Heute Abend steht mit Miller Anderson ein Urgestein des Rock & Blues auf der Bühne der Kniestedter Kirche. Wenn man die ganzen Stationen seiner Musikerkarriere auflisten wollte, würde das hier den Rahmen sprengen und man könnte sich wahrscheinlich noch nicht einmal für die Vollständigkeit verbürgen. Nur soviel soll gesagt sein, um den Blick für die Dimension seines Schaffens zu begreifen: Schon 1969 stand er mit der Keef Hartley Band, die damit ihren internationalen Ruf festigte, auf der Bühne beim legendären Woodstock-Festival, leider durften damals keine Ton- und Filmaufnahmen produziert werden. Sehr schade!
Aber nun zur Gegenwart. 2016 spielte der sympathische Schotte hier schon ein Konzert, das dermaßen gut ankam, dass ihn Antje Fischer wieder einlud. Danke Antje!! Seine Band besteht aus den langjährigen Musikern Frank Tischer, der für die Tasten zuständig ist und Tommy Fischer ist der Taktgeber am Schlagzeug.
Yanni Schmidt, der den Viersaiter bediente, ist wegen anderer Projekte ausgestiegen. Die vakante Stelle wird nun von Willy Wagner eingenommen, der
für die kurze Zeit – er ist erst seit Juli 2023 dabei – eine hervorragende Arbeit an der Bassgitarre leistet.
Der Startschuss fiel wie immer um 20:00 Uhr durch Antje Fischer von der Stadt Salzgitter. Das Konzert wurde von Sound On Purpose, einem Bandprojekt von Tischer und Fischer eröffnet, sie hatten mit vier Titeln eine 30-minütige Gelegenheit, ihre Musik vorzustellen. Vom Stil her driftete es in den Krautrockbereich der 70er. Parallelen zu Eloy, Embryo, Klaus Schulze u.a. waren nicht zu überhören. Man fühlte sich in die Vergangenheit versetzt und das sollte auch so bleiben.
Nachdem Anderson und Wagner die Band komplettiert hatten, wurde zum Auftakt "Sinnin For You", ein Titel aus Keef Hartley-Tagen kredenzt. Auch ganz witzig: Miller spielte viele Songs auf einer Strat, die ihm ein Zuhörer vorher zum Signieren überlassen hatte. Das Programm bestand u.a. aus alten Bluesnummern, wie "Sweet Home Chicago", "Hootchie Cootchie Man", "Every I Have The Blues" und "Rock Me Baby" (hier bewies Frank, dass er den Blues singen kann) sowie Keef Hartley-Titeln wie "Fog On The Highway" (ein feiner Slow Blues), "Just To Cry", "Overdog" und einer meiner Favoriten, "Leavin´Trunk", geschrieben von Sleepy John Estes.
Anderson und Tischer sind ein hervorragend eingespieltes Team, das sich gekonnt in ihren Soloeskapaden abwechselte. Außerdem gab es jede Menge Freiraum für Tischers erstklassig gespielte Orgel- und Piano-Einlagen. In einigen Songs stülpte sich Miller das Röhrchen zum Slidespielen über den Finger und auch die Bluesharp kam öfter zum Einsatz.
Allerdings fordert auch das Alter bei Miller seinen Tribut, der 78-jährige spielte das komplette Konzert im Sitzen und die Stimme ist auch nicht mehr so vollumfänglich, bei seiner Gitarrenarbeit gab es jedoch nichts zu meckern.
Bassist Willy Wagner wechselt auch mal vom Vier- zum Fünfsaiter und spielte souverän seine zwei Soli, Drummer Tommy Fischer überzeugte ebenfalls mit seinem powervollem Schlagzeugsolo.
Den Abschluss bildete die wunderschöne Ballade "Wild Moutain Thyme", vorgetragen von Miller und Frank, mit zweistimmigem Gesang und Tastenuntermalung. Gänsehaut pur!
Es war wieder einmal ein feines Konzert, das die ca. 120 Zuhörer mit viel Applaus bedachten.
Ich möchte noch auf die Live-Doppel-CD "From Lizard Rock" hinweisen, die einen sehr guten Querschnitt über Millers musikalisches Schaffen bietet. Bitte mal reinhören!!!
Ich bedanke mich bei Antje Fischer für den Platz auf der Gästeliste.
©Fotos: Rolf Großjohann
Line-up Miller Anderson Band:
Miller Anderson (vocals, guitar, harp)
Willy Wagner (bass)
Tommy Fischer (drum)
Frank Tischer (keyboards, vocals)
2 Kommentare
Alex
12. November 2023 um 13:18 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Danke für den schönen Bericht. Ich war einen Tag später bei Miller Anderson in der Harmonie in Bonn und kann das Positive, das hier geschrieben wurde, nur bestätigen; Miller Anderson war in top Form und auch stimmlich wunderbar! Von Alter war hier nichts zu merken. Sehr positiv ist auch anzumerken, dass die Set List nicht die gleiche war. So spielte er in Bonn "Across the Border Line". Für mich ist ein Konzert immer dann rund, wenn man weinen ("Just to Cry") und lachen kann wie bei den vielen humorvollen Einlagen und Ansagen.
Ich kann nur jedem empfehlen, eines der Konzerte zu besuchen!
Miller Anderson wird im nächsten Jahr wiederkommen, wie man auf
https://frank-tischer.de/termine/
bereits lesen kann.
Kauft alle seine Alben!
Als Einstieg schließe ich mich der Empfehlung "Lizard Rock" zu kaufen an. Das war auch mein erstes Album.
Niko Wohltmann
4. November 2023 um 13:48 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Vom Woodstock Festival gibt es alle Konzerte auf CD’s in hervorragender Qualität. Allerdings hat Rhino die nur auf der 50th anniversary in einer Holzkiste veröffentlicht. sie war so limitiert, dass sie bei pre order schon ausverkauft war. Ich konnte sie gerade noch für einen erschwinglichen Preis in mint erwerben. Heute kostet sie mit allen zusätzlichen Versandkosten, Zoll u. EuSt. aus den USA gebraucht über € 10.000.