Eine der legendären deutschen, seit mehr als fünfzig Jahren und bis heute noch aktiven Bands ist Guru Guru um den Bandleader und das alleinige Allzeit-Mitglied Mani Neumeier. Nach den ersten, musikalisch sehr aufregenden Jahren in der Trio-Besetzung mit Uli Trepte (bass) und Ax Genrich (guitars) folgte nach einer ersten Band-Auflösung im Jahr 1974 das – vom Bauchgefühl des Rezensenten – Übergangsalbum "Mani und seine Freunde" (1975) mit vielen Gastmusikern, bis ein neuer und für Neumeier sowie die Band sehr wichtiger Musiker der Combo beitrat. Dabei handelt es sich um den Saxofonisten und Gitarristen Roland Schaeffer, der mit Unterbrechung(en) von Mitte der Siebziger bis heute mit an Bord ist. Desweiteren waren damals Tommy Goldschmitt (Tasten) sowie der Bassist Jogi Karpenkiel in der Band. Okay, neues Line-up, neue Musik? Absolut, denn mit den ersten Alben der Gurus ist das 1976 erschienene "Tango Fango" nicht mehr vergleichbar.
Waren speziell die ersten Werke sehr psychedelisch ausgefallen, so hatte sich das auf diesem Album gefundene Quartett deutlich sonnigeren, optimistischeren und fröhlicheren Klängen hingegeben. Was in Fan-Kreisen übrigens nicht unbedingt auf einstimmige Begeisterung traf und auch wenn man sich auf anderen Online-Magazinen umsieht, taucht schon mal die Bezeichnung 'Fahrstuhl-Musik' auf. Was natürlich vollkommen übertrieben ist und lediglich aus einer tiefen persönlichen Enttäuschung geboren sein kann. Hört man sich "Tango Fango" ganz unbefangen und frei von der Vergangenheit an, dann wird man hier von jeder Menge guter Laune, fantastischen Musikern und gefühlter 'Sonne' verwöhnt. Wobei diese ohrenscheinlich so lockeren Stücke alles andere als einfach zu spielen sind, dafür aber großartig in Szene gesetzt wurden.
Das Spektakel startet mit dem extrem gut gelaunten und einem heftigen Schuss Funk versetzten "Tomorrow", bei dem Roland Schaeffer erstmals die Lead Vocals übernommen hatte. Songs wie der gerade genannte, das coole "Banana Flip", "Soba Soave Bossanova" oder "Un, Deux, Trois" schlängeln sich locker und geschmeidig durch die Boxen und versüßen die derzeit unangenehmen Herbst-Abende ganz erheblich. Erstaunt stellt der Rezensent dazu fest, dass der Gitarren-Rhythmus zu Anfang und auch andere Parts des "Salto Mortadella" – möglicherweise unbewusst – stark von der Allman Brothers Band inspiriert sind bzw. waren. Aber dass Guru Guru immer schon bereit waren Grenzen zu überschreiten, stellte stets auch eine große Stärke der Band dar. Die Combo war seinerzeit bei dem legendären deutschen Label Brain unter Vertrag und "Tango Fango" wurde in Conny Planks Studio aufgenommen. Die Produktion an sich haben sich Neumeier und Schaeffer allerdings nicht aus der Hand nehmen lassen, abgemischt wurde die Platte von Petrus Wippel.
"Tango Fango" scheint die Hörerschaft bis heute zu spalten, was unter anderem von meinem geschätzten Kollegen Joe in dessen Review aus dem Jahr 2009 anklingt. So trivial, wie die Scheibe in anderen Magazinen teilweise dargestellt wird, ist sie allerdings keinesfalls. Natürlich klingen diese Tracks komplett anders als beispielsweise "UFO" (1970) oder "Hinten" (1971) oder "Känguru" (1972) oder oder oder, geht man jedoch vollkommen frei an die Sache, dann kann man mit "Tango Fango" sehr viel Spaß haben. Ein fast schon irrwitziger Mix aus Rock, Jazz, Karibik und Fusion. Einziger Kritikpunkt von meiner Seite sind die beiden, mit Sicherheit mit sehr viel Humor in den Backen aufgenommenen, Stücke "Das lebendige Radio" (eine aus mehreren Parts bestehende imaginäre Radio Show) sowie der Titeltrack. Das mag damals sehr lustig gewesen sein, aber Humor altert in der Regel nicht besonders gut. Ist aber natürlich auch Geschmackssache.
"Tango Fango" war sicherlich selbst für Guru Guru ein außergewöhnliches Album und eines, das sich so auch nicht mehr wiederholen ließ. Im Jahr darauf kam dann "Globetrotter", aber dazu später mehr in diesem Theater.
Line-up Guru Guru:
Mani Neumeier (drums & percussion, effects, vocals)
Roland Schaeffer (alto & soprano saxophones, acousic & electric guitars, vocals)
Jogi Karpenkiel (bass, background vocals)
Tommy 'Piedro' Goldschmitt (congas, percussion, background vocals)
Mit:
Sepp Jandrisits (electric guitar, accordion, background vocals)
Ingo Bischof (piano, percussion)
Tracklist "Tango Fango":
- Tomorrow
- Tango Fango
- Soba Soave Bossanova
- Un, Deux, Trois
- Nightbear
- Banana Flip
- L. Torro
- Salto Mortadella
- Das lebendige Radio
Gesamtspielzeit: 43:18, Erscheinungsjahr: 2024 (1976)
Neueste Kommentare