Der Weg vom Zeppelin zum Blue-Note-Jazz
30.05.1993 – in der Eifel war es nachts im Hundehüttenzelt eisig kalt, aber das abschließende Dreigestirn aus Robert Plant, den Black Crowes und Def Leppard entschädigte für alles, auch den vorangegangenen 'Kinderkram' von vermeintlich wenig erfolgsversprechenden Formationen wie den Fantastischen Vier.
Robert Plant promotete sein fabulöses Album Fate Of Nations und hatte einen jungen Gitarristen gleichen Jahrgangs wie der Rezensent, damaliger Zeitzeuge, am Start.
Die Fanta 4 sollten Karriere machen, Innes Sibun und besagter Rezensent hielten sich diesbezüglich eher zurück.
Zwar startete Innes sein Solodebüt 1995 ("Superstitious") sehr vielversprechend mit Beteiligungen solcher Koryphäen wie Howie Weinberg (Ton- und Masteringingenieur), Ben Elliot (Produzent, Toningenieur … Leslie West/Mountain, Peter Green, Mick Taylor, Savoy Brown, Jack Bruce oder Rory Gallagher) und Pete Brown (Texter … u.a. Cream), aber sein Name blieb stets etwas für absolute Nerds und Insider.
Nachdem das letzte Projekt Malone Sibun kurz vor Corona leider unglücklich platziert war, verfolgte er nach der Pandemie einen Faden weiter, den er zusammen mit dem Robert Plant-Bandkollegen Charlie Jones bereits damals angefangen hatte zu spinnen … ein Instrumentalalbum.
Um ehrlich zu sein, für den Rezensenten wäre es deutlich nahegelegener gewesen, diesen Faden seit Anbeginn der Karriere zu spinnen, denn ein Sänger wird aus dem guten Mann in diesem Leben keiner mehr … eine weitere Parallele zum Schreiberling.
Und so liegt nunmehr das tatsächlich erste Instrumentalalbum – mit zwei Ausnahmen – des Protagonisten vor und verlässt nach anfänglichen Startschwierigkeiten ob der etwas unerwarteten Klänge nicht mehr die Schublade des altehrwürdigen Baumarkt-Players.
Innes Sibun hat eine dringende Bitte, zumindest lässt der Titel des Albumeinstiegs darauf schließen, inszeniert mit Slide-Texturen, die überraschend an Derek Trucks oder Sonny Landreth gemahnen und anfänglich orientalischen Flair verbreiten.
Darauf folgt 'der Geistliche', der erstmals unvermutete Jazzaffinität im hervorragenden Saitenspiel offenbart. Diese zieht sich bis auf drei, vier Ausnahmen im Grunde durch das ganze Album und steht dem Musiker, der auch gerne das Werk von Rory Gallagher zelebriert, ausgesprochen gut zu Gesicht. Bei näherer Betrachtung der Persönlichkeit von Innes Sibun fällt auf, dass Wes Montgomery und Joe Pass zu seinen großen Einflüssen gehören und somit wird ein Schuh draus.
Das Frontcover der Silberscheiblette zieren skelettierte Büffelschädel in düsterer, karger Landschaft, während sich auf der Rückseite eine Engelsfigur einer jungen Dame annimmt, alles im düsteren Grau, sozusagen zwischen Himmel und Hölle, mit Tendenz zu letzterer. Es kann nur spekuliert werden, aber vielleicht ist das Sibuns augenblickliche Bestandsaufnahme des Weltgeschehens, die im starken Kontrast zu seinem Familienglück steht, was immerhin dazu führt, dass beide Enkelkinder in zwei Titeln verewigt werden ("Freya’s Smile" & "Inky" = Inka).
Grundsätzlich kommt der musikalische Fluss ohne Stromschnellen daher, spart dafür aber nicht mit Finessen, Zwischentönen und Nuancierungen, die das bisherige Werk des Künstlers eher weniger auszeichneten. Allein die punktuell angedeuteten Zitate weihnachtlichen Liedguts, die sich erst bei mehrmaligen Hördurchgängen nach und nach erschließen und ausgesprochen geschickt eingeflochten sind, stehen für die Überraschungsmomente, die dieses Instrumentalalbum so hörenswert machen. Dabei drängt sich der Protagonist zu keinem Zeitpunkt plakativ in den Vordergrund, wie es bei Werken dieser Art tendenziell immer zu befürchten ist und er stellt seinen exzellenten Mitmusikern genug Raum zur Verfügung, um ebenfalls zur Entfaltung kommen zu können. Bis auf drei Titel hat das seine aktuelle Tourband kongenial umgesetzt, aber auch sein alter Ideenkompagnon Charlie Jones mischt kräftig als Produzent und Bassist mit, gleichfalls John Bagott als Kollege der ersten Stunde (Innes Sibun Blues Explosion, 1991) an den Tasten.
Für die erfreuliche Vielfalt und den Facettenreichtum spricht auch, dass der Blues in zwei von Ex-Partner Marcus Malone intonierten Stücken ("I Found Your Letter", "Let It Go") nicht zu kurz kommt, "Jump For Joy" tendenziell an die Fabulous Thunderbirds gemahnend genau das einlöst, was der Titel verspricht, "Red Beans" mit heftigem Wah Wah-Einsatz ungemein funky groovt und die einzige Fremdnummer ("Sunny" von Bobby Hebb … Cher, Dusty Springfield, Wilson Pickett, The Four Tops, Boney M. …) zunächst als Barjazznummer umgedeutet wird, um dann im Finale furios an Santana zu erinnern.
Fazit:
Vorsicht, nicht frühzeitig wegzappen, sondern bitte mehrere Hördurchgänge gönnen, dies ist ein Paradebeispiel eines Growers!
Nie war Innes Sibun vielsei(ai)tiger unterwegs, lediglich qualmende (Blues)Rockmusik sollte nicht auf dem Wunschzettel stehen. Im Grunde geht das Ding als vollkommen kitschbefreite vorweihnachtliche Ouvertüre durch und klingt als Kirsche auf dem Lebkuchen für heutige Verhältnisse angenehm Kompressionsarm. Allerdings läuft dieser Lebkuchen mittlerweile Gefahr zu zerfließen, da die Nächte vor 31 Jahren zur Kirschzeit kälter waren.
Vielleicht auch ein Grund für die irritierend düstere Covergestaltung.
Line-up Innes Sibun:
Innes Sibun (guitar, keyboard – #1, strings – #3)
Charlie Jones (bass – #5,6,11)
Clive Deamer (drums – #5,6,11)
John Baggott (electric piano – #5,6,11)
Andrew Murphy (rhythm guitar – #5,6,11)
Marcus Malone (vocals – #3,9)
Kevin O’Rourke (drums)
Anders Olinder (hammond organ, piano – #8)
Kevin Jeffries (bass)
Tracklist "The Preacher":
- Incantation (4:38)
- The Preacher (5:44)
- I Found Your Letter (6:43)
- Time Is Tight (4:45)
- Freya’s Smile (6:26)
- Inky (4:48)
- Jump For Joy (3:13)
- Sunny (5:25)
- Let It Go (5:00)
- Red Beans (2:59)
- Time Is Tight (Reprise) (3:58)
Gesamtspielzeit: 53:41, Erscheinungsjahr: 202
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