Liveware sind eine sechsköpfige Band aus Recklinghausen. Sie formierten sich aus den Überbleibseln einer Schülerband, komplettiert durch die beiden Brüder des Drummers Matthias Martinetz, nämlich Lukas am Keyboard und Christopher an der Gitarre. Das war im Jahr 2009.
Leider klappte es mit den Sängern nicht so richtig, dennoch wurde 2012 ein Album (A Look Inside The Mirror) sowie 2015 eine EP (Unity) veröffentlicht. Dann endlich 2020 hatte man in Thomas Droberg den passenden Mann für das Mikrofon gefunden und die Band konnte durchstarten – bis…
…der Lockdown kam. Aber der Freude am gemeinsamen Schaffen tat dies offensichtlich keinen Abbruch, denn die Jungs hatten genug Song-Ideen für ein neues Album. Somit nutzte man diese Phase ausgiebig. Auch einen Album-Titel hatten sie sehr schnell gefunden – "Golden Sky". Die Band begründet diesen so: »Er steht bildhaft für ein Gefühl der Glückseligkeit und Geborgenheit, das uns umgibt.«
Glücklich scheinen Liveware mit dem Silberling auf jeden Fall zu sein, denn sie teilten uns mit, dass dieser ihnen eine »absolute Herzensangelegenheit« ist. Immerhin haben sie zweieinhalb Jahre lang jede freie Minute in dessen Entstehung investiert. Veröffentlicht wurde die Platte übrigens auf ihrem eigenen Label.
Nun, nach dem ersten Hördurchlauf stand auch gleich mein erstes Fazit fest: Hier wird uns eine Symbiose aus feinstem AOR, Melodic- und Classic Rock mit immer wieder durchschimmernden progressiven Anleihen präsentiert. Sie haben also den progressiven Pfad der Vorgänger-Scheiben nicht ganz verlassen, der stilistische Einschlag insgesamt tendiert aber mehr Richtung Rock, statt Metal. Dieser Schritt zeichnete sich mit der Veröffentlichung von "Uniti" bereits ab.
Die Songs sind bis ins letzte Detail auskomponiert. Dazu spielt die Band technisch auf sehr hohem Niveau. Ihre Spielfreude spürt man fast körperlich.
Melodic Rock der 80er wird uns erst einmal mit dem Opener geboten, aber 'entstaubt' wurde nicht mit dem Staubwedel, sondern mit dem Drahtbesen. Der Track ist im Midtempo gehalten, hat für mich aber nicht unbedingt das Potential eines Ohrwurms. Das soll mitnichten heißen, dass er schlecht ist!
"Liar" und "You & I" kommt dagegen wesentlich rockiger aus den Puschen. Ja, "Liar" klingt fast schon wütend, aber dazu empfehle ich, auf den sehr aussagekräftigen Text zu achten.
Bei "You & I" neigt man sofort dazu, ordentlich mitzuwippen. Es bietet sich kaum eine Möglich, hier noch die Füße still zu halten, auch wenn es hin und wieder Tempowechsel gibt und die rockende Euphorie damit schon mal ausgebremst wird. Ausgeschmückt wird das Stück mit coolen Gitarrensoli. Momentan mein Favorit.
Bei "Grazy World" muss ich unweigerlich an selige 'Bon Jovi-Tage' denken, als diese Band, damals noch mit Richie Sambora an der Gitarre, solche Ohrenschmeichler wie "Always" oder "Bad Of Roses" spielte und Sambora feinste Gitarrensoli in die Songs einfügte. "Grazy World" steht dem in nichts nach.
Was ist das denn? "Press Pause" fällt irgendwie völlig aus dem Rahmen. Ich vernehme Blues Rock-Klänge, Klasse! Thomas Droberg macht hier eine hervorragende Figur am Mikro. Ja auch das können Liveware – bitte beim nächsten Mal mehr davon! Alle Daumen nach oben!
"Your Time Will Come" ist wieder so ein energiegeladenes Stück, dass durch den einen oder anderen Rhythmuswechsel unterbrochen wird und somit zwischen Rauheit und ruhigeren Elementen pendelt. Das folgende "Your Voice" schlägt in die gleiche Kerbe. Da lugen die in den 80ern noch richtig rockenden Gotthard ganz verschmitzt um die Ecke.
Und nun zum Titeltrack, "Golden Sky". Wow, was für ein Wahnsinns-Intro, gezaubert von Lukas Martinetz am Keyboard, dann übernimmt die Gitarrenfraktion und so nach und nach reihen sich auch die anderen Bandkollegen ein. Ganze acht Minuten Zeit hat sich die Band gegönnt, um sich nach allen Regeln der progressiven Musik-Kunst austoben zu können. Der Song, zwar überwiegend im Down-Tempo angesiedelt, bricht stellenweise dennoch mal aus wie ein kleiner Vulkan, aber das Szenario dauert nicht all zu lange, bis man wieder in ruhigere Gefilde driftet und die Hörer zum 'goldenen Himmel der Glückseligkeit' entführt.
Zum Abschluss gibt es mit "Bond Of Amity" ein weiteres musikalisches Schmankerl. Der Song beginnt mit glockenähnlichen Klängen und wird in dessen Verlauf zunehmend vom Keyboard dominiert. Darin eingebettet ist Thomas Drobergs Stimme, die von der Bassdrum nachdrücklich unterstützt wird. Das klingt alles dennoch sehr zart und filigran bis ab Minute 3:17 die Gitarre brachial diese friedliche Stimmung zerfetzt und die Führung übernimmt. Immer nachdrücklicher singt Droberg diese Zeilen: »When you feel all alone and there’s no place like home. I’m near. When you think that your’e lost and there’s no one to trust. I’m here.«
Man möge es ihm doch endlich glauben!
Mit perlenden Tastentönen verabschiedet sich die Band aus dem Song und von einer völlig verzauberten Zuhörerin. "Bond Of Amity" hat nur einen winzigen Makel: Es ist mit 5:03 Minuten leider viel zu kurz geraten.
Was soll ich sagen: Ein rundum gelungenes, sehr facettenreiches Album, das durch die Vielschichtigkeit der Kompositionen richtig Spaß beim Anhören macht. Ich hoffe, dass die Band mit diesem Silberling die Beachtung bekommt, die ihr verdientermaßen zusteht.
Line-up Liveware:
Thomas Droberg (Gesang)
Andy Kohaupt (Gitarre)
Christopher Martinetz (Gitarre und Backgroundgesang)
Max Kettler (Bassgitarre)
Lukas Martinetz (Keyboard und Backgroundgesang)
Matthias Martinetz (Schlagzeug)
Tracklist "Golden Sky":
- Too Young To Die
- Liar
- You & I
- Glorious Days
- Crazy World
- Press Pause
- Your Time Will Come
- Your Voice
- Golden Sky
- Bond Of Amity
Gesamtspielzeit: 55:02, Erscheinungsjahr: 2023
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