«

»

End Of Green / Twinfinity – Digital-Review

End Of Green / Twinfinity – Digital-Review

'Back to the roots' ist ja heutzutage meist ein nettes Etikett, um etwas Altes wieder modern zu machen und um es zu hypen. Anders bei den Jungs von End Of Green, die in ihrer mittlerweile fast dreißigjährigen Karriere eine treue Fangemeinde um sich geschart haben und nach diesem Album mit Sicherheit neue hinzugewinnen werden.

Angefangen hat die Arbeit am Album 1995 in der Hochzeit des Grunge und Alternative Sounds, was auch bis ins tiefste schwäbische Ländle wirkte. Das ist die erste Essenz zu dem Sound, der hier entstand. Tatsächlich kam noch eine sehr dunkle Seite hinzu: der Doom und Gothic Metal. Diese Zutaten mischte die Band, die sich End Of Green nannte, in ihren Songs. Auch sehr förderlich, die charismatische Stimme des ebenso charismatischen Sängers und Songwriters Michael Darkness. Tief aus der Gruft mit einem Hauch von Licht, bewegt er seine verschiedenen Timbres und lässt dies geschickt mit einfließen.

Unbedacht mit jugendlichem Wahnsinn, fanden sie sich mit »ungestimmten« Gitarren in den Studioräumen der Nightmare Studios, in der schwäbischen Provinz Fautspach ein und fingen an, diese andauernde Reise zu starten. Eine Reise ins Ungewisse?
Back to the roots deshalb, weil End Of Green dieses erste bedeutende Werk jetzt wieder aufgelegt und komplett neu eingespielt haben, quasi ein Zwilling, der 29 Jahre später auf die Welt kam. "Twinfinity" enthält das Originalalbum "Infinity" aus dem Jahr 1996, damals von Nuclear Blast veröffentlicht, sowie das neu aufgenomme von 2024. "Twinfinity" ist gleichzeitig der Start mit dem neuen Partner Reaper Entertainment.

Da die Band damals selber nicht wusste was sie tat, benannten sie ihr Gemisch als »Depressed Subcore. Nun zur Musik und dem Opener "Left My Way". Dort wird in einen 'Gitarren-warm-up-Jam' hineingefadet, um diesen Flow dann mit einem Schrei voller Wucht in das Stück hinein mitzunehmen. »Where is the sun, where is the light in my mind?«, fragt uns Sänger Darkness gleich am Anfang und bereits da fällt auf, was hier an Power und Besessenheit drinsteckt. Die ganze Kraft, die Energie – das kommt nicht von einer Null-Bock-Generation, die auf Friedhöfen rumhängt.

Trotz der dröhnenden Härte kommt die Melodie in keinster Weise zu kurz. Aus einer Laune heraus kam die Idee, ihre alten Songs neu einzuspielen. Lasst es uns mal probieren, hieß es und so nahmen End Of Green die jetzt positive und nicht zwanghafte Stimmung mit. Ebenso ihre Livestücke, die mit den Jahren mitgewachsen sind  wie Track Nummer zwei, "Away" zum Beispiel. Immer live gespielt, veränderte sich die Nummer in all den Jahren auf der Bühne immer wieder, dadurch hat sich die Länge ein wenig hinausgezogen und der vorhandene Metal an Kraft zugenommen.

Mit dem sehr starken Titelsong "Infinity" treiben sie manch schwarzer Seele ein Tränchen aus dem Auge. So triefend schwermütig der gezupfte Akkord mit dem 'dunklen Schlagzeug' und dem Bass wie ein Nebel der über den Boden liegt, so schwebt ER über Allem – wie ein schwarzer Engel. DARKNESS.
Diese Stimme zieht mich in ihren Bann; hellwach beim hereindröhnenden Refrain, hypnotisierend im Thema. Hier möchte ich gerne den Vergleich mit der Original-Version ziehen. Erstmal ist die Neuinterpretation um fast drei Minuten länger, das betörende Intro wurde gestreckt, das »black winter … NIGHT« wird regelrecht herausgebrüllt. Im Original kommt das ein wenig dünner, was wiederum mit dem fetten Gitrarrensound zwar wettgemacht wird, wodurch jedoch ein wenig von der düsteren Stimmung weggenommen wird. Erinnert mich ein wenig an denn ganz alten Metallica-Sound. Das Grundgerüst wurde damals gelegt, wie ein Diamant behandelt und jetzt zu feinstem Material geschliffen.

Der nächste Höhepunkt ist für mich "Sleep". Fast schon mit Ohrwurmgarantie legen die Gitarristen Sad Sir und Kirk Kerker mit fetten Riff los, über denen eine recht liebliche Keyboard-Melodie liegt. Dieser Kontrast zündet mit der dunklen Stimme, dem leichten Tempowechsel hin zum Metal und das Ergebnis ist eine starke und soliden Rocknummer.
Mit "You" wird noch ein Gang hochgeschaltet. Auch diese Nummer macht einfach mehr Spaß in der neuen Version. Textlich geht es des Öfteren um den Tod, die Zwischenwelt, die Psyche und das reale Leben; und gerade hier wird das Zwischenmenschliche oft hervorgeholt. Dadurch wirkt nicht alles dunkel und träge, denn die Fäden, die die Band zieht, lenken vieles ins positive Licht. So bleiben sie immer im Hier und Jetzt.

Bei "Nice Day To Die" kann sich ein jeder wiederfinden – diesen Zustand der vollkommenen Zufriedenheit haben aber nicht viele und genau dieser Tag wäre der schönste Tag … noch dazu, wenn die Sonne stillsteht und einfriert. Dieser fast schon rockballadenhafte Sound geht tief in die Seele und gibt eine musikalische, warme, herzliche Umarmung.
Dann haben wir noch ein kleines Meisterstück am Schluss! Ein Hauch von Ozzy (solo) und den alten Sabbath, die ja schon im schwäbischen Ländle gespielt haben. Die Chemie dieser Elemente mischte End Of Green zusammen, geben noch ein bisschen mehr Metal dazu und fertig ist "No More Pleasure". Die verschiedenen kleinen Tempiwechsel, die treibenden Drums und Basslinien geben dem Song die nötige Richtung vor und dann kommt der brennende Zwischenteil mit einem sagenhaften Iommi Gedächtnis-Riff. Das hat Power, Speed und die nötige Essenz für die Ewigkeit.
Ich bin echt total begeistert.

Ich habe jeden einzelnen Track verglichen: Original vs. der neueingespielten Version. Klar sind die heutigen Voraussetzungen anders. Die Rohversionen waren so wie sie eben sind und den Möglichkeiten 1996 entsprechend, was den Aufnahmesound angeht, was die damaligen Instrumente betrifft, usw.. Die Jungs waren wild und hatten kein Geld. Heute sind die Soli erwachsener geworden, der Sound fetter, einige kleine Passagen wurden weggenommen oder verlängert. Das Verständnis zum Songwriting ist natürlich nach all den Jahren gewachsen, was hier bestens mit einfloss, vor allem was die Melodiegebung angeht.
Aber wie bereits weiter oben erwähnt, war das Grundgerüst dieser außergewöhnlichen Songs bereits damals schon vorhanden. Das haben diese Jungs gebaut und aufgenommen – Respekt. Dieser rohe Diamant ist letztes Jahr im Studio so geschliffen worden, dass jetzt ein musikalisch glänzendes Werk Namens "Twinfinity" entstanden ist. Dass die Band ebenso live eine besondere Nummer ist, kann man auf der kommenden Tour erleben. Es soll jedes Mal ein über zweistündiges musikalisches Fest sein.


Line-up End Of Green:

Michelle Darkness (Gesang)
Sad Sir (Gitarre)
Kirk Kerker (Gitarre)
Hundi (Bass)
Lusiffer (Schlagzeug)

Tracklist "Twinfinity":

Disc 1 – "Infinity" Re-Recorded

  1. Left My Way (6:00)
  2. Away (5:34)
  3. Seasons Of Black (3:06)
  4. Infinity (9:17)
  5. Tomorrow Not Today 5:47)
  6. Sleep (4:52)
  7. You (5:25)
  8. Nice Day To Die (4:25)
  9. No More Pleasure (4:38)

Gesamtspielzeit: 47:44, Erscheinungsjahr: 2024

Disc 2 "Infinity" Original:

  1. Left My Way (6:02)
  2. Away (5:13)
  3. Seasons Of Black (3:24)
  4. Infinity (6:30)
  5. Tomorrow Not Today (5:39)
  6. Sleep (4:38)
  7. You (5:57)
  8. Nice Day To Die (3:36)
  9. No More Pleasure (4:48)

Gesamtspielzeit: 44:27, Erscheinungsjahr: 1996

Über den Autor

Achim Mayinger

Genres: Beat, Classic Rock, Hard'n'Heavy, Progressive Rock

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>