Nachdem die geplante Europa-Tour der Black Crowes im Herbst 2020 zur Feier des dreißigsten Geburtstag ihres Debütalbums "Shake Your Moneymaker" dem Corona-Virus zum Opfer fiel und auch die Nachholtermine 2021 aus demselben Grund abgesagt werden mussten, sieht es momentan so aus, dass die für Deutschland neu angesetzten Shows Ende diesen Jahres nun stattfinden können. Blöd nur, dass das Erstwerk zu diesem Zeitpunkt bereits den unrunden Geburtstag von 23 Jahren (seit seiner Aufnahme) überschritten hat. Aber die Band um die Brüder Chris und Rich Robinson sind flexibel und die Fans dürfen sich ganz sicher auch dann freuen, falls teilweise anderes Material als die zehn Tracks des Debüts gezockt werden, denn die Crowes sind und waren immer schon eine hervorrangende Live-Band. Die Amerikaner waren übrigens (zumindest) im Januar 2022 im Studio, was auf ein weiteres Album mit neuem eigenem Material hoffen und schließen lässt.
Bereits etwas, wenn auch nicht viel, älter sind die sechs Nummern, die die Band mit seit der Reunion leicht geändertem Line-up zur Überbrückung als EP mit dem Namen "1972" herausgebracht hat. So ist beispielsweise– die Fans wird es freuen – der Bassist Sven Pipien (nachdem er über die Jahrzehnte schon zweimal gefeuert wurde) zum dritten Mal wieder mit Boot. Aber zurück zur Scheibe – sechs Coverstücke sind darauf vertreten, die – ganz typisch Black Crowes – aber keine offensichtlichen Gassenhauer aus dem titelgebenden Jahr sind, vielmehr wurde ein gutes Stückchen tiefer gegraben, wie alleine schon die Little Feat-Nummer "Easy To Slip" oder auch der David Bowie-Track "Moonage Daydream" zeigen. Begonnen wird jedoch sehr powervoll mit den Rolling Stones und deren "Rocks Off" (vom legendären Album Exile On Main Street). Die Crowes halten sich relativ nahe am Original und dass sie rocken können, brauchen die Helden schließlich nicht mehr neu, sondern haben dies ja bereits wieder und wieder bewiesen. Das abschließende "Papa Was A Rollin' Stone" ist ein cooler, grooviger Gegenpunkt, der diese EP beschließt. Nicht ganz so stark wie die übrigen fünf Cuts, aber immer noch ein guter Song.
Ein bisschen an den Arrangements geschraubt haben die Crowes dann doch, was bei Bowies "Moonage Daydream" am auffälligsten ist, bei dem die Strophen deutlich schneller gespielt werden, bevor beim Refrain wieder in das Tempo des Originals eingebogen wird. Apropos Bowie und Ziggy Stardust, eine weitere Nummer ist der T.Rex-Klassiker "The Slider", bei dem herrlich und ausgiebig gegroovt und gerockt wird. Ebenfalls sehr gelungen. Für Little Feats "Easy To Slip" hat Rich Robinson die Lead Vocals übernommen und lässt sich ebenfalls nicht lumpen. Gute Idee, da die Stimme des jüngeren Bruders doch deutlicher näher zu der von Lowell George passt, als das bei dem guten Chris der Fall ist. Tja, und schließlich ist da noch der Rod Stewart-Song "You Wear It Well", der sich super melodisch und dennoch rau wie ein Drei-Tage-Bart in die Lauschlappen des Hörers bohrt. Ein echter Ohrwurm!
Ehrlich gesagt ist es müßig, hier direkte Vergleiche anzustellen und diese neuen Versionen mit 'besser' oder ’schlechter' als die Originale zu bewerten. Denn zum einen macht "1972" einen Riesenspaß und dreht sich seit Wochen mit schöner Regelmäßig- und erstaunlicher Häufigkeit in der Anlage des Rezensenten – und zum zweiten gibt es Songs wie beispielsweise "Rocks Off" oder auch "Easy To Slip", die in ihrer Originalversion einfach nicht zu toppen sind. Dennoch kann "1972" nur ganz dick empfohlen werden!
Line-up The Black Crowes:
Chris Robinson (harmonica, lead vocals)
Rich Robinson (guitars, background vocals, lead vocals – #4)
Sven Pipien (bass, background vocals)
Isiah Mitchell (guitars)
Joel Robinow (keyboards, background vocals)
Brian Griffin (drums)
With:
Mackenzie Adams (background vocals)
Tracklist "1972":
- Rocks Off
- The Slider
- You Wear It Well
- Easy To Slip
- Moonage Daydream
- Papa Was A Rollin' Stone
Gesamtspielzeit: 26:58, Erscheinungsjahr: 2022
2 Kommentare
Manni
18. Juni 2022 um 21:55 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Na ja, diese Songs wären sicher eine schöne Überraschung in einer Show und am nächsten Tag hätte man sie wieder vergessen. Aber als Konserve? Ist ganz nett, aber nicht ein Song kommt nur in die Nähe der Klasse des jeweiligen Originals. Die Idee, ein (auch das nur manchmal) etwas anderes Arrangement drüberzulegen, ist zu wenig. Die Krähen müssen verzweifelt sein, sowas zu veröffentlichen.
Da sind wir einer Meinung, Markus, das hast du mit anderen Worten ja auch so beschrieben. 🙂
Markus Kerren
22. Juni 2022 um 18:13 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Alles korrekt, Manni. Wobei ich 'verzweifelt' als ein bisschen zu ’starkes' Wort finde. Ist eben eine typische 'Vergesst uns nicht'- bzw. Übergangs-Veröffentlichung. Auf das nächste Studioalbum mit eigenen Songs bin ich allerdings schon richtig gespannt!