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Ben Craven / Monsters From The ID – CD-Review

Ben Craven / Monsters From The ID

»Ben Craven ist ein cineastischer Progressive Rock-Sänger und Songschreiber aus Brisbane, Australien«, heißt es platt und simple auf der Bandcamp-Seite des Musikers. Der Begriff Multi-Instrumentalist fehlt in dieser Beschreibung, denn Ben spielt die gesamte Musik seines neuen, bombastischen Werkes selbst ein, inklusive der epischen Choräle und sinfonischen Klangwelten. Die entstammen nämlich den Tasten und vermitteln damit einen kleinen, wenn auch unbeabsichtigten Gruß hinauf in die Sphären an Klaus Schulze, der uns ja auch schon verlassen hat, aber einst mit als erster solche orchestralen Sounds entwarf. Ansonsten hat "Monsters From The ID" aber nichts mit Klaus zu tun, wir bewegen uns eher auf den Spuren von Yes und Pink Floyd. Weitere Zitate und Wurzeln ergeben sich bei näherer Betrachtung.

Im Prinzip wäre "Monsters From The ID" perfekt geschaffen für eine LP. Das Werk besteht aus zwei knapp zwanzig minütigen Epen, allein, es erscheint nicht auf Vinyl, sondern als CD/DVD oder in digitaler Form. Ein Kompromiss an die Praktikabilität, möchte man vermuten, denn ansonsten zeigt sich Ben den modernen gesellschaftlichen Entwicklungen eher kritisch, wie ja schon der Album-Titel andeutet und was sich in den raffiniert naiven, aber hintergründigen Videos der Single Editions auf der DVD zeigt, wo Ben geschickt Themen wie die Ressourcenverschwendung und Ausbeutung des Planeten darstellt, den Konsumwahnsinn und die Verknüpfung von Ökonomie und Krieg. Umso erstaunlicher, dass wir solche versteckten Hinweise in einer Musik finden, die sich eigentlich aufmacht eine ganz eigene Fantasy-Welt zu schaffen, herrlich illustriert von Roger Deans talentierter Tochter Freyja. Roger, der durch seine Arbeit für Yes, Asia und Avatar weltberühmt ist, hat auch das Logo von Ben Craven kreiert.

Bereits auf der CD warten im Anschluss an die beiden Hauptstücke vier Bonus-Songs, die aber nichts anderes als die Single-Auskopplungen darstellen und daher eher auf der DVD in Form der Videos von Interesse sind.
Stilistisch bewegen wir uns mit starken Bezügen zu den Siebzigern hinein in das Album, werden aber feststellen, dass die vermittelten Stimmungsbilder beider großer Nummern deutlich verschieden sind. Für den unverkennbaren cineastischen Hintergrund landen wir dabei bei einem Namen, den ich schon im Internet als Bezug vernommen habe und der auch mir sofort in den Sinn gekommen ist. Hier und da erleben wir bombastische Momente wie in den gloriosen Filmmusiken des Hans Zimmer, den auch ich sehr verehre und der meiner Meinung nach die bewegendsten Soundtracks in der Filmgeschichte geschrieben hat.

"Die Before You Wake", ein Gesamtwerk in acht Sätzen, startet mit einem pathetischen Opening aus sinfonischen Klängen und einem aufbrausenden Crescendo, wo mir der Film "Das Omen" ins Gedächtnis rückt. Insgesamt erinnert mich die Komposition in ihrer Struktur ein wenig an "Close To The Edge" von Yes. "Tales From Topografic Oceans" wurde aber auch schon zitiert. Die erste aufbegehrende elektrische Gitarre zeigt, dass Ben auf dieses Instrument anscheinend besonderen Wert legt und er wird uns in der Folge nachhaltige Belege seiner Klasse an den Saiten präsentieren. Im ersten Moment keimt sogar die Erinnerung an Mike Oldfield auf. Das Hauptthema mit seinen schönen Harmonien hat etwas von den Melodien der Neo-Progger Ende der Neunziger. Besonders später im zweiten Werk gibt es immer wieder mal melodische Verwandtschaft mit Shadowland, jener nicht sehr bekannten Band von Tastenmann Clive Nolan und Gitarrist Karl Groom.
Der vierte Satz des Songs bringt ein vermeintlich friedfertig, sanftes Break, doch Vorsicht. Die Nummer handelt von Seelen fressenden Monstern, wir sollten auf der Hut bleiben. Denn wie heißt es so schaurig im Text: »All the souls we take, die before you wake.«
Der fünfte Satz "Wicked Delights" hat repetitive riffige Elemente, wie sie auch Neal Morse verwendet, wenn eine sich zuspitzende Handlung dargestellt werden soll. Schön aber, dass sich diese düsteren Riffs immer wieder zum Ende in höchst melodische Harmonien auflösen und hier darf dann endlich auch mal das Keyboard solieren, wo es sonst doch eher den sinfonischen Eindrücken verpflichtet bleibt. Die Mainline mit Gesang kehrt noch einmal zurück, bevor wir uns in ein ganz anderes Sound-Imperium hinein bewegen. Spätestens jetzt zeigt Ben seine Referenzen zu David Gilmour. "Endless Night", der Abschlusspart von "Die Before You Wake" klingt anfangs wie das Intro zu "The Great Gig In The Sky" von "Dark Side", wechselt dann aber in ein Solo, wie David es zum Ende seiner Karriere gespielt haben könnte. Bens Spannungsbogen ist bemerkenswert, er setzt ein faszinierendes Crescendo, wie es auch ein Roine Stolt so meisterlich versteht. Zuletzt zieht er dann alle Register des Orchetralen Bombasts und legt fette Choräle über den marschierenden Rhythmus, die fast klerikal ausklingen. Ich mag so was und bin ziemlich begeistert.

Das zweite Epos heißt "Amnis Flows Aeternum" in zwölf Abschnitte unterteilt. Nach einem sensiblen Auftakt mit akustischer Gitarre wechselt das Werk in düstere, repetitive Linien, die unheilschwanger zu kreiseln beginnen. Die unterstützend einsetzende Gitarre ist abermals sehr Floyd-behaftet, die folgenden Akkorde haben ganz viel von Grobschnitt – verrückt, solche Verwandtschaften. Die Parts werden aber zum Ende von einer getragenen Gitarre aufgelöst, die man nun wieder gerne bei Yes suchen darf. Ein Spannungserzeugendes Break führt dann in den ersten Gesangspart des Titels, den ich so deuten möchte, dass hier der weltweite Wachstumswahnsinn angeprangert wird, zunächst durch Ironisierung.
"Earthly Dues" heißt das Break vor dem zweiten gesungenen Teil und soll wohl den Preis bezeichnen, der unserem Lebensstil geschuldet ist. Der Verlust von Werten und ganz nebenbei das Risiko, den Planeten und sich selbst zu vernichten.
Es sind nun die gesungenen Momente und die daraus eskalierende Gitarre, die mich an Shadowland erinnern. Dieser Teil mahnt uns zu Einkehr und vielleicht auch eine gewisse Art von Spiritualität, zum "Blessed Stream", wie es im dritten und zehnten Satz heißt – auf jeden Fall eine Warnung davor, in Konsum und Reichtum wahre Werte zu finden. "Amnis Flows Aeternum", in etwa 'die Flüsse fließen ewig'. Mit einem Zitat der einleitenden Sätze endet das Werk instrumental, aber weniger episch als das erste.

Wie bereits eingangs ausgeführt, kommt das Album mit einer Bonus-DVD, auf der drei verschiedene Soundmöglichkeiten wählbar sind. Zwei für den Surround-Sound und eine Stereo-Variante. Dazu eben noch die bereits zitierten Videos der vier Bonus-Tracks mit jeweils zwei Sätzen aus den beiden Hauptwerken.
Trotz der Tatsache, dass hier nur ein einziger Musiker agiert, bestimmte Sounds eben nur durch moderne Technik generiert werden, ergibt sich ein dennoch sehr organisches und homogenes Gesamtwerk, in dem das Gitarrenspiel von Ben Craven den Ton angibt. Der sinfonische und cineastische Touch in Verbindung mit den deutlichen und zahlreichen Wurzeln zu den Begründern dieser Art von Musik ergibt eine energetische Mischung ziemlich geiler progressiver Rockmusik. Bombast muss man mögen, dann wird man daran Gefallen finden.


Line-up Ben Craven:

Ben Craven (vocals, all instruments)

Tracklist "Monsters From The ID":

  1. Die Before You Wake
  2. AmnisFlows Aeternum
  3. Die Before You Wake (Single Edit – Bonus Track)
  4. Wicked delights (Single Edit – Bonus Track)
  5. Guiding Voice (Single Edit – Bonus Track)
  6. Amnis Flows Aeternum (Single Edit – Bonus Track)

Gesamtspieltzeit: 54:57, Erscheinungsjahr: 2022

Über den Autor

Paul Pasternak

Hauptgenres: Psychedelic Rock, Stoner Rock, Blues Rock, Jam Rock, Progressive Rock, Classic Rock, Fusion

Über mich

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