Snowman ist ein Projekt des portugiesischen Gitarristen, Sänger und Komponisten Pedro Miguel Fernandes, der sich seit seiner Jugend dem Progressive Rock verschrieben hat. Ziel war und ist es, eine Musik zu schreiben, die sowohl dem klassischen Prog der Pink Floyd, Genesis oder Camel verbunden bleibt als auch moderneren Ansätzen wie Porcupine Tree, Steven Wilson und Opeth gerecht wird. Genau die Bands sind es nämlich, die Pedro Miguel im Begleitmaterial als seine Quellen selbst benennt. Diesen Spuren begegnet man auf der Reise durch das Album immer wieder.
Das Werk "In A Better Place" startet mit einem fast cineastisch anmutenden, äußerst sensiblen Intro mit warmen satten Keyboard-Sounds voller Dramatik und historischer Bezüge, bis eine klare und quasi nachdenkliche Gitarre den Staffelstab übernimmt. Leicht psychedelisch elaborieren die Saiten bis hinein in plötzliche, wilde Riffs und metallene Breaks. Meine Herren, hab ich mich in der Musik derart geirrt? Nein, die Tasten überschwemmen das wilde Treiben wie ein Schaumteppich und quellen mit sanfter Entschlossenheit aus zu den weiteren vertonten Erlebnissen. "The Broken Man" macht auf wie eine historische Pendragon-Nummer, insbesondere was den Gesang angeht. Erst einmal. Doch wenn die Gitarre mit ihrem vollen und satten Sound erstmals aufbegehrt, erkennt man auch hier wundervolle Parallelen zu Nicky Barrett. Wir werden im Folgenden aber noch deutliche Unterscheidungen finden.
Mit dem epischen zehn Minuten-Werk "A Storm Coming" nimmt die Reise endgültig Fahrt auf. Nach den düsteren Lines zu Beginn geraten wir in eine riffige Angelegenheit aus den früheren Zeiten von Porcupine Tree. Wow, einen solchen Mix aus klassischem (Neo-)Prog hin zu modernen Spielarten hätte ich nicht erwartet, wenn ich nicht vorher den Beipackzettel gelesen hätte. Doch dann reißt mich plötzlich diese fette und überaus aggressive Gitarre mit ihren satten Verzerrungen aus dem Sessel. Diese erdige Kraft erhebt sich aus den progressiven Mustern und schenkt uns wunderbare Momente der Verbindung zu ganz anderen Stilrichtungen. Kontrastiert durch die mäandernden Gitarren in den reduzierten Strophen gewinnen solche Ausraster einen zusätzlichen Kick. Die Ankunft des Sturms wird uns spannungsgeladen verkauft. Interessanterweise ist diese lange Nummer die erste Single des Albums. Pedro Miguel Fernandes beschreibt darin die Aufs und Abs im Leben und wie man sich auf unvermeidliche äußere Einflüsse einstellt. Damit wird der Song quasi zur Metapher für das gesamte Album.
Doch der Sturm wird fortan nicht weiter thematisiert, "Harbour Of Sorrow" nimmt eine getragene Fährte auf und schenkt uns aus floydschen Intro-Sounds ein schönes Gitarrenspiel voller Harmonie und Kraft. Repetitive und aufbegehrende Kreise verschärfen das Tempo bis hin zu knackigen Breaks über leicht orientalisch wirkenden Keyboards, wie ich sie früher gelegentlich bei Rainbow gehört habe. Das satte Gitarrensolo liegt dann wieder voll im Neo Prog, Freunde von IQ oder Jadis werden auf ihre Kosten kommen. Der reflektierte Ausklang rundet den Song ab.
"Wherever You Are" startet romantisch und bedient sich ein weiteres Mal der Stilistik von Pendragon. Ein Lied voller Liebe und Leidenschaft. Die klangmalende Gitarre hält den Pegel und korreliert mit dem Gesang – beide werden schließlich von Pedro Miguel Fernandes eingebracht. Die sanften Breaks mit dem Piano erinnern mich an alte Styx-Songs, ach war das damals schön.
Auch "To This Day" startet eher zurückgenommen, bietet aber schon bald eine fette Gitarren-Hookline, die in den Track leitet. Mit mehr als neun Minuten wartet die zweitlängste Reise auf dem Album auf uns. Die Nummer folgt zunächst klassischen konstruktiven Mustern, bis nach gut der Hälfte recht simple Tastentöne gegen riffige Saitenwände angehen. Das hätte man allerdings deutlich kraftvoller und ekstatischer ausgestalten können. Ein Genesis-artiges Break versucht uns mit Flötentönen heimzuholen. Die finalisierende Gitarre setzt dann aber einen schönen Schlussakkord und macht uns glücklich, wenn sie das Hauptthema zum Ende noch einmal aufgreift. Genau das ist es doch, was wir im Prog so lieben.
"The Sound Of Your Laughter" lebt von Beginn an vom schmissigen Zusammenspiel zwischen Flöte und Gitarre und die fetzige Mainline sorgt für die nötige Spannung. Das Energie-Level liegt hier ziemlich hoch und das satte und vollmundige Gitarrensolo ist zwar kurz, setzt dem Ganzen aber den Deckel drauf, am Ende sogar noch mit dem nötigen dahinschmelzenden Ausklang.
Das abschließende "Gratitude" beginnt mit naturalistischen Sounds, jemand schreitet wohl den Strand entlang. Es beginnt eine herrliche Gitarrenschleife wie aus den Wave-Bands der Achtziger entnommen, während eine entrückte Flöte noch einmal die Romantik befeuert. Fetziger Rhythmus setzt ein, eine klare und wunderschöne Harmonie der Gitarre, im weiteren Verlauf in der Mainline sogar als Twin-Guitar dargeboten, will uns offensichtlich verzaubern. Ja, dieser letzte Song atmet die Kraft seiner Aussage: Dankbarkeit. Ein in unserer Zeit viel zu sehr vernachlässigtes Attribut!
"In A Better Place" entstand in insgesamt drei Jahren, wobei im Vorfeld die Besetzung der Band mehrfach wechselte. Herausgekommen ist ein ambitioniertes Werk mit einer positiven Grundstimmung und einem spannenden Mix an verschiedenen Einflüssen, die aber harmonisch zu einem neuen Ganzen zusammengefügt werden. Ganz besonders die ausdrucksstarke Gitarre von Pedro Miguel Fernandes hat es mir angetan und macht Vorfreude auf das, was noch kommen mag. Prog aus Portugal? Da bin ich dabei.
Line-up Snowman:
Pedro Miguel Fernandes (vocals, guitar)
Dinis Costa (keyboards)
Tiago Faria (drums)
David Vieira (drums)
Ru Manuel Gomes de Andrade’Ruydabass' (bass)
Guilherme Luz (analogic keyboards)
Rui Godinho (keyboards)
Mario Pascoal (flute)
Cristiana Gomes (flute)
Tracklist "In A Better Place":
- The Mysterious Vanishing Of Elisa Lam
- The Broken Man
- A Storm Coming
- Harbour Of Sorrow
- Wherever You Are
- To This Day
- The Sound Of Your Laughter
- Gratitude
Gesamtspielzeit: 51:04 Erscheinungsjahr: 2022
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