Stefan Grossman / Live At The BBC – 4CD-Box-Review

Die Karriere des im Jahr 1945 geborenen amerikanischen Gitarristen Stefan Grossman basierte nicht alleine auf seinen songorientierten Alben und Konzerten, denn der New Yorker machte sich auch durch seine Lehrbücher und -Videos über die mannigfaltigen Stile des Fingerpickings und der Bewältigung der Akustik-Gitarre einen Namen. Erste Gastauftritte auf Platten befreundeter Musiker hatte er bereits Mitte der sechziger Jahre. 1967 wollte er eigentlich nach Indien, blieb aber in London hängen, wohnte (eine Zeit lang) bei Eric Clapton und lernte die dortigen Szene-Größen wie unter anderem Bert Jansch, Ralph McTell oder John Renbourn kennen. Sein erstes eigenes Soloalbum ("Aunt Molly’s Murray Farm") erschien dann 1968, gefolgt von "The Gramercy Park Sheik" (1969). Erst 1987 zog es Grossman wieder in seine Heimat zurück, wo er zwar weiter arbeitete, jedoch deutlich weniger tourte und – außer den bereits angesprochenen Lehrbüchern und -videos auch nur noch sporadisch Alben veröffentlichte.

Das Label Repertoire Records hat nun noch einmal tief gegraben und eine 4-CD-Box mit Aufnahmen aus den Jahren 1968 bis 1987 auf den Markt gebracht, die der Gitarrist für den englischen Sender BBC eingespielt hatte. Was bei diesen hier enthaltenen sage und schreibe 96 Tracks (inklusive Song-Ansagen) immer wieder auffällt, ist die große Vielfalt des Protagonisten, die (hauptsächlich) Blues, aber auch sehr viel Folk, Singer/Songwriter und Roots präsentiert. Auf den ersten beiden Silberlingen befinden sich solo eingespielte Songs aus den Jahren 1968 bis 1974, die (speziell die älteren) in überraschend guter Qualität kommen. Worauf nach meiner Einleitung wahrscheinlich gar nicht mehr erst eingegangen werden muss, ist die nicht nur technisch, sondern auch vom Feeling her qualitativ sehr hoch gelegte Latte des Amerikaners, der diese beiden Komponenten scheinbar ganz locker aus dem Ärmel schüttelt und dazu auch noch ein guter Sänger ist.

Noch abwechslungsgreicher wird es ab der dritten CD, wo Grossman zu den jeweiligen Tracks variierende Gäste mit auf der Bühne hat. Alles klasse Material. Zu einem besonderen Höhepunkt kommt es dann auf dem vierten Rundling, auf dem zwei Konzerte aus den Jahren 1978 sowie 1987 vertreten sind, die Stefan Grossman mit John Renbourn spielte. Zwei gleichwertige Asse auf der selben Bühne, die sich auch noch ganz großartig ergänzen. Das versteht es sich fast schon von selbst, dass hier den Gitarren das Haupt-Augenmerk geschenkt wird und der Gesang eher ein Schattendasein führt, sprich kaum vorhanden ist. Andere neben John Renbourn (auf CD 3) vertretene Gastmusiker sind beispielsweise Happy Traum, Jo-Ann Kelly, Sam Mitchell und auch Duck Baker. Es gibt zwar so einige Song-Überschneidungen, was aber aufgrund der gebotenen Qualität nicht stört.

Selbtverständlich muss man lediglich mit Akustik-Gitarren gebrachte Songs mögen, um auch "Live At The BBC" von Stefan Grossman genießen zu können. Aber wenn dem so ist, dann bekommt man hier die absolute Vollbedienung und einen Streifzug durch die amerikanische Roots-Musik quer durch das zwanzigste Jahrhundert auf dem silbernen Tablett aufgetischt. Sehr auflockernd kommt auch immer die Tatsache, dass Grossman ganz locker und gut mit dem Publikum umgehen bzw. kommunizieren kann, was zwischendurch für den einen oder anderen Lacher sorgt. Wenn man dann noch addiert, dass sich der Experte Eroc um das Remastering des Sounds gekümmert hat und das ausführliche Booklet hinzu zieht, dann darf man zweifellos von einer weiteren hochwertigen Veröffentlichung des Labels Repertoire Records sprechen. Musik-Fans, bei denen es immer krachen, scheppern und rocken muss, sind hier natürlich und offensichtlich falsch. Allen anderen – speziell den Fans der Akustik-Gitarre und den weiter oben genannten Genres – kann diese Box nur wärmstens ans Herz gelegt werden.

Tracklist "Live At The BBC":