
Saxon haben es sich gemütlich eingerichtet. Die Marshall-Verstärker komplett mit Bandlogo, dahinter prangt in großen Lettern der Schriftzug der britischen Metal-Legende. Es ist angerichtet und alles sieht nach einem zünftigen Familientreffen aus, denn neben dem Headliner haben sich für diesen Abend die ursprünglich 1984 von Phil Lynott (Ex-Thin Lizzy) gegründete Band Grand Slam und Girlschool mit reichlich Frauenpower angesagt.
Saxon sind geradezu prädestiniert, bei ihren Auftritten auf Bands aus genau dem gleichen Genre zu setzen. So gab es im vergangenen Jahr eine Begegnung mit Uriah Heep und Judas Priest in mehreren ausverkauften Konzertsälen. Davor waren es einige Male die Rocker der 1976 gegründeten Band Diamond Head, die ebenfalls der New Wave of British Heavy Metal, kurz NWoBHM, zugeordnet werden können. Deren Gründungsmitglied Brian Tatler trat 2023 an die Stelle von Paul Quinn, der sich bei Saxon vom Touralltag verabschiedet hatte.
Um es vorweg zu nehmen: Der Musiker, der offiziell nur als Tourersatz verpflichtet wurde, hatte sich hervorragend eingefügt, er setzt die Tradition der starken Gitarrenfraktion bei dem Metal-Flaggschiff in vorzüglicher Weise fort.
Ihm ist es mit zu verdanken, dass der Tourauftritt anno 2025 bei Saxon zu einem Freudenfest wurde.
Die Präsentation der beiden Supports wurde der Erwartung an einen abwechslungsreichen Abend gerecht. Grand Slam legten mit melodiösem Hard Rock los. Dabei war Gründungsmitglied Laurence Archer (63) an der Gitarre, assistiert von Sänger Mike Dyer, Bassist Rocky Newton und Schlagzeuger Benjamin 'Benjy' Reid.
Das Quartett agierte bestens motiviert und hochkonzentriert. Sie hatten Spaß und wurden nach 30 Minuten mit verdientem Applaus verabschiedet. Bei Saxon haben Supports ohnehin einen guten Stand, da sie vom Publikum herzlich aufgenommen werden. Sie gehören eben mit zur 'Familie'. Sie gehören einfach dazu!
- Grand Slam-Bassist Rocky Newton
- Sänger Mike Dyer
- Grüße von der Schießbude: Benjamin 'Benjy' Reid
- Laurence Archer (links) und Bassist Rocky Newton
- Sänger Mike Dyer wirbelte unermüdlich.
Die Besetzung mit Girlschool war nach dem Geschmack vieler Fans. Schließlich liegt das Gründungsdatum beider Bands nur ein Jahr auseinander. 1978 ging die Frauenband an den Start, musikalisch über weite Strecken war der Hard Rock im Fokus. Schon das von RockTimes vier Tage zuvor ebenfalls besuchte Konzert in Erfurt machte deutlich, dass sich viele Besucher zwar auf Saxon eingestellt hatten, der Abend aber nicht selten der erste Livekontakt mit Girlschool war.
Dabei waren mit Sängerin und Gitarristin Kim McAuliffe sowie Schlagzeugerin Denise Dufort zwei Gründungsmitglieder. Seit 2000 mit von der Partie ist Gitarristin Jackie Chambers. Ihr professionelles Auftreten könnte sie glatt als Gründungsmitglied einstufen.
- Jackie Chambers
- Schlagzeugerin Denise Dufort
- Gitarristin Jackie Chambers
- Frontfrau Kim McAuliffe
Olivia Airey spielt den Bass erst im zweiten Jahr bei den Britinnen, die vor allem Spaß auf der Bühne haben und diesen auf das Publikum übertragen. Sie spielen ohne Punkt und Komma, es gibt so gut wie keine Moderation. Der Name der Bassistin war natürlich ein guter Grund, um einmal nachzuforschen. Schon beim ausverkauften Konzert in Erfurt kam die Frage auf, ob es mehr gibt als nur die Namensgleichheit mit dem Deep Purple-Keyboarder Don Airey.
»Er ist mein Onkel«, antwortete die 33-Jährige im erfreuten Ton. War es Stolz oder war sie gar überrascht, als ich ihr in Leipzig im Haus Auensee die Frage im Vorraum zum Saal stellte. Während des Konzertes von Saxon hatten sich die Musikerinnen von Girlschool unter die Besucher gemischt. Noch ein wenig mehr Familienfest-Stimmung. »Girlschool sind die beständigste rein weiblich besetzte Band im Heavy Metal«, schrieb die Zeitschrift "Metal Hammer" in einer Ausgabe vor zwei Jahren.
- Bassistin Olivia Airey
- Olivia Airey
- Kim McAuliffe ist Gründungsmitglied bei Girlschool
14 Alben in 47 Jahren stehen bei ihnen zu Buche, eingeschlossen eine Entwicklung gegen alle Widerstände. »Aber eine Frau, die Schlagzeug spielt, war ein komplettes Unding«, wird Gitarristin Jackie Chambers in einem Interview zitiert. Mit diesem gesunden Selbstbewusstsein haben es die vier Frauen zur Szenegröße geschafft und verkörpern den Metal nach fast fünf Jahrzehnten noch immer als eine Herzensangelegenheit. Neben einigen Besetzungswechseln gab es übergangsweise ein paar stilistische Wechsel. Legendär ist ihre Zusammenarbeit mit Motörhead. Die EP "St. Valentine’s Day Massacre" (1981) wurde gemeinsam mit Lemmy & Co. eingespielt, was naturgemäß zu einer größeren Aufmerksamkeit bei Kritikern und Fans führte. Entsprechend groß war die Begeisterung des Publikums bei ihren Auftritten in Leipzig und Erfurt.
Zwei Stunden nach Konzertbeginn traten schließlich Saxon auf die Bühne. Ihre Hell, Fire And Steel European Tour 2025 hatte vor allem zum Inhalt, das 45. Jubiläum des Klassikers Wheels Of Steel zu würdigen und das Album live zu spielen. Die neun Lieder erklangen aber nicht sofort zu Beginn des Konzerts. Wie Szenekollege Udo Dirkschneider mit seinem Album Balls To The Wall Reloaded, bauten Saxon die neun Titel in die Mitte des Konzertes ein.
Ein erster Block mit neun Tracks, darunter Klassiker wie "Dallas 1 PM", "Solid Ball Of Rock" und "Strong Arm Of The Law", legte schon einmal vor. Das Aufwärmen hatten die Fans also schon hinter sich gebracht. Die Stimmung war ausgelassen bis fröhlich, vor allem breitete sich große Anerkennung vor dem 74-Jährigen Sänger Biff Byford aus. Eine enorme Energieleistung, die in gleicher Weise von den anderen Bandmitgliedern getragen wurde. Doch die Leistung des Frontmannes überstrahlte alles.
Das traf ebenso auf das zweite Studioalbum "Wheels Of Steel" zu. Waren die drei Singleauskopplungen "Wheels Of Steel", "747 (Strangers In The Night)" und "Suzie Hold On" sowie "Motorcycle Man" die bekanntesten Hits, so verkörperten "Stand Up And Be Counted" und "Street Fighting Gang" einen Hauch Motörhead, sodass hier ebenfalls eine spezielle musikalische Erinnerung hätte aufkommen können. Das Album atmete trotz der zeitgemäßen Interpretation den Hauch der damaligen Zeit ein.
Die vier Zugaben "Crusader", "Heavy Metal Thunder", "Denim And Leather" und "Princess Of The Night" sorgten in dieser Reihenfolge für einen Ausklang nach Maß. Das Konzert in dieser Konstellation war ein Erlebnis. Wann bekommt man schon einmal ein Album in kompletter Länge in einem Konzert am Stück zu hören?
Ein Saxon-Konzert wird folglich immer ein Freudenfest mit vielen bekannten Hits bleiben, obwohl längst nicht alle Klassiker gespielt werden können. Doch die 22 Nummern beim Konzertreigen in Leipzig waren eine Verbeugung der Band vor ihren Fans, die ihrerseits ihren Idolen zu Füßen lagen.
- Doug Scarratt (links) und Brian Tatler
- Neuzugang 2023 Brian Tatler
- Doug Scarratt.
- Sang zu 45. Jahren Album "Wheels Of Steel"
- Seit 30 Jahren bei Saxon: Doug Scarratt
- SängerBiff Byford.
- Saxon-Bassist Nibbs Carter
- Biff Byford und die Gitarrenfraktion
- Toller Einsatz für Saxon: Gitarrist Brian Tatler
- Brian Tatler
- Saxon-Frontmann Biff Byford
- Doug Scarratt
Das Phänomen Saxon lässt sich angesichts der Fülle an zeitgemäßen Alben beziehungsweise Liedern nur unzureichend beschreiben. "Wheel Of Steel" lieferte den Beweis, dass die früheren Alben im Hier und Jetzt gut bestehen können.
Ein Dankschön geht an Ute Kromrey von promotör für die Fotoakkreditierung in Erfurt und Leipzig.
Bildnachweis für alle Bilder des Events: © 2025 | Mario Keim | RockTimes
Line-up Grand Slam:
Mike Dyer (vocals)
Laurence Archer (guitar)
Rocky Newton (bass)
Benjamin 'Benjy' Reid (drums)
Line-up Girlschool:
Kim McAuliffe (vocals, guitar)
Jackie Chambers (guitar)
Olivia Airey (bass)
Denise Dufort (drums)
Line-up Saxon:
Biff Byford (vocals)
Brian Tatler (guitar)
Doug Scarratt (guitar)
Nibbs Carter (bass)
Nigel Glockler (drums)
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