Wenn dich von einem Plattencover ein aggressiver, muskelbepackter Wrestler mit ausgestrecktem Zeigefinger anglotzt, garniert mit dem Titel "Eight Eleven", dann muss da jemand eine Menge Sinn für sarkastischen Spaß haben. Den hab ich übrigens auch und wundere mich, weil ich tief rabenschwarzen Humor aus alpenländischer Herkunft bislang eher von meinen Brüdern und Schwestern aus Österreich kannte. Schaut mal beim genialen Schauspieler und Kabarettisten Josef Hader rein, dann wisst Ihr was ich meine. Dieses Album stammt aber aus der angeblich so beschaulichen Schweiz, die eben gar nicht so beschaulich zu sein scheint. Zumindest nicht in Biel, denn da kommen die vier durchaus schon langjährig erfahrenen Jungs von Treekillaz" nämlich her.
Die eine oder andere Recherche im Internet bestätigt übrigens, dass wir es hier mit Menschen zu tun haben, die eine Menge Sinn für Gaudi haben. Erster Pluspunkt.
Aber keine Sorge, die verführerisch bösartige Anspielung im Titel auf den 'Nine-Eleven' will uns keinen terroristischen Akt androhen. Und bei aller Härte, die wir auf dem Silberling unzweifelhaft vorfinden, gibt es erstaunlich harmonische Klänge und Assoziationen jenseits der selbst erwählten Kaste: Treekillaz" nennen ihre Musik »Intense-Rock«. Ein paar Argumente werde ich liefern, die diese Bezeichnung als treffend gewählt erscheinen lassen.
Ach ja, und "8.11." steht für den simplen Fakt, dass es sich um das achte Album der Band mit eben 11 Songs handelt. Also völlig unkonspirativ!
Ist es verwegen, die härteste Nummer des Albums gleich an den Anfang zu stellen? "U-R" startet mit rammsteinigen Riffs und springt sogleich in einen punkig, metallenen Modus über, den Gesang aus tiefster Seele und Kehle gegrölt. Gib dem Affen Saures. Hier beginne ich fast an den ausgewiesenen stilistischen Einflüssen zu zweifeln, die uns auf dem Waschzettel sowie auch im Internet nahegelegt werden. Aber Gemach, bei aller Intensität – da haben wir den Intense-Rock-Begriff – es geht in den folgenden Nummern durchaus auch mit weniger Schaum vorm Maul zu. "Take It Slow" hingegen bestätigt diese These trotz des Titels noch nicht, hier rifft es an allen Ecken und Enden. Das Solo verzaubert übrigens mit archaischer Schönheit und insgesamt kommen mir bei dieser Nummer erstmals ein paar abwegige Querverbindungen in den Sinn. Aber ich kann mir nicht helfen, die harten, aber doch auch melodischen Riffs lassen mich an Porcupine Tree denken. Zumindest ein bisschen.
In "My Mind" lässt sich die Band erstmals genüsslich von Herrn Will Mecum von Karma To Burn befeuern, gleiches gilt für "Addicted" und "Ladyboy", eine schöne spontane Zusammenkunft, die zum einen für die kulturelle Zusammenkunft mit der genannten Heavy Stoner Truppe steht, andererseits aber auch deutlich unterstreicht, dass die Nummern ohne Gäste keinesfalls weniger abgehen. Unsere Schweizer Intenser brauchen ganz sicher keine Hilfe, um uns den nötigen Dampf zu machen.
Nett übrigens, dass man in "Rock’n’Roll Bitch" im Intro fast eine kleine Reminiszenz an drei sehr bärtige Herren aus Texas anklingen lässt, "La Grange" hieß der wilde Boogie einst bei denen. Hier zeigt sich übrigens die durchaus sehr anpassungsfähige Ausdruckskraft von Sänger Bucher, der die stilistischen Sprünge seiner instrumentalen Mitstreiter sehr ausdrücklich begleitet. Kaum zu glauben, dass im Vergleich zum Opener hier der gleiche Mann am Mikro steht. Cool.
Auch wenn in "Addicted" wieder mal Gastunterstützung für fast schon punkige Power sorgt, ist dies doch ein Song für Tom, den Mann am Schlag. Wahnsinn, wie der seine Truppe hier mit wild befeuerten Drums vorantreibt, sehr schön ausgetragen von Jessi und seinen Riffs von allerlei Saiten.
Doch dann zeigt sich auch die melodisch orientierte Flanke von Treekillaz", wenn wir in "Erna" bei gemäßigtem Tempo fast so etwas ähnliches wie einen Ausflug in den Prog-Metal unternehmen. Eine melodisch schöne Sologitarre und die schon häufiger bemühten Zeilen »spread your wings and fly away« lassen uns abheben über die Bergwelt der Schweizer Alpen und ein bisschen träumen. Ich kann mir nicht helfen, aber spätestens in "Strong" möchte ich, wenn man sich die Riffs ein kleines bisschen weniger heftig vorstellen würde, ganz gerne an meine alten Freunde von Been Obscene denken. Ja, die haben es etwas ruhiger angehen lassen, aber die stilvoll gesetzten Riffs und Breaks waren genau deren Ding. Schade, dass sie Geschichte sind. Diese Tendenz setzt sich mit "Ride Again" übrigens durchaus fort.
Am Schluss geben sie uns noch einmal acht Minuten 'Intense', "On The Run" erklärt den Spirit des Albums vielleicht am Besten. Tempomäßig durchaus eingefangen operiert man hier ganz augenscheinlich mit der Kraft und Dynamik der Komposition, nimmt den Hörer durch intensiven, emotionalen Sog und Drift auf den finalen Kurs. Repetitive Motive grooven uns mit muskelerschütternder Wucht endgültig auf Kurs, psychedelische Kreisel lassen das Schwingungspendel bis zum Anschlag ausschlagen.
Treekillaz" sind nun schon seit neunzehn Jahren aktiv, sie bieten uns eine dreiviertel Stunde tief authentischer Rockmusik, die sich gerne aus temporären Erscheinungen wie Stoner, Grunge und Punk nährt, am Ende aber eines bietet: Harten, ehrlichen Rock’n’Roll, energetisch und aufreizend, ohne einen gewissen Sinn für Melodik und Variation zu verleugnen.
Intense made in Swiss.
Line-up Treekillaz":
Bucher (vocals)
Jessi (guitar)
Tom (drums)
Resus (bass)
Tracklist "8.11.":
- U-R
- Take It Slow
- My Mind
- Rock’n’Roll Bitch
- Addicted
- Enabler
- Erna
- Ladyboy
- Strong
- Ride Again
- On The Run
Gesamtspielzeit: 43:47, Erscheinungsjahr: 2017
1 Kommentar
Ray
16. März 2017 um 0:18 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hi Michael, tolle Besprechung, Danke!
LG
Ray
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Record Release Show: 25.03.2017 | CH-Basel, Sommercasino – w/ Support TREEKILLAZ
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