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George Harrison / Living In The Material World – LP-Review

George Harrison-Living In The Material World-LP-Review

Ich lehne mich sicherlich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass George Harrison sein musikalisches Solo-Meisterstück ("All Things Must Pass", November 1970) in den frühen Siebzigern bereits hinter sich hatte. Danach konzentrierte er sich mit ganzer Kraft auf die Unterstützung der von einer Natur-Katastrophe betroffenen Menschen in Bangla Desh, die im August 1971 aber (musikalisch) immerhin ihren Höhepunkt in zwei hervorragenden Konzerten im New Yorker Madison Garden fand, die auch prächtig mit dem Film The Concert For Bangla Desh festgehalten wurden. Schließlich war es dann aber doch wieder Zeit für ein neues Album und die ersten Sessions dazu fanden im Herbst des Jahres 1972 statt. Immer wieder kam es zu Unterbrechungen wegen des Bangla Desh-Hilfsprojekts, aber im März 1973 waren die Aufnahmen dann abgeschlossen, sodass die Scheibe Ende Mai jenen Jahres veröffentlicht werden konnte.

Gegenüber "All Things Must Pass" hatte sich Harrison bei seinem neuen Werk für eine deutlich abgespecktere Produktion (die er selbst übernahm) entschlossen. Außerdem übernahm er sämtliche Gitarrenparts sowie die Lead Vocals im Alleingang, unterstützt von Beatles-Intimus Klaus Voormann am Bass sowie den Drummern Jim Keltner und Ringo Starr. Am Piano und den Keyboards waren der geniale Nicky Hopkins sowie Gary Wright (Spooky Tooth) zu hören. Und die Songs? Nach wie vor herausragend und einer von Harrisons besten Tracks insgesamt ist natürlich "Give Me Love (Give Me Peace On Earth)" mit seinen wunderschönen Melodien und Slide Guitar-Einlagen, aber auch der sehr zynische "Sue Me, Sue You Blues" ist ein sehr starker Titel, der das Qualitäts-Level der Platte anfangs sehr hoch hält. Genau dieses fällt danach allerdings etwas ab. Die anschließenden Stücke entwickeln sich zwar keinesfalls zu einem Reinfall, bleiben aber auch kaum wirklich im Ohr hängen oder sind so zwingend wie die ersten beiden.

Immer wieder fantastisch ist die glänzende Piano-Arbeit von Nicky Hopkins, der nicht zu Unrecht einer der gefragtesten Session-Musiker (u. a. The Rolling Stones, The Kinks, Jeff Beck Group) der sechziger und siebziger Jahre war. Bei "The Light That Has Lighted The World" spielt Harrison eine ganz feine Slide-Gitarre, während er erneut von seiner inneren Zerrissenheit berichtet. "Don’t Let Me Wait Too Long" zieht das Tempo dann wieder etwas an und entwickelt sich zu einem richtig guten Pop-Song. Abgelöst wird dieser von dem melancholischen "Who Can See It" (Nicky Hopkins!), das von dem den ersten Akt abschließenden Titelsong abgelöst wird. Erneut sehr spirituell ausgerichtet und von Jim Horn am Saxofon veredelt.

Die zweite Seite des (fetten 180g schweren) Vinyl-Albums beginnt mit dem überzeugenden "The Lord Loves The One (That Loves The Lord)" erneut sehr spirituell und ist praktisch eine Fortsetzung von "My Sweet Lord" der Scheibe "All Things Must Pass". Das aufnahmetechnisch älteste Stück "Try Some, Buy Some" stammt sogar noch aus dem Jahr 1971 und wurde mit Jim Gordon (Ex-Derek & The Dominos, R.I.P.), Pete Ham (Badfinger, R.I.P.) sowie Leon Russell (R.I.P.) aufgenommen. Die letzten vier Tracks (sehr geil ist hier noch "The Day The World Gets 'round") sind insgesamt sehr ruhig und nachdenklich gehalten und beschäftigen sich immer wieder mit dem inneren Zwiespalt Harrisons zwischen dem Superstar und dem spirituellen Menschen, dem materielle Werte nichts bedeuten. Gutes Material, hervorragend eingespielt und für den Protagonisten sicherlich auch inhaltlich sehr wichtig, aber – wie bereits erwähnt – bei aller Güte nicht wirklich zwingend oder gar grandios.

Was sich aber mitnichten auf den Erfolg des Albums auswirkte, das in den USA nur zwei Tage nach seiner Veröffentlichung bereits vergoldet wurde. "Living In The Material World" spiegelt einen Musiker auf der Suche wider. Einer Suche nach sich selbst, nach dem tieferen Sinn, seinem Platz in dieser bzw. der damaligen Welt, die er in teilweise grandiosen und (größtenteils) guten Songs auf Tonträger bannen konnte. Sicherlich eines der besten George Harrison-Alben, selbst wenn es in meiner persönlichen Top 3 nicht gelistet ist. Weiter ging es dann im darauffolgenden Jahr mit "Dark Horse", das wir euch ebenfalls in Kürze in diesem Theater vorstellen werden.

Das gerade vorgestellte Album ist übrigens Teil der insgesamt 18 Scheiben umfassenden Box "The Vinyl Collection". Neben dem sehr guten Sound ist auch die Aufmachung der Einzelalben eine wahre Pracht. "Living In The Material World" kommt im Klapp-Cover, hat neben der Innenhülle noch eine zweite dergleichen und obendrein ein zusätzliches aufklappbares Beilage, die alle Texte beinhaltet. Insgesamt also eine superrunde Sache!


Line-up George Harrison:

George Harrison (guitars, vocals)
Nicky Hopkins (keyboards)
Gary Wright (keyboards)
Klaus Voormann (bass)
Ringo Starr (drums)
Jim Keltner (drums)
Jim Gordon (drums – #B-3)
Jim Horn (saxophones, flutes)
Zakir Hussein (tabla)
John Barham (strings)
Pete Ham (acoustic guitar – #B-3)
Leon Russell (piano – #B-3)

Tracklist "Living In The Material World":

Side 1:

  1. Give Me Love (Give Me Peace On Earth)
  2. Sue Me, Sue You Blues
  3. The Light That Has Lighted The World
  4. Don’t Let Me Wait Too Long
  5. Who Can See It
  6. Living In The Material World

Side 2:

  1. The Lord Loves The One (That Loves The Lord)
  2. Be Here Now
  3. Try Some, Buy Some
  4. The Day The World Gets 'round
  5. That Is All

Gesamtspielzeit: 24:25 (Side 1), 19:36 (Side 2), Erscheinungsjahr: 2017 (1973)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv
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Meine Konzerberichte im Team mit Sabine
Mail: markus(at)rocktimes.de

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