 2022 um 18:19 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Und lustig flattert die REBEL FLAG. Ich bin schon enttäuscht so einen Dreck bei euch zu sehen. Durch nichts ist sie zu entschuldigen.
Alfred
24. Mai 2022 um 14:53 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Da gebe ich Claus recht . Nicht die Qualität der Musik ist entscheidend , sondern die Werbung die dafür gemacht wird ,es gibt wahrlich bessere Musik von Jungen initiativen Künstlern zu besprechen .