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Warren Haynes zum Geburtstag, 6. April 2017 – Portrait

Happy Birthday, Warren Haynes!

Der Meister hat Geburtstag, ein guter Grund zu feiern. Mal sehen, ob ich vielleicht eine passende Flasche dazu köpfen werde?

Gov´t Mule zu zelebrieren ist immer eine feine Sache. 2015, nach einer wirklich großartigen Tour durch halb Europa wurde die Mountain Jam live im Internet übertragen, man musste nur einen Betrag an Teen Cancer spenden, jener Krebshilfe-Organisation, die von Roger Daltrey und Pete Townshend von The Who gegründet wurde. »Hey, dann kriegst Du Deine Lieblingsband direkt und live auf den Schreibtisch und tust obendrein noch was Gutes. Das ist ja geil«, schoss es mir durch den Kopf. Und so saß ich samstags morgens um sechs Uhr mit einer Tasse Kaffee und einer Pulle Sekt vor dem Bildschirm und zog mir The Dark Side Of The Mule rein, das ultimative Pink Floyd-Cover-Unternehmen einer Band, die aus den Originalen scheinbar problemlos Stücke zaubert, die der eigenen Feder zu entstammen scheinen. Warrens ultimative Version von "Echoes", aufgesplittet in zwei Teile eröffnete und beendete damals den regulären Set, "Comfortably Numb" war die unübertroffene Zugabe. So viel Gänsehaut vor dem Computer habe ich vorher sicherlich noch nicht durchlebt.

Und am nächsten Abend gab es zusätzlich noch ein reguläres Mule-Konzert mit eigenen Klassikern wie "Blind Man In The Dark" oder "A Million Miles From Yesterday". Wenn man selbst gerade ein paar Tage zuvor viermal live mit dabei war, wenn der Esel fliegt, dann gibt es für den 'Mulehead' wohl kaum eine schönere Art und Weise, das Erlebte zu reflektieren und zu feiern.

Dass der Zugang zum Konzert über eine wohltätige Spende geregelt wurde ist typisch für Warren. Neben seinen workaholicartigen Tätigkeiten in Studios und vor allem auf den Bühnen, war der Mann stets ganz besonders bemüht, seine Prominenz für sozial weniger privilegierte Menschen einzusetzen. Dafür hat er in seiner Heimatstadt Asheville (North Carolina) unweit von Nashville und Chattanooga schon vor langer Zeit den goldenen Schlüssel als Ehrenbürger erhalten. Seit achtundzwanzig Jahren zelebriert Warren dort sein Festival X-Mas-Jam, ursprünglich eingerichtet, um Musiker dieser Gegend einmal im Jahr in die Heimat zurückzuholen. Seit nunmehr achtzehn Jahren sind Erlöse in Höhe von mehr als 2 Millionen Dollar an örtliche soziale Körperschaften geflossen, mit denen Wohnraum für Bedürftige geschaffen werden konnte.

Ein Mann, der mit seiner Musik Millionen Menschen berührt und der seine Möglichkeiten nutzt, um anderen zu helfen – wen, wenn nicht den, sollte man feiern? Warren, ein Held, der keiner sein mag – gerade das macht ihn so sympathisch.

Seine Geschichte darzustellen erscheint mir ein wenig wie die berühmten Eulen nach Athen zu tragen, die meisten Rockfans, gleich welcher Couleur, werden seinen Werdegang kennen. Darum nur in aller Kürze ein Abriss dessen, was der Oberesel getan hat, bevor es die Esel gab:

Dass er über Dickey Betts und dessen Band ins Geschäft eingestiegen ist, ist hinlänglich bekannt und die Phrasierungen eines Warren Haynes zeugen ein Stück weit auch immer vom Einfluss des legendären Duane Allman-Partners. Genau der zog ihn 1989 bei der Reunion der Allman Brothers Band mit sich, hinein in die Gilde der Woodstock-Helden. Von da an entwickelte sich das Ding. Berühmt geworden sind anfangs der Neunziger die großartigen Gitarrenschlachten mit Dickey, trefflich nachzuverfolgen auf den beiden CD’s An Evening With The Allman Brothers. Etwa zu dieser Zeit spielte Warren erste eigene, markante Konzerte, deren Höhepunkt erst vor gut einem Jahr auf Live At Emerson College, Boston November 93 neu verlegt und verbreitet wurde. Wohl schon zu Zeiten dieser Aufnahmen spürte Warren, dass ihm ein mehr erdig, bluesigerer Ansatz als der der Allmans vorschwebte. Zusammen mit Allen Woody, ebenfalls bei ABB beschäftigt, gründete Warren daher zusammen mit dem früheren Drummer der Dickey Betts Band das Trio Gov’t Mule – eine Entscheidung, die für mein Empfinden das moderne Zeitalter der Rockmusik nachhaltig geprägt hat. Auch wenn von der breiten Öffentlichkeit schmählich verkannt – die Bedeutung der Rockmusik war in den Neunzigern sicher nicht mehr vergleichbar mit den großen Tagen fünfundzwanzig Jahre zuvor. Gemeinsam spielten die Drei einige großartige Alben innovativer, aber immer basisbezogener Rockmusik ein, bis im Sommer 2000 ein plötzlicher und völlig unerwarteter Schicksalsschlag der Band vorläufig ein Ende bereitete. Allen wurde an einem sehr traurigen Samstag im August in seinem Hotelzimmer in Queens, NYC, tot aufgefunden.

Warren, der nicht nur einen Kollegen, sondern einen ganz engen Freund verlor ("Banks Of The Deep End" zeugte später davon), wollte das Projekt nicht weiterführen, der Esel schien tot wie sein Bass-Spieler. Erst als ein Jahr später die Idee geboren wurde, quasi ein Memorial für Allen einzuspielen und dazu befreundete Bass-Männer für ihren ehemaligen Kollegen einzuladen, bekam Gov’t Mule neuen Wind hinter die Ohren. The Deep End war geboren. Teil Zwei folgte 2002. Das Publikum verzehrte sich geradezu nach der Musik des Maultiers, und so beschloss man, die mitreißenden Sessions live einzuspielen (fantastisch festgehalten auf der Doppel-Live-CD und DVD The Deepest End) und den Tross der Grautiere wieder in Bewegung zu bringen. Vorübergehend übernahm Andy Hess den Bass-Part, doch schon zwei Jahre später stieg Jorgen Carlsson für ihn in die Band ein und gab dem Sound genau den knarzig harten Touch zurück, den Allen einst hinterlassen hatte.

Von nun an nahmen die Dinge ihren Lauf und schnell entwickelte Gov’t Mule sich für viele Beobachter der Szene zur besten Live-Band des Kosmos. Einen nicht zu unterschätzenden Anteil daran hatte Tastenmann Danny Louis, der als viertes Maultier in die Riemen gestiegen war und der Band damit einen noch viel weiterreichenden und vielseitigeren Sound verpasste. Die unglaubliche Virtuosität der einzelnen Akteure und ihre schier unfassbar perfekte Abstimmung aufeinander verleiht ihren hinreißenden Improvisationen mit dem Meister an der Spitze genau den Ausdruck, um den sich andere Bands vergeblich bemühen. Wenn Gov’t Mule aufspielen, weiß man niemals, was geschieht. Kein Konzert gleicht dem anderen, die Bandmitglieder selbst legen erst kurz vor dem Gig ihre Setlist fest. Und wenn es angemessen erscheint, dann ändern sie die kurzerhand noch während des Konzerts. Hab ich schon erlebt.

Seit 2009 folge ich der Spur des Esels, wann immer ich kann. Für mich sind sie längst die Inkarnation der lebendig gewordenen Rockmusik und Warren ist eine Art Musik-Gott für mich geworden. Darum bin ich in den letzten Jahren dazu übergegangen, meine Konzertbesuche bei der Band mit großartigen Städten oder Event-Stätten zu kombinieren, damit aus den Veranstaltungen echte Happenings werden können. Paris, London, Brüssel, Hamburg, Berlin oder Köln sind nur die bekanntesten Metropolen auf dieser Reise, in diesem Jahr freue ich mich auf Antwerpen und Luxembourg. So gestaltet Gov’t Mule die Höhepunkte meines aktuellen Lebens und sie führen mich ganz nebenbei an Orte, wo es sich wahrlich leben lässt.
Warren Haynes, mein Meister, mein musikalischer Held.

Nebenbei hat Warren immer wieder Solo-Projekte eingestreut. 2004 entstand das wunderbare Akustikalbum "Live At Bonnaroo", später in 2011 ein soullastiges Mammutprojekt und die Studio-CD "Man In Motion". Zuletzt hat uns Warren mit seiner Ashes & Dust-Band 2015 mit einem fantastischen Album verzaubert, irgendwo zwischen Roots, Americana und seinen genialen Soloeinlagen. Zweimal habe ich diese faszinierende Band live gesehen, wenn sie den ABB-Klassiker "Jessica" beispielsweise mit einem herrlichen Geigensolo garnieren oder Warrens Mustersong "Soulshine" in einem ganz neuen Gewand präsentieren. Musik für den Sommer, den Strand, das Paradies.

Nun, am 06. April hat er Geburtstag, 57 Lebensjahre zählt er inzwischen. Möge er uns noch lange mit seiner großartigen Musik glücklich machen. Alles Gute für einen der ganz Großen unserer Zunft. Keep on rocking, Warren!

 

»Born on the edge of a lonely town-searching for something no one had
Smart enough to say good-bye to this lonely town
But not smart enough to never look back
Night falls early on these lonely streets-and time rolls by like a midnight train
Innocence in abundance on these lonely streets-but I feel guilty just the same
Now the words that I have written are ringing in my head
Oh,and I think I believe them
A million miles from yesterday and a million more to go
Still I search each day
Trying to find my way home
Dreams die young in a lonely heart-and the past seems to follow close behind
There’s an age old remedy for a lonely heart
But there’s no peace in this soul of mine«

("A Million Miles From Yesterday")

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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4 Kommentare

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  1. Steffen Clauss

    Hallo Michael,

    toller Bericht über Warren,du hast mir von der Seele geschrieben!
    Hab Mule 96 noch im Trio in den USA gesehen und seit 2005 unzählige mal in Europa!Zwei mal hatte ich die ehre als örtlicher Veranstalter in Winterbach,den Warren mit seinen Mulianer zu veranstalten.
    Er ist der netteste,höflichste und genialste Künstler,der mir in 26 Jahren als Veranstalter begegnet ist.Hoffentlich bleibt er gesund und bereichert unser musikalisches Leben noch lange.

    Herzliche Grüße aus winterbach

    1. Michael Breuer

      Hi Steffen,

      Mensch, das ist ja toll, dass Du der Veranstalter von Winterbach bist. 2012 beim ersten Auftritt von Gov’t Mule war ich dort im Publikum, ein unglaubliches Konzert. Warren hat damals wie aufgedreht gespielt, ich hatte immer das Gefühl, dass dort etwas ganz besonderes auf der Bühne abgegangen ist – selbst für Mule-Verhältnisse. Freut mich sehr, auf diesem Wege Deine Bekanntschaft zu machen! Übrigens, ich habe grundsätzlich alle Mule-Konzerte, die ich live gesehen habe, später bei der Band als Download gekauft, Winterbach 2012 hat da ein paar besondere Perlen geliefert, die Versionen von "Time To Confess" und" I’ll Be The One" sind wohl die schönsten, die ich je gehört habe.

      Viele Grüße nach Winterbach,
      Michael

  2. torsten starke

    grüß dich michael,

    hast du schön geschrieben. wir teilen also mindestens eine leidenschaft…rockmusik wie jam rock, mule, allmans plus stoner/psychedelic music. erstaunlich das wir uns noch nicht über den weg gelaufen sind. hier bei rocktimes gibt es ja ein paar artikel über unsere aktivitäten und ich habe immer noch meine digitale visitenkarte hier. musik ist das beste…

    grüße aus falkensee
    torsten

    1. Michael Breuer

      Hi Torsten,

      erstmal vielen Dank! Ich möchte fast wetten, dass wir uns schon mal über den Weg gelaufen sind, nur halt eben unerkannt. Das muss nicht so bleiben!!! Mule schaue ich mir in diesem Jahr allerdings nur in Antwerpen und Luxembourg an, bin aber sicher, dass ich auch dort viele Kumpels eben aus Luxembourg und Schweden (die sind quasi immer und überall dabei) treffen werde. Von Euch hab ich sehr wohl auch schon gehört, nur noch keinen persönlichen Kontakt gehabt. Melde Dich doch mal auf michael@rocktimes.de, dann können wir die Themen vertiefen…

      Viele Grüße aus Duisburg,
      Michael

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