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Uwe von Trotha / Aus dem Leben eines Bastards – Checkpoint Charlie vs. BRD – Buch-Review

Uwe von Trotha - "Aus dem Leben eines Bastards - Checkpoint Charlie vs. BRD" - Buch-Review

Okay, der Rezensent muss bereits mit diesen eröffnenden Worten zugeben, dass er sich bei dem zu besprechenden Buch doch sehr von dem Untertitel "Checkpoint Charlie vs. BRD" beeinflussen ließ. Hatte er doch eher mit einer Bandbiografie über die mit dem Titel 'Eine der allerersten Punk-Bands Deutschlands' geadelte Combo gerechnet. Nun, dem ist nicht ganz so, da sich die über dreihundert Seiten streckende Geschichte dann doch in allererster Linie um das Leben des Schauspielers und Musikers Uwe von Trotha selbst dreht. Aber gut, dies nur als erste Feststellung, dass wir es eben nicht mit einem Rock-Buch im eigentlichen Sinn zu tun haben.

Dennoch ist die Story des 1941 in Ostpreußen geborenen von Trotha sehr spannend zu lesen, selbst über die Zeit der Wirrungen der Kriegsjahre und den Nachwehen bis weit in die Fünfziger hinein. Der Protagonist entwickelt bereits in Kindheitsjahren einen starken Bezug und eine ungetrübte Liebe zur Natur, die empfindlich gestört wird, als es mit der Mutter und dem ungeliebten Stiefvater (seinen eigenen hat er nie gekannt) über ein paar Umwege nach Stuttgart geht. Als Heranwachsender fühlt er sich von der sich immer mehr steigernden Konsumgeilheit seiner Umgebung abgestoßen. Klar, das Wirtschaftswunder war in vollem Gange, plötzlich galten Autos als Status-Symbol und vor seinen Augen wurde alles diesem neu entwickelten und unersättlich scheinenden Konsum-Wahn untergeordnet.

Nach der Flucht aus dem Elternhaus – oder besser gesagt vor dem gehassten Stiefvater – verschlug es ihn zunächst nach Heidelberg und schließlich Karlsruhe, wo er jeweils Engagements an Theatern fand. Außerdem fand er politisch Gleichgesinnte, mit denen es zur Gründung der Band Checkpoint Charlie sowie nach einigen turbulenten Auftritten zu deren erstem Album, "Grüß Gott mit hellem Klang" (1969) kam. Die Band hatte sich zum Ziel gesetzt, ihr Publikum durch Provokation und durchaus auch den einen oder anderen Schock-Moment zum Nachdenken anzuregen. Eine Taktik, die teilweise gelang, teilweise aber auch auf Unverständnis im Publikum traf. Außerdem tauchten auf den Konzerten immer öfter politische Gruppen auf, die nach dem Gig dann noch endlos diskutieren wollten, was den Musikern dann oft den Spaßfaktor nahm.

Nach einer längeren Pause erschien das zweite Werk, "Frühling der Krüppel", erst 1978, wurde jedoch in recht kurzen Abständen von drei weiteren Scheiben gefolgt. Uwe von Trotha war dabei wie auch schon davor der Ideengeber und Texter, der zwar weniger sang, dafür aber jede Menge gesprochene Einlagen brachte. Checkpoint Charlie nahmen auf der Bühne kein Blatt vor den Mund und standen – neben viel unangenehmer Post von der Staatsanwaltschaft – irgendwann auch unter strenger Beobachtung der Behörden. Als letztes Werk der Band kam 1990 die "Gurglersinfonie" heraus, wenn von Trotha zu diesem Zeitpunkt auch schon lange Jahre das letzte verbliebene Original-Mitglied war.

Auf der Suche nach einem eigenständigen und nicht von Außen gesteuerten Leben, verbrachte der Protagonist große Teile der siebziger und bis in die achtziger Jahre hinein in einer Kommune auf einem Bauernhof in Rheinland-Pfalz, wo man sich an neuen Arten des Zusammenlebens und der Selbstversorgung versuchte. Vieles hat funktioniert, einiges allerdings auch nicht und schließlich löste sich die Lebensgemeinschaft nach gut zehn Jahren wieder auf. Der Hof wurde verkauft und jeder ging seiner Wege. Dennoch eine Erfahrung, die von Trotha nie bereut hat.

Dies hier soll jedoch keine Nacherzählung werden, sondern eher ein Anreger zu "Aus dem Leben eines Bastards" sein. So sei an dieser Stelle auch festgehalten, dass es außer den von mir erwähnten noch viele weitere spannende Themen beinhaltet, die dieses Review jedoch sprengen würden. Dass es sich um keine reine Bandbiografie handelt, stört beim Lesen dann auch überhaupt nicht mehr. Zum einen, weil das Buch sehr gut und flüssig geschrieben ist und zum anderen, weil man noch einmal in die Irrungen und Wirrungen, aber auch die Erkenntnisse der Jahre ab Mitte/Ende der Sechziger, die APO, den gewaltlosen Widerstand gegen die Wirtschaftsmacht, Ideen über neue und freie Formen des Lebens und schließlich die Erkenntnis, die große Masse mit diesen Themen nicht erreichen zu können, eintauchen kann. Sehr lesenswert!


Autor: Uwe von Trotha
Herausgeber: Ventil Verlag
Sprache: Deutsch
Taschenbuch: 324 Seiten
ISBN-10: 3955752224
ISBN-13: 978-3955752224
Abmessungen: 22 x 15 x 2,5 cm
Preis: 25,00 Euro

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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