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Cheap Wine / Yell – CD-Review

Cheap Wine / Yell - CD-Review

Yell bedeutet Schrei! Ist das der Schrei nach Liebe?
Oder, passend zu dieser jetzigen ungewissen Zeit, der Schrei nach Frieden?
Ist es dieses Mal ein lauter Schrei?

"Yell" ist die mittlerweile 14. Albumveröffentlichung der Band. Wie ich bereits in meiner Rezension von November 2019 schrieb, verfolge ich deren Schaffen seit Spirits (2009) und somit auch die stilistischen Ausflüge von Rock, Blues Rock, Americana, Noir Rock bis hin zum Prog Rock.

Mit dem Einstieg des Keyboarders und Pianisten Alessio Raffaelli im Jahr 2012 wurde dessen Position mehr und mehr ausgebaut, so dass mir die Platten aus den Jahren 2015 (live) und 2017 stellenweise doch etwas zu keyboardlastig waren. Weniger ist eben manchmal mehr.
Dabei betone ich ausdrücklich, dass dies lediglich mein subjektives Empfinden war und deshalb in meinen Rezensionen auch nicht negativ angemerkt wurde.
Glücklicherweise (für mich) änderte sich das mit Erscheinen von "Faces", einer rockigen, aber sehr düsteren Scheibe.

Dennoch war ich sehr skeptisch, als mir "Yell" zur Rezension angeboten wurde, denn bekanntermaßen ist man bei Cheap Wine vor Überraschungen nie ganz sicher. Aber die Neugier überwog, zum Glück.
Überrascht war ich tatsächlich, als die Band mit "Greedy For Life" – einer fetten Rocknummer mit klasse Gitarrensolo-Einlagen – das Album schon mal amtlich eröffnete. Und ich hab 'Blut geleckt'!
Knackig geht es auch gleich weiter, denn "No Longer Slave" ist ebenfalls ein solider Rock-Song, bei dem man die Nackenmuskulatur ausgiebig beanspruchen kann, live sicherlich ein Knaller.

Das Titel-Stück nimmt sich einen Zacken zurück, wirkt eher unaufgeregt, groovt sich aber dennoch bestens in die Gehörgänge.
Was mich bis jetzt am meisten freut, ist die Tatsache, dass Alessio Raffaelli bei den Keyboard-Passagen sehr zurückhaltend agiert und die Stücke von seinem Spiel nicht völlig zugekleistert, sondern lediglich dezent untermalt werden. Sehr schön zu hören bei dem von mir favorisierten Ohrenschmeichler "Your Fool’s Gold". Passend dazu spielt Michele Diamantini noch ein hinreißendes Solo, das aber nichts mit selbstverliebter Frickelei zu tun hat, sondern songtauglich eingefügt wird.

Nach der knackigen Melodic Rock-Nummer "Sund Rays Like Magic" schiebt die Band gleich zwei weitere Balladen hinterher, nämlich "The Scent Of A Flower" und "Floting". Dennoch finden wir eine ausgefeilte Balance zwischen den langsameren und härteren Stücken auf der Platte. Cheap Wine befinden sich weder ausschließlich im Rock- noch Balladenmodus.
Auffallend ist ebenfalls, dass das Album nicht von dieser Düsternis beherrscht wird, wie das noch bei "Faces" der Fall war. Man hat eher das Gefühl, Licht am Ende des Tunnels zu sehen.

Sowohl das wuchtig nach vorn treibende "The Devils Is Me" als auch das Garage Rock-artige "Colors" erinnern mich stellenweise an die Alternative-Rocker Manic Street Preachers, wecken aber auch einige Assoziationen an die Sand Rubies. Beide Stücke grooven herrlich dahin und heben die Laune beträchtlich.

Hab ich eigentlich schon erwähnt, dass Marco Diamantini eine wunderschöne und sehr wandelbare Stimme mit hohem Wiedererkennungswert hat? Falls ja, man möge es mir verzeihen, aber hier wiederhole ich mich doch gern, denn ein Lob für einen Vocalisten mit solch facettenreichen Stimmbändern kann man nicht oft genug aussprechen. Die Palette reicht nicht nur von emotional bis wütend, er ist auch ein meisterhafter Geschichtenerzähler.

Abgerundet wird "Yell" mit dem sanft dahinplätschernden "The Last Man On The Planet", bei dem stellenweise auch leicht bluesige Anleihen raus zu hören sind. Gitarre und Bass blubbern ganz sachte vor sich hin, dezent getragen von sanften Drums und einem Keyboard, dass sich zum Abschluss endlich auch solistisch einbringen darf.

Was gibt es noch zu diesem Album zu sagen? Nun – eine Plattenfirma hat die Band nach all den Jahren immer noch nicht. Ich geh mal davon aus, dass das einen gewichtigen Grund hat.
Denn völlig unabhängig von irgendwelchen Vorgaben irgendwelcher Plattenbosse konnte Cheap Wine sich stilistisch nach Herzenslust ausprobieren und austoben.

Das Album wurde ganz offensichtlich per Crowdfunding finanziert, das belegt die lange Namensliste auf der letzten Seite des Booklets, in welchem im Übrigen auch die Song-Texte in Englisch und Italienisch enthalten sind.
Ach ja:  Es ist zwar noch kein ganz lauter Schrei, aber dennoch um einiges lauter, als von mir gedacht.


Line-up Cheap Wine:

Marco Diamantini (vocals)
Michele Diamantini (electric guitar, acoustic guitar)
Alan Giannini (drums, percussion)
Andrea Giaro (bass)
Alessio Raffaelli (keyboards)

With:
Alessandro Castriota (backing vocals)

Tracklist "Yell":

  1. Greedy For Life
  2. No Longer Slave
  3. Yell
  4. Your Fool’s Gold
  5. Sun Rays Like Magic
  6. The Scent Of A Flower
  7. Floating
  8. The Devil Is Me
  9. Colors
  10. The Last Man On The Planet

Gesamtspielzeit: 43:35, Erscheinungsjahr: 2022

Über den Autor

Ilka Heiser

Hauptgenres: Classic Rock, Blues Rock, Heavy Rock
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Mail: ilka(at)rocktimes.de

3 Kommentare

  1. Harald

    Eine Band die wir 2013 nach Franken gelockt haben und für zwei Konzerte genießen durften- Leider waren zum Konzert in Nürnberg nur etwa 15 Zuhörer .
    In der fränkischen Provinz in Obertrubach ca. 65 Besucher . Wir würden gerne im Jahr 2023 Cheap Wine wieder nach Deutschland holen .

    Live machen die Jungs noch mehr Spass und es müsste doch möglich sein ein Wochenende mit zwei Konzerten zu verwirklichen .

    Wer Interesse hat an einen Besuch der Band kann uns das gerne mitteilen .

    Rockige Grüße aus Franken

    Lissy und Harald .

    1. Manni

      Es ist unfassbar: Zu dieser musikalisch hochkarätigen Band kommen nicht mal 100 Besucher. Diese Musiker hätten ganz andere Zahlen verdient, für mich gehören deren Platten zu den wenigen Highlights der letzten Jahre, deutlich über der Massenware, die man mir so oft vorsetzt. Eine Band, die mit ihren bisherigen Platten meine 30/1 Regel der neueren Zeit bestätigt: Von 30 Platten ist eine wirklich hervorragend (eine vielleicht noch gut) und dann kommen die "unter ferner liefen".

      1. Ilka Heiser

        Für mich auch völlig unverständlich, dass diese Band nach all den Jahren konstanter Qualität leider immer noch ein Geheimtipp ist.

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