Fangen wir erst einmal mit einem anderen Thema an: Anathema brachten 2012 eine Scheibe mit den Namen Weather Systems heraus. Danach gab es 2014 noch "Distant Satellites" und 2017 "The Optimist". Letztere war jedoch stimmungsmäßig nicht so positiv wie der Titel vielleicht vermuten lässt, was auch bei dem Konzert in der Batschkapp auf der zugehörigen Tour zu merken war. Dann folgten (auch aufgrund von Corona) Tourverschiebungen / Absagen. 2020 kam die Mitteilung über eine Pause von unbestimmter Dauer, die in das Ende der Band überging.
Es hieß jedoch, einzelne Mitglieder wollten auf anderen Pfaden weiter machen. Dazu stand ab 2021 ein Name im Raum: Weather Systems. Mehr geschah erst einmal nicht. Nun, 2024, kommt (endlich) das Debüt, "Ocean Without A Shore". Darauf zu hören sind bzw. hinter der Band stecken die beiden Daniels von Anathema: Daniel Cavanagh, Lead-Gitarrist und Sänger, außerdem Songwriter und Mitbegründer. Und Daniel Cardoso, Schlagzeuger und Produzent.
Ein Großteil der Stücke wurde ursprünglich für Anathema geschrieben, für einen Nachfolger von "The Optimist". Dennoch wird hier ein neues Kapitel angefangen, nicht nur weil außer den beiden keine weiteren Anathema-Musiker bei Weather Systems sind, auch ist es eher eine Weiterführung des gleichnamigen Albums von 2012 – laut Daniel Cavanagh. Dies ist unter anderem dadurch erkennbar, dass es hier "Untouchable Part 3" gibt – die ersten beiden Teile waren auf genannter Scheibe. "Untouchable Part 3" überzeugt mit harmonischen Klängen und schönem Frauengesang, auch wenn Lee Douglas leider nicht mehr dabei ist.
Noch ein Song hat eine Fortsetzung bekommen: "Are You There? Part 2" bezieht sich auf "Are You There?" von "A Natural Disaster" (2003). Womit schon ein weiterer Hinweis gegeben wird: "Ocean Without A Shore" macht teilweise einen Rückschritt zum Stil von vor zehn und mehr Jahren, zur We’re Here Because We’re Here (2010) und (natürlich) "Weather Systems", ist an manchen Stellen heavier als Anathema zuletzt, was mir gefällt.
Melodie, Melancholie und Atmosphäre sind allgegenwärtig, aber neben vielen verträumten ruhigen Parts bzw. Songs (beispielsweise dem faszinierenden Titeltrack) gibt es auch mal Härteres, die Gitarren dürfen sich stellenweise austoben. Wobei die Tastentöne ebenfalls nicht zu kurz kommen, teilweise im Vordergrund stehen, was das Material variantenreich macht. Der hier gebotene musikalische Ozean hat unterschiedliche Strömungen, die stimmig ineinanderfließen, die sich harmonisch ergänzen. Weather Systems zeigen sich wandlungsfähig wie das (englische) Wetter, wissen verschiedene Elemente gekonnt einzusetzen. Immer wieder erscheint etwas vertraut und doch anders.
"Ocean Without A Shore" ist in zwei Parts unterteilt, deren Titel ("First Steps" und "Learning To Fly") nach Lesen der Widmung Sinn ergeben. »This album is dedicated to Ariel with oceans of eternal love… from your Papa«.
Somit steckt in dieser von Daniel Cavanagh geschriebenen Scheibe viel Persönliches. Da er auch fast alle Instrumente spielt, ist es fast schon ein Solo-Werk. Bei Anathema stand er vielleicht etwas im Schatten von seinem Bruder / Hauptsänger Vincent Cavanagh. Hier kann er heraustreten, wobei er dessen stimmliche Qualität nicht ganz erreicht, und zeigen, wie viel eigentlich von ihm geprägt war.
Wir haben es also personell betrachtet mit einem Anathema-Anteil zu tun, mit anderem Namen. Dieser unterscheidet sich jedoch musikalisch wenig, setzt lediglich manche Akzente anders, führt aber ansonsten die Linie der aufgelösten Band weiter. Das ist gut so. Die Fans dürfen sich nun freuen, wieder eine Scheibe in diesem Stil zu bekommen, deren Songwriting (überraschend) stark ist und die einige wundervolle emotionale Momente bietet.
Line Up Weather Systems:
Daniel Cardoso (drums)
Soraia Silva (vocals)
Petter Carlson (vocals)
Daniel Cavanagh (vocals, piano, electric piano, keyboards, vocoder, electric guitars, acoustic guitars, bass, programming)
Tracklist "Ocean Without A Shore":
Part One: First Steps
1. Synaesthesia (9:12)
2. Do Angels Sing Like Rain? (5:06)
3. Untouchable Part 3 (5:55)
4. Ghost In The Machine (4:53)
5. Are You There? Part 2 (5:59)
Part Two: Learning To Fly
6. Still Lake (5:59)
7. Take Me With You (6:10)
8. Ocean Without A Shore (7:18)
9. The Space Between Us (6:05)
Gesamtspielzeit: 56:35, Erscheinungsjahr: 2024
1 Kommentar
Andrea Groh
6. Oktober 2024 um 18:56 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hier noch ein Video des Openers, schön gemacht, und einer der Songs, bei dem es stellenweise mal etwas heavier wird.
https://www.youtube.com/watch?v=SkLBJU7SBoY