An dem im Jahr 1948 geborenen Steve 'Deacon' Hunter kam und kommt man kaum vorbei, wenn man die Rock-Musik der siebziger Jahre liebt. Wenn vielleicht auch nur unbewusst, denn der Amerikaner war nie wirklich ein Mann, der in der ersten Reihe stand. Vielmehr verdiente er seine Brötchen – zumindest bis 1977 seine erstes Soloalbum "Swept Away" erschien – als Studio- und Live-Musiker, der die Platten und Auftritte anderer Künstler veredelte. Der heute legendäre Produzent Bob Ezrin hatte das Potenzial Hunters früh erkannt, was ihm – teilweise ohne namentlich erwähnt zu werden – Einsätze auf Alben von unter anderem Aerosmith ("Get Your Wings", 1974), Lou Reed ("Berlin" von 1973 sowie Rock’n’Roll Animal von 1974), bis heute gleich fünf Alben von Alice Cooper, Mitch Ryder's Detroit (1971), Jack Bruce, Kiss, Peter Gabriel oder auch Meat Loaf und Dr. John einbrachte. Entweder als Vollzeit-Gitarrist oder auch mal als – wie bereits erwähnt – ungenannter Mann für alle Fälle, wenn der der/die Gitarrist/en der jeweiligen Band bestimmte Parts selbst nicht hinbekamen. Mit "The Deacon Speaks" hat der Musiker nun sein – falls der Rezensent sich nicht verzählt hat – achtes Soloalbum vorgelegt.
Dass der Protagonist eine echte Koryphäe an seinem Instrument ist, dürfte also kein Geheimnis mehr sein. Das Sensationelle an dieser neuen Platte ist, dass Steve Hunter sich erstmals seit 1977 wieder entschlossen hat, zu singen. Von den zehn neuen Tracks stammen vier von ihm selbst und einer von seiner Frau Karen, während es sich bei den restlichen Stücken um Songs von den Rolling Stones, Jimi Hendrix, Lou Reed, Willie Dixon und Bill Withers handelt. "Back Door Man", wohl am bekanntesten durch die Interpretation der Doors, eröffnet die Scheibe relaxt und bluesig. Also ganz anders, als die der Mannen um Jim Morrison, was aber schon mal mehr als cool rüber kommt. Nicht nur die Gitarrenarbeit spricht bereits hier von der Klasse ihres Protagonisten, sondern auch der Gesang kommt herrlich 'raspelig' und vom Leben gezeichnet aus den Boxen. Und ohne hier zu lange bei einer Nummer zu verweilen, glänzt auch das folgende "Tiresome Blues" mit den selben Zutaten. Sehr wohltuend kommt auch immer wieder die Erkenntnis, dass Steve Hunter schon lange über den Punkt hinaus ist, irgendwelche Frickeleien oder Geschwindigkeits-Rekorde aufstellen zu wollen. Vielmehr weiß er sehr genau, an welchen Stellen er die exakt richtigen Noten setzen und wann er eine Pause lassen muss.
Nachdem er den Hendrix-Track "Up From The Skies" geradezu zu seinem eigenen gemacht hat, folgt mit Lou Reeds "Sweet Jane" eine erneut coole und relaxte, dafür aber mit viel Tiefe gebrachte eigene Lesung des sehr bekannten Songs. Deutlich langsamer und entspannter als auf Reeds "Rock’n’Roll Animal", für die Hunter damals dieses klasse Intro für die Konzerte geschrieben hatte. Auch "Waiting On A Friend" von den Stones verpasst er sein ganz eigenes Klangbild. Selbst die aus dem Computer stammende Drum-/Percussion-Unterlegung stört da nicht. Auch wenn der gute Steve nicht der weltbeste Sänger unter der Sonne ist, liegt immer sehr viel Feeling und Lebensweisheit in seinen Darbietungen. Und das zählt auch, manchmal sogar mehr als die beste Gesangstechnik. Sehr stark auch die hier enthaltene Version von Bill Withers' "Who Is He And What Is He To You", auf das die gerade geschilderten Attribute eins zu eins wiederholt werden können.
Hinsichtlich der von Hunter eigenkomponierten Stücke glänzen vor allem die beiden Instrumentals. Zum einen ist da das melancholische, mit einer wunderschönen Slide sehr viel Atmosphäre verbreitende, umgehend das Kopfkino in Gang setzende und von der Stilistik etwas an "Albatross" erinnernde "Annabel’s Blues", zum anderen das abschließende "In A Lonely Place". Ebenfalls – der Titel lässt es bereits erahnen – eine nachdenkliche, dafür aber mit tonnenweise Feeling und klasse Melodien gebrachte Nummer.
Letzten Endes also alle Daumen nach oben für Steve Hunter und sein neues Album "The Deacon Speaks". Zehn Songs mit einer Spielzeit von rund 45 sehr gehaltvoll gefüllten Minuten. Natürlich darf man hier kein Rock- oder Hardrock-Album im Stile seiner früheren Arbeitgeber erwarten, aber davon abgesehen kann es nur ein einziges Fazit geben: Ein sehr starkes Album!
Line-up Steve Hunter:
Steve Hunter (all instruments, lead & background vocals)
With:
Paco Passman (acoustic guitar – #4)
Karen Hunter (background vocals)
The Fabulous Deacon Choir (background vocals)
Tracklist "The Deacon Speaks":
- Back Door Man
- Tiresome Blues
- Independent Soul
- The Ballad Of John Henry Gates
- Annabel’s Blues
- Up From The Skies
- Sweet Jane
- Waiting On A Friend
- Who Is He And What Is He To You
- In A Lonely Place
Gesamtspielzeit: 45:06, Erscheinungsjahr: 2024
Neueste Kommentare