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Human Teorema / Le Premier Soleil De Jan Calet – Digital-Review

Human Teorema / Le Premier Soleil De Jan Calet – Digital-Review

Was soll man sagen? Drei Tracks, eine Website die zeigt, dass die drei Franzosen lieber musizieren, als Zeit und Muse in die Pflege einer Webpräsenz zu stecken, den neuesten Output ’nur' auf schwarzem und 180 Gramm schweren Vinyl veröffentlichen und zwar beim Label Sulatron des Musikers Dave Schmidt – dem » Home Of Psychedelic-Space-Kraut-Electronic-Ja,-Rock«

Das terrain de jeux des Vierers aus Paris ist also klar abgesteckt und bevor jetzt jemand aussteigt weil kein Plattenspieler im Haushalt zur Verfügung steht: "Le Premier Soleil De Jan Calet" ist auch digital zu haben. Das instrumentale Album ist nicht nur das Labeldebüt bei Sulatron Records, sondern auch die erste Langrille der 2012 gegründeten Band, die bis dato 'lediglich' einige EPs unter das Volk gestreut hat. Nach vierjähriger Pause nun Neues aus Gallien.

"Le Premier Soleil De Jan Calet" ist ein Konzeptalbum und handelt von Jan Calet, einem fiktiven Professor für antike Zivilisationen im Rom der 90er Jahre. Es geht um Erkundungen und Visionen auf dieser Reise durch die Zeitalter – kein Stoff also fürs Mainstreamradio und somit sehr gut aufgehoben bei Sulatron Records. Das Quartett startet mit einer Synthesizer-Spielerei, wir hören eine Art Vogelgezwitscher und allerlei Elektronisches, bis Schlagzeug sowie Bass übernehmen und schließlich auch die Gitarre mitmischt. Allerdings kann man nicht behaupten, dass Lord Dunsany schläft, wenngleich der erste Subpart ,"Dunsanian Sleep", von "Onirico" das suggerieren könnte. Ich denke da eher an eine Traumwelt, in der die Fantasien des Lords Achterbahnfahren. Und zwar durch ein Gebirge aus marmornen Statuen. Drums und Bass zeichnen dabei das Bild edler, formschöner und stabiler Figuren, während Gitarre und Elektronik in den Kurven versuchen, die Waggons aus der Traumschiene springen zu lassen.

"Studiis" knüpft genau dort an und die vier Teile der 16-minütigen Psycho-Walze verlangen schon nach konsequentem Zuhören. Das gelingt auch, denn dafür sorgen Rhythmiker (welch ein Ausdruck bei dieser Musik!) mit präziser Wegbeschreibung und die anfängliche Unruhe weicht spätestens in der Oxforder Bodleian-Bücherei. Ob die Seemänner, wie angegeben, abergläubisch sind, überlasse ich gerne den Hörern. Auf jeden fall bietet das Stück von vorne bis hinten eine vielfältige Stimmung, die ab und an schon geräuschvoll dröhnt, dann aber auch fast sphärisch durch den Äther mäandert.  Tastenklänge wie auch Saitenschwirren umfließen den teils blubbernden Tieftöner und die Hiebe des Schlagwerkes. Leicht orientalische Vibes durchziehen die Komposition. Gottlob schiffe ich nicht  abergläubig übers Wasser …

Was kann 16 Minuten psychedelische Dramatik toppen? Genau, 23 Minuten "Spedizione", mit dem Zwischenstopp in  H. P. Lovecrafts Stadt "Céléphaïs" in den Traumlanden. Und es ist in der Tat ein irrer Trip, der teilweise sehr melodische Momente neben den gewohnten Elektronikschwaden und den auch schon mal fast stoisch agierenden Ryhthmikern bereithält. Nach etwa sechs Minuten klärt sich die Luft und ein astreiner Dub pocht aus den Lautsprechern. Schön klar und akzentuiert, bis sich ein leichter Orient-Touch ins Jamaika-Feeling ergießt und dann kommt die Gitarre und durchpflügt die Szenerie.

Die Franzosen zeigen uns, wo der musikalische Psycho-Hammer hängt.  Es ist ein ausufernder, aber nie das Ziel aus den Augen lassender Jam, der mit Synthieklappern das Stadttor von "Céléphaïs" öffnet. Krautig und tastendominiert 'mellotront' es durch die fast melancholischen Gassen der Stadt, bis optimistisch anmutende Klänge die angekündigte "Erneuerung" einleiten.  Die Voyage neigt sich gen Ende und hinterlässt den Reisenden erschöpft, aber psychedelisch runderneuert. Es ist keine leichte Kost, denn Human Teorema ziehen schon eine gewaltige Spur durch die Spähren, aber wer Dave Schmidts Label-Bewohner kennt weiß, dass man sich schon mal Zeit zum Hören nehmen muss und wenn man das tut, kann man diese Mischung aus losgelösten Jams und melodischen Vorgaben genießen.


Line-up Human Teorema:

Tim Girerd-Hengstenberg (guitar, synthesizers [Korg Monopoly + ARP Odyssey])
Alan Charron (bass)
Mathieu Leroy (guitar)
Xabi Irigoin (drums)

Tracklist "Le Premier Soleil De Jan Calet":

  1. Onirico (7:43)
    Dunsanian Sleep
    Les Monts Statuaires
  2. Studiis (15:53)
    Mounting Unrests
    Bodleian Library
    Méjemirande 2
    Sailors Are Superstitious Folk
  3. Spedizione (23:19)
    Alqafila
    Mel Haäl Oudidih
    Céléphaïs
    Erneuerung

Gesamtspielzeit: 46:55, Erscheinungsjahr: 2024

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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