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Domadora / The Violent Mystical Sukuma – CD-Review

Alter Vater, was ist denn das? Ein Crescendo psychedelisch aufbrausender Sounds mit schepperndem Blech-Krawall und einer wirklich monstermäßigen Gitarre baut sich zu einem brachialen Rhythmus auf und ich springe völlig elektrifiziert von meiner Couch. Was zum Kuckuck ist das für ein geiler Sound?
Ich dachte eigentlich, dass ich recht viele gute Bands kenne, wenn es um heftige psychedelische Gitarrenschlachten geht, doch von Domadora hatte ich noch nie gehört. Bis jetzt.

Als ich ihre CD "The Violent Mystical Sukuma" in den Player schob, hatte ich also überhaupt keine Ahnung, was auf mich zukommen würde. Doch schon dieses irre Auftaktwerk namens "Hypnosis" beschert der Band einen neuen, tief beeindruckten Fan. Man fühlt sich glückselig zurückversetzt in die Zeiten, als Jimi Hendrix die Welt mit seinem Gitarrenspiel aufmischte, das ganze Album wirkt wie eine gewaltige Session, eine riesige Jam, die sich den Luxus allzu strukturierter Songs nicht geben muss. Genau das war und ist die Philosophie von etwa Earthless oder Tia Carrera, deren Platten mich schon so oft in höhere Bewusstseinsstufen befördert haben.
Immerhin unterteilt sich das Album in sechs einzelne Nummern, die zumindest bei "Rocking Crash Hero" und "Indian Depression" den formalen Charakteren songtypischer Strukturen entsprechen. Letzterer wirkt auf mich ein wenig wie aus einer Traumreise des jungen Jimi entnommen. Ja, der Geist des Jimi Hendrix ist gegenwärtig in dieser Musik. Gesang hingegen gibt es nur vereinzelt, teilweise mehr als Geräuschecollage, die meiste Zeit wird gejammt bis der Arzt kommt. Das muss man mögen, mich macht es völlig verrückt.

Heavy Psych Rock mit einer entfesselten Gitarre, die zwischendrin in "Hypnosis" mit Riffs der Marke Dave Brock ein bisschen Hawkwind und "Brainstorm" wach werden lassen, dann aber in einem psychedelischen Amoklauf meine tiefsten und liebsten Erinnerungen an die bereits genannten Vertreter dieser Zunft erweckt, ein Flashback an gute, noch gar nicht so alte Zeiten. Das jagt und fließt und lässt irdisches Bewusstsein Stück für Stück davon fließen – ein Sinnbild, das übrigens trefflich auf dem Cover genau diesem Gedanken folgt. Ein menschliches Gesicht, das sich ganz langsam von den äußeren Konturen aufzulösen beginnt. Ganz nebenbei bemerkt liefert der Mann am Schlag während der knapp zwölf Minuten absolute Schwerstarbeit, so als wolle er die Licks der Gitarre mit aller Macht in die Sphären hinaus trommeln, geradezu gespenstisch gut.

Völlig losgelöst und begeistert suche ich Informationen auf der Cover-Rückseite, die nebenbei bemerkt das genaue Gegenstück des Bildes auf der Vorderseite darstellt, und lese dort, dass die Aufnahmen zum Teil im Auditorium Du Louvre in Paris eingespielt wurden. Louvre? Der Platz schlechthin für die französische Hochkultur? Dieser faszinierend inspirierende Platz, selbst für einen Nicht-Künstler wie mich, der mich mit seinen Pyramiden aus Glas und seiner fantastischen Architektur jedes Mal so sehr in den Bann zieht. Nun, wenn man dort Rockmusiker willkommen heißt, dürfte das eine gewisse Respektsbekundung nicht verleugnen können, sonst gibt es dort eigentlich nur Klassik.

Besonders variabel agiert die Band dann in "Solarium", wo nach dem auch hier wieder heftigen psychedelischen Gewitter in einen sehr viel ruhigeren, spacigen Orbit eingebogen wird. Hier entstehen Klangbilder, wie sie ein Dave Schmidt mit seinem elektrischen Mond gut zu Gesicht stehen würden, ein feiner Beweis dafür, dass sich Domadora keineswegs nur auf martialisches drauf-los-dreschen versteht. Aber wenn die Band dann wieder Fahrt aufnimmt, dann steht der Reise in die Sterne nichts mehr im Wege, die erweiterte Auflösung bewusster Denk- und Bewusstseinstrukturen geht in die nächste Runde. Wie muss das erst live abgehen? Meine nächste Parisreise werde ich ganz bestimmt mal mit den Tourenplänen der Jungs abgleichen.

Einzig die Begrifflichkeiten bleiben ein wenig im Dunkeln. Gut, der Bandname scheint dem spanischen Wort für Dompteur entnommen zu sein, eine Metapher, die ich bei der aggressiven Ausrichtung der Musik ganz gut nachvollziehen kann. Wer sich aber nun hinter "The Violent Mystical Sukuma" verbirgt, kann ich leider nicht auflösen. Im Netz fand ich einen Volksstamm aus Tansania, der den Namen Sukuma trägt. Zufall oder Intention, ich weiß es leider nicht.

Aber egal, wer Earthless und die abgefahrenen Monster-Jams von The Machine oder auch Seven That Spells liebt, der wird sich vermutlich gerne auf Domadora stürzen, hier findet man psychedelische Ausritte aller erster Klasse. Belwils Gitarre ist eine Statement des französischen Undergrounds, wie ich es lange nicht mehr gehört habe.


Line-up Domadora:

Karim Bouazza (drums # 2, 6)
Alexis Assaleix (drums # 1, 3-5)
Gui Omm (bass)
Belwil (guitar, vocals)

Tracklist "The Violent Mystical Sukuma"

  1. Hypnosis
  2. Indian Depression
  3. Booking Crash Hero
  4. Solarium
  5. Girl With A pearl Earring
  6. Jack Tripping

Gesamtspielzeit: 55:41, Erscheinungsjahr: 2016

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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