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David Bowie / "Bowie Odyssee ’70" von Simon Goddard – Buch-Review

David Bowie - "Bowie Odyssee '70" von Simon Goddard - Buch-Review

Der aus dem walisischen Cardiff stammende Autor Simon Goddard hat mit "Bowie Odyssee ’70" vor ein paar Jahren eine Serie gestartet, die er für die kompletten Siebziger mit einem weiteren Buch über das Leben David Bowies in jenem Jahr fortsetzen möchte. Mit Bowie Odyssee ’72 konnten wir euch bereits einen ersten Eindruck über den Stil und das Vorgehen Goddards verleihen. Nun haben unsere Redaktion auch die beiden ersten Teile über 1970 sowie 1971 erreicht, die wir natürlich ebenfalls unter die Lupe genommen haben. Beleuchtet wird auch hier nicht nur die persönliche Situation Bowies, sondern unter anderem der damalige Zeitgeist, Parallel-Universen wie Marc Bolan sowie weitere gerade angesagte Acts und deutlich wird auch, dass bereits damals weder Plattenfirmen, noch irgendwelche Manager aus Liebe zur Musik unterwegs waren, sondern dass lediglich der schnöde Mammon die Antriebsfeder hinter den Kulissen, bei den Strippenziehern, waren. Was aber auch die hochinteressante Herangehensweise vermittelt, wie damals Stars gemacht oder den 'Anzügen' überdrüssig gewordene Musiker einfach abgesägt wurden. Ein kleiner, tieferer Einblick:

Der Jahreswechsel von 1969 zu 1970 und auch die ersten Monate des neuen Jahrzehnts vergehen eher trübe. David Bowie ist etwas konsterniert … nachdem er vor einem guten halben Jahr mit der Nummer "Space Oddity" einen ersten echten Hit vorweisen konnte, ist – in einer Zeit, wo man alle drei Monate stark nachlegen musste, um im Geschäft zu bleiben – seither so gut wie nichts mehr passiert. Zurück im Studio spielt er seine nächste Single "The Prettiest Star" ein, unterstützt von dem bisher lediglich in alternativen Underground-Kreisen für seine verschwurbelten Platten (mit entrückten Titeln wie unter anderem "My People Were Fair And Had Sky In Their Hair…But Now They’re Content To Wear Stars On Their Brows") unter dem Bandnamen Tyrannosaurus Rex bekannten Marc Bolan an der Gitarre ein, für die sich jedoch niemand interessiert. Bowie will eine Band und diesbezüglich schlägt ihm sein Drummer John Cambridge dessen alten Kumpel Mick Ronson aus alten Tagen im nordenglischen Hull vor. Dieser muss – nach einem ersten missglückten Karriere-Versuch in London – allerdings erstmal von Cambridge mit viel Überzeugungs-Arbeit überredet werden, bevor er sich in Bewegung setzt.

Nach ein paar Radio-Sessions steht die nächste Single an und Cambridge bekommt im Studio einfach nicht den richtigen Groove hin, woraufhin Ronson – dessen überragendes Talent der gute David umgehend erkannt hat – zusammen mit Produzent Tony Visconti initiiert, dass der Mann, der ihn in die Band geholt hat, gefeuert wird. Er kennt nämlich einen deutlich besseren Drummer aus Hull namens Mick 'Woody' Woodmansey, mit dem er in der Heimat schon in seiner Band The Rats gespielt hat. Im Juni/Juli produziert Marc Bolan mit der Single "Ride A White Swan" den Grundstein für seine Welt-Karriere, die ihn bis heute unvergessen werden ließ. Nachdem dagegen auch Davids zweite Single des Jahres 1970, "Memory Of A Free Festival", niemanden interessiert, steht für Bowie das nächste Album an. Ronson, Woodmansey und der auf dieser Scheibe auch Bass spielende Produzent Visconti mühen sich nach Kräften um das Gros der Arbeit zu erledigen, unser Protagonist ist dagegen nicht fokussiert, konzentriert sich auf seine Frau Angie – die er zwar geheiratet, aber davor auch etwas ruppig unterbreitet hat, dass er sie nicht liebt – und alles mögliche Andere, sodasss die Hauptarbeit den drei Musikern zufällt.

Draußen auf den Straßen Londons haben sich die Jungs aus der Arbeiterschaft, Skinheads oder normal aussehend, darauf konzentriert, den sogenannten 'Tunten' »…die Scheiße aus dem Hirn zu prügeln …«, was natürlich auch dem Ehepaar Bowie – beiderseits sexuell ebenfalls sehr stark am eigenen Geschlecht interessiert – nicht entgeht. Dennoch, oder vielleicht auch gerade erst recht, lässt sich David für das Cover seines neuen Albums "The Man Who Sold The World" in einem Frauenkleid und mit langen Haaren auf einem Sofa liegend ablichten. In England ging das noch durch, für die vordergründig prüde USA musste jedoch ein anderes Foto verwendet werden. Dort erscheint das Album auch als erstes im November, interessiert jedoch erstmal niemanden. Schon ein paar Monate vorher sind sowohl Ronson, als auch Woodmansey komplett desillusioniert und frustriert, dass, außer ein paar Auftritten hier und dort, einfach nichts passiert, es keinen Schritt nach vorne geht. Auf dem Weg von London zu einem Konzert in Birmingham – David in einem Auto, die beiden Musiker in einem anderen dahinter – kommt es auf der Autobahn plötzlich zur Gabelung – links nach Birmingham, rechts nach Hull. Die beiden Micks schauen sich kurz an … und fahren nach Hause. Bowie ist am Boden zerstört, so bedingungslos im Stich gelassen worden zu sein.

Und die bisher aufgeführten Punkte sind erstmal nur die ganz groben Fakten und Hintergründe, die in diesem Buch berichtet werden. Nicht nur ein sehr unterhaltsamer, sondern auch interessanter Lese-Stoff aus einer Zeit, die sehr viele von uns damals nicht erlebt haben, oder schlicht und ergreifend noch zu jung waren, um sie intensiv wahr zu nehmen. Der Autor Simon Goddard hat hier eine erste Duftnote hinterlassen, die er mit jeweils einem Buch zu jedem Jahr der Siebziger in David Bowies Leben folgen lassen möchte. Absolut empfehlenswert!


Autor: Simon Goddard
Herausgeber: Hannibal Verlag
Sprache: Deutsch
Übersetzung: Andreas Schiffmann
Taschenbuch (Broschur): 208 Seiten
ISBN: 978-3-85445-712-1
Originaltitel: Bowie Odyssee 70
Abmessungen: 21,5 x 14 cm
Preis: 20,00 Euro
Auch als E-Book erhältlich.

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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