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Eloy / Ra – CD-Review

Eloy - "Ra" - CD-Review

Eigentlich waren Eloy bereits Geschichte, nachdem sich die Band Mitte der achtziger Jahre und dem Album "Metromania" (1984) sowie einem Soundtrack getrennt hatte. Was aber nicht bedeutete, dass Band-Chef Frank Bornemann auch nur im Entferntesten daran dachte, die Musik an den Nagel zu hängen. Ideen hatte er nach eigenem Bekunden nach wie vor massenhaft und war auf der Suche nach den richtigen Mitmusikern. Mitte jenen Jahrzehnts lernte er dann den Keyboarder Michael Gerlach kennen, die beiden fanden sich zu einer Session zusammen und verstanden sich offensichtlich prächtig. Nach mehreren weiteren Jams und kurz vor den Aufnahmen zu einem gemeinsamen Album stellten sie dann fest, dass sich das erarbeitete Songmaterial mehr nach Eloy, als nach allem anderen anhörte. Logische Konsequenz (und vielleicht auch nicht vollkommen frei von kommerziellen Hintergedanken): die Scheibe wurde schließlich im März 1988 unter dem Banner Eloy veröffentlicht.

Eingespielt als Duo und soundmäßig dem Fluch der damaligen Zeit unterworfen, klingt "Ra" anders als alles, was die Band davor auf die Fans losgelassen hatte. Klar ist, dass hier ein Neuanfang gestartet werden sollte, der anders klingen, aber die Wurzeln der Band nicht verleugnen sollte. Das Ergebnis ist allerdings, soviel darf ich an dieser Stelle schon mal verraten, sehr bescheiden ausgefallen. Dass die Scheibe im Prinzip auf Computern entstand muss man ja schon mal nicht mögen, am meisten lässt die Platte den Fan jedoch aufgrund des gar fürchterlichen Drum-Computers im Regen stehen. Bei dem Song "Invasion Of A Megaforce" ist als Tropfen auf den heißen Stein zwar Udo Dahmen als Gast-Schlagzeuger dabei, der bezüglich des Gesamtbildes jedoch auch nichts mehr retten kann. Immer wieder mal wandern die Gedanken des Rezensenten beim Anhören der Scheibe in Richtung Yes ab und im schlimmsten Fall, wie bei "Hero", hört sich die Combo wie eine drittklassige Pink Floyd-Kopie aus der Zeit um The Wall an. Ein weiteres 'Stell-dich-ein' geben der Gitarrist Tommy Newton ("Sensations"), ein paar Gast-Bassisten (auf drei der sechs Tracks) sowie drei Background-Sängerinnen. Die agieren zwar nie gleichzeitig auf demselben Song, verleihen den jeweiligen Stücken mit ihren Beiträgen jedoch eine gewisse 'Wärme' in einem ansonsten doch eher trüb-kalten Klangbild.

Vielleicht und möglicherweise sogar wahrscheinlich war diese Atmosphäre auch genauso gewollt, denn die brisante Thematik der Scheibe beschäftigt sich mit der Gen-Technologie, Bindungs-Verlusten und der allgemeinen Abwendung vom sozialen Leben. Hier und da knallen die Gitarren mal ganz nett oder kommen gute Gesangsmelodien zum Tragen, aber um es mal ganz drastisch auszudrücken: Insgesamt gesehen war "Ra" von Band-Meilensteinen wie Dawn (1976), Ocean (1977) oder Silent Cries And Mighty Echoes (1979) so weit entfernt, wie die Erfolgsaussichten eines Schneemanns, der sich auf den Weg zur Sonne macht, um dort die Herrschaft zu übernehmen. Sicherlich hat es auch mit persönlichem Gusto zu tun – und da hat ja jeder sein eigenes -, aber im Ranking des Rezensenten stehen nicht nur alle vorherigen, sondern auch alle danach kommenden Scheiben der Band vor "Ra".

Die Gründe dafür sind, dass sich die Platte nach einem totalen Kopf-, statt einem Bauchalbum anhört, die Drum-Computer-Sounds furchtbar und die Keyboard-Klänge nicht viel besser sind. Dass Bornemann und Gerlach diese Tracks vor einem Computer entworfen haben ist nicht nur bekannt, sondern auch deutlich hörbar. Die Songs klingen kalt, haben keinen 'Bauch', kaum Feeling und klingen irgendwie, wie nach Song-Baustein-Formeln zusammengesetzt. Oder wie ein Auftrags-Job, der ohne persönliches Interesse erledigt wurde, nur damit er erledigt ist. Und – ohne dies despektierlich zu meinen – Frank Bornemanns Stimme musste man sowieso immer schon mögen. Eine große und wichtige deutsche Band, die hier zwar ein textlich interessantes, musikalisch jedoch klar unterdurchschnittliches Album abgeliefert hatte. Zumindest im Vergleich zu den sich selbst in den Vorjahren gesetzten Messlatten.


Line-up Eloy:

Frank Bornemann (guitars, lead vocals)
Michael Gerlach (keyboards, synthesizer)

Mit:
Achim Gieseler (keybards – #4,5)
Stefan Höls (bass – #4, background vocals – #3,5)
Darryl van Raalte (fretless electric bass – #3)
Paul Harriman (bass – #2)
Tommy Newton (electric guitar – #2)
Udo Dahmen (drums – #4)
Sue Wist (background vocals – #1)
Diana Baden (whispering voice – #3)
Anette Stangenberg (background vocals – #3-5)

Tracklist "Ra":

  1. Voyager Of The Future Race (9:05)
  2. Sensations (5:16)
  3. Dreams (8:11)
  4. Invasion Of A Megaforce (7:47)
  5. Rainbow (5:25)
  6. Hero (6:57)

Gesamtspielzeit: 42:41, Erscheinungsjahr: 2023 (1988)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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