In der einschlägigen Presse benennt man sie seit einiger Zeit als einen Geheimfavoriten, einen spannenden Newcomer im Reich des energetischen progressiven Rock. Da ist ganz oft von Eckfeilern wie Pink Floyd und den Foo Fighters zu lesen. Nun, etwas schlaueres fällt mir dazu erst einmal auch nicht ein, auch wenn ich betonen möchte, dass diese beiden genannten Bands vielleicht so etwas wie die äußersten Balustraden unserer Elektrischen Träumer darstellen, keineswegs versuchen sie in irgend einer Weise, diese Herrschaften irgendwie nachzuäffen. Mit den Vergleichen ist das ja eh so eine Sache…
Mir ist die Band um Matt Page, Chris Tackett und Joey Waters vor ein paar Jahren und lange vor meiner Zeit als RockTimer bei Just For Kicks im Katalog aufgefallen, dort, wo sie offensichtlich hierzulande auch promotet werden. "Heretics", das zweite Album war mein erster Kontakt, und der hat gleich gesessen. Sehr schön, dass sie ausgerechnet den Titelsong dieses Albums an jenem Abend im Pitcher für uns als Opener bereithielten, so kam ich, vorübergehend körperlich beeinträchtigt und dadurch ungewöhnlich unterhopft, schon in den ersten Minuten voll auf meine Kosten. Die Nummer ging übrigens über in den zweiten Auftaktkracher des neuen Albums "Beneath The Dark Wide Sky" namens "Let The Light Flood In" mit sehr schönen Vocals, die mich ein wenig an eine ganz kurz auf dem Markt agierende kleine Supergroup namens Kino erinnert, ein Ex-Projekt des Arena-Gitarristen John Mitchell. Leidenschaftlich nehmen hier wie auf dem gesamten dritten Album immer mehr Postrock verwachsene Sounds die Überhand.
Die Interpretation progressiver Musik entpuppt sich bei DTES von den ersten Minuten an als hoch explosives Gemisch aus dem klassischen Powertrio. Krachende Riffs mit donnernden Rhythmen, die angesichts der enormen körperlichen Ausmaße von Drummer Joey beinahe beängstigende Arbeitsnachweise abliefern. Zeitweise fürchtet man, der Mann könne das Schlagwerk in Grund und Boden zerlegen. Doch aus powervollen Songstrukturen erwachsen immer wieder auch Matts gigantische und so melodische Gitarrenläufe, Hooks, die eigentlich längst einem breiteren Publikum zugänglich sein müssten und die den Vergleich mit Herrn Gilmour bei so vielen Schreibenden herausgekitzelt haben.
Matt Page ist dabei ein echter Rattenfänger. Über seine Musik, für die er in der Band hauptverantwortlich ist, gelingt es ihm immer wieder ökologische und gesellschaftliche Themen zu platzieren. Ein Anliegen, welches dem praktizierenden Dozent besonders nahe liegt, lehrt er doch über die Möglichkeiten von Musik und Kultur allgemein, auf das öffentliche leben und das Bewusstsein der Menschen Einfluss zu nehmen. Respekt, Mr. Page. Hier und heute Abend präsentiert sich die Band ausgesprochen liebenswert, offen und bescheiden, die euphorischen Emotionen der Fans im Pitcher nehmen sie fast mit freudigem Erstaunen auf. »Mensch, bei uns in den Staaten haben die Leute meist schon nach 40 Minuten genug, aber ihr wollt immer mehr?« Ein raunendes »Yes« aus dem Auditorium ist eine klare Ansage. So spielen sie uns einen schön gemischten Set mit Songs aller drei Alben und beschränken sich nicht auf das neue Material.
Am Ende offenbart sich Matt mit seinem persönlichen Lieblingssong und ich würde ihn gern all denen ans Herz legen, die eine fette doomige Sequenz zu schätzen wissen. "The Joneses" hält eine gehörige Portion davon bereit und streut düstere, aber fantastische Störfeuer unter die erfreuten Anhänger, bevor der Prog in ekstatisch jubelnden Gesängen und einer wahrhaft explodierenden Lead-Gitarre kulminiert. Alter Schwede, da wirst du ganz schön abgekocht.
Tja, im Neo-Prog widerfährt uns das nicht, man muss wissen, worauf man sich einlässt.
Knapp 90 Minuten haben uns Dream The Electric Sleep auf Trab gehalten, uns mitgerissen, beiseite genommen und eingegroovt. Mehr kann man wahrlich nicht verlangen. Man möge der Band endlich den Durchbruch wünschen, den ihre Musik eigentlich schon seit geraumer Zeit erahnen lässt, es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Next Destination Düsseldorf: Mitsubishi Electric Hall? Electric Sleep passt da ja schon vom Namen ganz gut dort hin.
Am späten Abend, kurz vor der Heimfahrt, hörte ich einen Fan draußen vor dem Pitcher zu Matt sagen: »Alter, Ihr habt mit jedem Song eine Geschichte erzählt, auch und gerade ohne Worte«. Touch down, der Mann hat es erkannt. Dream The Electric Sleep sind imstande, auch rein instrumental als kleines Powertrio in sich eigenständige, stimmige Stories wiederzugeben. Woran das liegt? Na, an der außergewöhnlichen Sprache von Matts Gitarre? Ich würde ein krasses Ausrufezeichen dahinter setzen!
Line-up Dream The Electric Sleep:
Matt Page (guitar, vocals)
Chris Tackett (bass)
Joey Waters (drums, vocals)
Setlist:
- Heretics
- Let The Light Flood In
- Hanging By Time
- Elizabeth
- Fist To Face
- We Who Blackout The Sun
- Utopic
- Headlights
- This Is This
- Black Wind
- Flight
- The Joneses
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