In der Skala meiner Lieblingsbands hat Monkey 3 einen Spitzenplatz eingenommen, seit ich zum ersten Mal ihren Song "Jack" gehört habe. Das muss etwa zu Beginn des Jahres 2010 gewesen sein. Es sollte lange dauern, bis ich meine Helden auf der Bühne erleben durfte, denn zu jener Zeit schien die Band so etwas wie eine Latenzphase zu durchlaufen. Matte, unser Freund von Sound Of Liberation ließ uns eine recht aktuelle Live-DVD der Band zukommen, die die Vorfreude auf den Dritten Affen noch einmal potenzierte. »Ich hab lange nichts mehr von den Jungs gehört«, erzählte er uns damals, »keine Ahnung, was die momentan tun oder ob sie überhaupt noch aktiv sind«. Schlechte Aussichten für neue Fans, wenn der Booker so etwas sagt.
Es galt der Blick zurück auf das, was greifbar war. Und es fand sich manch feine Rille. Vorausschicken möchte ich auch, dass sich der ungewöhnliche Name auf den berühmten Science Fiction Film "Planet der Affen" ableitet. Affe Nummer Drei in einer der ersten Einstellungen muss die Herren Boris, Walter, Picasso und dB nachhaltig beeindruckt und inspiriert haben. Mehr als diese Vornamen bzw. Künstlernamen sind übrigens öffentlich nicht herauszufinden, wenn man einmal davon absieht, dass dB gelegentlich auch unter seinem bürgerlichen Namen Guillaume firmiert.
Schon im Jahre des Herrn 2003 war das erste Album der vier Schweizer Herren aus Lausanne am beschaulichen Genfer See auf den Markt gelangt – zunächst in Eigenregie, dann im folgenden Jahr offiziell unter einem belgischen Label. Bereits drei Jahre zuvor hatte sich die Band gegründet und ab 2003 einen professionellen Weg eingeschlagen. Großartige Musik fand sich auf dem Album "Monkey 3", die jedoch zunächst einmal den ganz besonders eingeweihten Freunden guter psychedelischer Instrumentalmusik bewusst wurde. In der Basis spielen Monkey 3 einen sehr meditativen Stonerrock, der mit hypnotischen Arrangements aus spärlichen Keyboards und programmierten Klängen mit einer glasklaren, fantastischen Gitarre punktet, die in repetitiven Kreisen die eingeschlagenen Themen vorantreibt und mit der Power der rhythmusorientierten Kollegen ekstatisch intensiv kulminiert. Weniger vornehm gesagt: Die Jungs spielen Steigerungsläufe, die dich in den Wahnsinn treiben können. Sollte es unter uns einige Fans geben, die eine gewisse Verwandschaft von Boris' umtriebigen Soloaufwendungen zu dem Herrn Gilmour zu erkennen glauben, so werde ich mich sogleich mit ihnen solidarisieren. Ja, hier und da klingen die Höhepunkte der Songs wirklich ein bisschen wie Pink Floyd, während der Weg hin zu diesen Kulminationen scheinbar nicht ganz ohne Black Sabbath auskommt. Na, wenn das mal keine coole Kombi ist.
Viel später, in einem Interview an anderer Stelle konnte ich Boris, den Gitarrenmann und Kopf der Band befragen, ob es denn ein fixer Plan gewesen war, als Instrumentalband aufzuspielen: »Am Anfang hatten wir nicht unbedingt die Absicht, nur instrumentale Sachen zu spielen. Wir haben sogar nach einem passenden Sänger gesucht, aber einfach keinen gefunden. Also haben wir erst einmal all unsere Nummern instrumental eingespielt, und was soll ich sagen, das gefiel uns so gut, dass wir dabei geblieben sind«. Einer derjenigen, der damals vorsang, war übrigens kein geringerer als Diego Bizarro. Der gründete später seine eigene Band Ivy Garden Of The Desert, vielleicht auch demnächst noch ein Thema an dieser Stelle.
Sehr viel eher, nämlich 2007, veröffentlichte die Band ihr Meisterwerk "39 Laps", aus meiner Sicht eine der genialsten Scheiben in der gesamten europäischen Stonerszene überhaupt. "Jack" habe ich schon erwähnt, die Nummer ist sowohl als Studioaufnahme wie auch live eingespielt ein wirklicher Hammer. Und am Ende spielen sie das legendäre "Once Upon A Time In The West" aus Sergio Leones gleichnamigen Western. »In unserer Heimatstadt Lausanne gibt es jährlich ein Festival, an dem alle Bands der Stadt regelmäßig teilnehmen. Jede Band muss dabei ein Cover spielen zu einem vorgegebenen Thema. Irgendwann mal galt es, ein Stück von einem Künstler zu covern, der mit dem gleichen Buchstaben beginnt wie die eigene Band. Wir haben darüber nachgedacht, welches Instrumentalstück wohl cool zu spielen wäre und sind dann auf die Idee gekommen, Ennio Morricone zu covern, weil wir alle Sergio Leone Fans sind und Ennio nun mal seine Filme so genial untermalt hat. So kamen wir auf "Once upon A Time In The West". Wir hatten eine Menge Spaß dabei und haben uns daher später entschieden, den Song im Studio aufzunehmen und auf dem anstehenden Album "39 Laps" zu veröffentlichen«. So erzählte es uns Boris vor ein paar Jahren.
Scheinbar war der Spaß so groß, dass die Band zwei Jahre später eine komplette EP mit Coverversionen einspielte, sinnigerweise "Cover" betitelt. Hier hat mich immer die wunderbar adaptierte Version des Deep Purple-Klasssikers "Burn" fasziniert, eine Nummer, die sie jedoch live nie gespielt haben. Andere Songs hingegen gehörten zum Standardprogramm, und genau das wurde auf der DVD "Live At Aventicum" erstklassig zusammengefasst. Die Scheibe ist heute nur noch ziemlich schwierig zu erwerben, wohl dem, der rechtzeitig investiert hat.
Das bringt mich zurück in die Zeit, als ich mich nach mehr Musik von Monkey 3 verzehrte. Glücklicherweise erschien in diesen Tagen das neue Album "Beyond the Black Sky" als ein sehr willkommenes und überaus nachdrückliches Lebenszeichen. Von da an sollten europäische Clubs aller möglicher Länder nicht mehr sicher sein vor der Invasion der agilen Schweizer. Fortan sollten sich zahlreiche Gelegenheiten für Konsultationen ergeben. Sie touren übrigens bis in die heute Zeit sehr fleißig und erweitern Jahr für Jahr ihre Fanbasis.
Im April stand das erste Desertfest im Astra Kulturhaus nahe dem Berliner Ostbahnhof auf dem Programm, Monkey 3 gehörten am zweiten Tag zum Aufgebot. Es wurde eine stressige Angelegenheit für mich, ein solch ausgedehntes Festival ist für einen Rückenpatienten nicht ohne Reibungsverluste zu überstehen. Das, was mir meine Lieblingsschweizer vor den Latz knallten, war hingegen äußerst belebend. Wow, das knallt live ja fast noch mehr als auf den Platten, ging es mir hocherfreut durch den Kopf.
Der August brachte für den Nordwesten Europas eine unerträgliche Hitzewelle – und genau in dieser Zeit fand das Yellowstock-Festival im belgischen Geel in der Nähe von Antwerpen statt. Monkey 3 waren auch hier zu Gast, hatten sogar Zeit für ein noch längeres Set als in Berlin. Nachmittags bei 38 Grad Celsius nach Schatten ringend eine solch intensive und schweißtreibende Musik zu hören ist sicher ein Unterfangen mit Anspruch, mich haben sie trotzdem wieder weggerockt.
Infiziert mit dem Affen-Virus wollte ich noch mehr, und Matte machte es möglich. Sound Of Liberation gab recht bald bekannt, dass die vierte Auflage des European Roadfestival Up In Smoke mit den Bands Grandloom, Glowsun und Monkey 3 besetzt würde, eine feine Gelegenheit, wieder mal die südlichen Gefilde unsicher zu machen. Vor dem Rockhouse Salzburg traf ich Matte, der als Veranstalter mit auf die Tour gegangen war und Boris. Die entspannte Atmosphäre ließ eher an Teehaus denn an eine Rockveranstaltung denken. Später änderte sich das schlagartig, schon die beiden Bands zuvor heizten mächtig ein. Und dann sorgte eine kleine Katastrophe für einen kulturellen Höhepunkt. Ausgerechnet bei meinem Lieblingssong "Jack" versagte zwischenzeitlich an Picassos Bass die Elektrik. Um das Problem zu umschiffen improvisierte Boris kurzerhand ein dramatisches Solo, bei dem uns die Licks in die Höhen des nahen Untersbergs hinauf schossen. Es ist wohl die schönste verfügbare Version dieses geilen Songs, denn sie wurde bei Youtube für die Ewigkeit hinterlegt. Wer mag, kann ja mal googeln.
Am nächsten Abend im Münchener Feierwerk gab es annähernd das gleiche Programm. Ich hatte mich mit einem Kumpel verabredet, der ganz nebenbei meinem Dilemma mitfühlend entgegen stand, an diesem Abend mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr in meine Behausung nach Bad Reichenhall zurückkehren zu können. Eine Nacht in Rosenheim hat das überbrückt. Zur Feier des Tages spielten uns Monkey 3 an diesem Abend einen Rausschmeißer der ganz besonderen Art, nichts geringeres als "One Of These Days" von Pink Floyds legendärem Album "The Meddle". Mein Kumpel Stefan wollte es kaum glauben, was da abging.
Im Vorfeld der Veröffentlichung des Albums "The 5th Sun" erhielt ich eine Downloadversion zur Besprechung. Früh morgens, kurz nach sechs Uhr überquerte ich gerade den Duisburger Opernplatz auf dem Weg zur Arbeit, als ich wie vom Blitz gerührt eine Art Erleuchtung fand. Klingt doof, war aber wirklich so. Über meinen I-Pod zog ich mir gerade "Icarus" rein, das Hauptwerk der Platte. Die Intensität dieses großartigen progressiven Überfliegers und seine unglaublich positive und euphorisch stimmende Energie durchflutete mich bis in die Haarspitzen. Nach einer langen persönlichen Krisenphase wurde der Song für mich zu einer Hymne, einem Symbol für die Wendung zum Guten. Emotionaler habe ich Musik niemals empfunden und es laufen mir noch heute die Schauer den Rücken runter, wenn sie diesen Song live spielen. Musik von einem anderen Stern, der eine bessere Welt zu sein scheint.
Überhaupt stellt dieses erste bei Napalm produzierte Album wohl auch für die Band einen Wendepunkt in ihrer Geschichte dar. Die Fanbasis scheint seit diesen Tagen immer mehr zu wachsen und die öffentliche Aufmerksamkeit, auch was die Präsenz in der gedruckten Fachpresse angeht, war mit einem Schlag gegeben. Gerade "Icarus", das meisterhafte Werk, fand überall begeisterte Zuhörer. Bei Stoner Rock Austria, wo ich auch eine Weile geschrieben habe, wurde die Nummer zum besten Stoner-Song des Jahres gekürt.
Pünktlich vor dem Weihnachtsfest konnte ich den "Icarus" endlich live fliegen hören und sehen. In Weil der Stadt unweit von Stuttgart gab es ein schönes Weihnachtsspecial mit den alten Freunden von Space Debris und eben Monkey 3, Rockerherz, was willst Du mehr. Ganz nebenbei bemerkt waren die Jungs mal eben mit dem Motorrad von Lausanne in den Schwarzwald gedüst, angesichts der Jahreszeit nicht unbedingt ein vergnügliches Unterfangen. Später, beim gemeinsamen Kickern in der Location, schon weit nach Mitternacht, hab ich dann kein Bein auf die Erde bekommen. Kickern konnte ich noch nie.
In der jüngeren Vergangenheit hat Monkey 3 auf den Touren immer größere Kreise gezogen, besonders in Griechenland beispielsweise müssen eine Menge Fans beheimatet sein. Dort haben sie oft gespielt. Auch die Festival-Front haben sie inzwischen weitestgehend abgearbeitet, selbst beim großen Burg Herzberg Event haben unsere Schweizer ihre Visite gegeben. Das zu erleben blieb mir leider verwehrt. 2014 trafen wir uns noch einmal in Münster, diesmal gemeinsam mit Colour Haze, dann kehrte erst einmal eine Abstinenzphase ein, da ich inzwischen meine Konzertbesuche auch anderen Notwendigkeiten anpassen muss. Seit dem Beginn des Jahres gab es übrigens eine personelle Umbesetzung in der Band. Picasso, Gründungsmitglied und seit 2001 dabei, verließ Monkey 3 und wurde durch Kevin ersetzt, der mich in Münster wirklich faszinierte, weil er das Material der Jungs mit traumhafter Sicherheit und eben solcher harten Akzentuierung wie der seines Vorgängers zu spielen verstand.
Drei Jahre nach dem Flug des "Icarus" kreiselte Monkey 3 mit dem neuen Album "Astra Symmetry" endgültig in universelle Sphären ein. Noch variablere, manchmal fast ambiente Keyboard-Wolken führen darin Boris zu galaktischen Höhen großartiger Gitarrenventilationen und explosionsartig expandierender Licks. Ich hab’s mir in Stuttgart angehört und angeschaut – wow, ein krachender Ohrgasmus in psychedelisch schillernden Farben. Ein Stoff, aus dem meine Träume sind.
Ich bin mir nicht sicher, ob man Frequenzen und Freundes-Bekundungen im Bereich von Social Media unbedingt als Maßstab werten darf, aber wenn man die Zahl der Fatzenbuck-Freunde denn als Indikator für den Stellenwert einer Band heranziehen möchte, dann haben Monkey 3 inzwischen einen Status erreicht, den man nicht mehr zwingend nur im Underground einordnen muss. Zu gönnen ist es ihnen allemal. Boris und Co. haben in den vergangenen Jahren kontinuierlich auf ganz hohem Niveau immer weiter an ihren besten Eigenschaften gearbeitet. Und das ist nun einmal die musikalische Eskalation – von sanften Themen betörend mäandernd hin in exzessive Ausbrüche ekstatischer Rockmusik, die einen in höhere Bewusstseinssphären führen kann. Monkey 3 strukturieren ihre Songs stimmig durch bis an ein ultimatives Ende, sie schaffen Spannungsbögen und Kulminationen großer Schönheit. Möge ihrer Karriere gleiches widerfahren. Ich bin mir ziemlich sicher, der Dritte Affe wird uns noch ein ums andere mal mit faszinierenden Melodien und musikalischen Vulkanausbrüchen ereilen.
Es käme mir sehr gelegen.
Monkey 3 Line-up:
Boris (guitar, vocals)
Picasso (bass # 2004 – 2014)
Kevin (bass # 2014 ff)
Walter (drums)
dB(keyboards)
Discographie:
2004: Monkey 3
2007: 39 Laps
2009: Undercover
2009: Live At Aventicum (DVD)
2011: Beyond the Black Sky
2013: The 5th Sun
2016: Astra Symmetry
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