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The Twin Solution / Cocoon – CD-Review

The Twin Solution / Coccon

»Piano Rock« stand auf dem Zettel, den Kollege Christian 2009 an die Schubalde klebte, in der die CD The Curtain von Oliver Benz lag. Ich kenne dieses Album nicht, kann die Klassifizierung aber schon nachvollziehen, denn Oliver hat Klavier an der Jazzschule St. Gallen studiert. Damit ist der Fokus auf die Tasten nachvollziehbar.

Oliver beackerte aber nicht nur das Feld, das man nach einem Klavierstudium hauptsächlich erwarten würde. Klassik- und/oder Jazzausbildung sind handwerkliche Fähigkeiten, die mit anderen, härteren Genres spieltechnisch wohl keine Probleme haben dürften und so reicht die Bandbreite Olivers vom Singer/Songwriter bis hin zum Prog Metal.

Nach seinem damaligen Soloalbum ging es wieder ans Studieren: Schulmusik. Oliver wechselte danach seine berufliche Tätigkeit von Instrumental- zu Kantonsschullehrer. Dies und Familiennachwuchs schränkten die Zeit, musikalisch auf vielen Terrains zu agieren, ein und übrig blieb ein Hauptaugenmerk: Die Band The Twin Solution.

Im Review meines Kollegen stand damals etwas, das man heute, fast acht Jahre später, durchaus als erfüllten Wunsch sehen kann: » … hier schwirrt unheimlich viel Potenzial durch die Luft. Es wirkt wie ein Soloalbum eines Künstlers, der in einer genialen Band gewesen ist und jetzt, nach all den Jahren, seinen eigenen Weg finden möchte, ohne damit an die alten Erfolge anknüpfen zu können. Da wir wissen, dass Ersteres noch nicht wirklich passiert ist, empfehle ich, den ausgelassenen Schritt nachzuholen! Er bräuchte noch einen guten, etwas verrückten Partner, um alles ein wenig ungewöhnlicher zu machen, und – schwupps – hätten wir eine Band von erhabener Qualität.«.

Der Partner ist mit Michael Frei gefunden. Michael war Fronter der Züricher Rockband redcharly und steht momentan neben Twin Solution auch bei Tiger Cartel am Mikro. Und die beiden Protagonisten sind ebenbürtige Musiker. So souverän wie der eine die Tasten beherrscht, weiß der andere seine Stimme einzusetzen. Besonders schön zu hören, wenn ein Stück von ruhigerer Natur ist, wie stellvertretend das wunderbare "Causeway". Stimme und Piano interagieren perfekt und produzieren eine wohltuende Tiefe, die den Lyrics mehr als gerecht wird.

Aber das ist nur die halbe Miete, denn "Cocoon" ist ein Konzeptalbum, welches sich »Liebe, Verlust,  aber auch Überwindung und Wiedergutmachung widmet«. Themen von gewaltiger Brisanz, die natürlich auch musikalisch einiges erfordern. Und um das umzusetzen, bedarf es weiterer Musiker, die mit Tim Lorenz an den Drums und Markus Runzheimer am Tieftöner (beide u. a. Cub der toten Dichter) sowie Jean-Pierre Von Dach (Gigi Moto) am Sechssaiter auch gefunden wurden.

Man darf "Coccon" durchaus eine epische Tiefe sowie progressiven Charakter zusprechen. Das wird bereits im Opener "Ghost" deutlich, einem Stück, dass die Breite der Komposition auch mit einer herrlichen Melodie gleich zu Beginn aufzeigt. Im weiteren Verlauf ist die Spannung positiv zu erwähnen, die sich gekonnt aufbaut, wenn nach Pianointro, Gesang, Schlagzeug und Saitenpower einsteigen Breaks, Bridges und Tempospiel bis zum Fast-Stillstand herunterfahren – diese Stilmittel werden anstandslos beherrscht und gnadenlos eingesetzt. Durchaus auch mal eine Spur härter, wie im gewaltigen "Minotaur".

All das findet seinen Höhepunkt für mich in "The Fountain" und dem genialen "Sirens", einem Progstück, wie aus dem Lehrbuch. "Sirens" klingt, wie der Hoch-Zeit der Siebziger entnommen. Traumhafte Sequenzen – vokal als auch instrumental – sowie stilistisch äußerst umspannend. Als ob das noch nicht genug wäre, steuert Jean-Pierre überirdische Soli bei. So muss das sein!

"Coccon" will am Stück goutiert werden und man darf gespannt sein, was Twin Solution diesem gelungen Debüt folgen lässt. Die Schweizer wissen halt, wie es geht. Nein, erfunden haben sie es nicht, aber sie haben die Rezepturen studiert und mit "Coccon" ein hochwertiges Gericht kreiert.


Line-up The Twin Solution:

Michael Frei (lead vocals, backing vocals)
Oliver Benz (grand piano, backing vocals)

und:
Tim Lorenz (drums and percussion)
Markus Runzheimer (bass)
Jean-Pierre Von Dach (guitars)

Tracklist "Cocoon":

  1. Ghost (4:02)
  2. Falling Skies (3:56)
  3. Soulstrip (3:11)
  4. The Fountain (5:02)
  5. Sirens (7:22)
  6. Cocoon (3:47)
  7. Minotaur (5:13)
  8. Rewind (3:50)
  9. I Don’t Mind (6:41)
  10. Causeway (5:44)
  11. Highest Wave (3:05)

Gesamtspielzeit: 51:55, Erscheinungsjahr: 2016

 

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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