Abgesehen von meinen Lieblings-Holländern The Machine stand mir persönlich wohl keine Band jemals so nah wie die Salzburger Truppe von Been Obscene. Am Tag, als ich von ihrer völlig überraschenden Auflösung erfahren habe, hätte ich heulen können. Wir waren gerade auf dem Weg nach Siegen zu einem Space Debris-Konzert, als die Nachricht verbreitet wurde, jenes Siegen, wo wir gerade dabei waren, Been Obscene ins Line-up für das nächste Freak Valley-Festival einzuschleusen. Traurige Tage damals, die mir nur eine gute Woche später beim ersten Keep It Low-Festival in München ganz besonders schmerzlich bewusst wurden. Dort waren Been Obscene eigentlich angekündigt, doch nach dem Split gab es für die verbliebenen Musiker nicht mehr viel zu tun, außer einem bisschen Merch. Da ich zu diesem Zeitpunkt bereits in Bad Reichenhall Urlaub machte, traf ich mich mit Drummer Robert und Sänger/Gitarrist Tommy im nahen Freilassing und wir fuhren gemeinsam zu dem Event in die bayrische Landeshauptstadt, das bei seiner Erstausführung gleichzeitig auch das zehnjährige Bestehen von Stefan Kogleks Label Elektrohasch zelebrieren sollte. Es wurde eine runde und von da an regelmäßig wiederholte Veranstaltung, stand aber unter keinem glücklichen Stern, denn auch Rotor aus der Umgebung von Berlin sagten kurzfristig ab, so dass Stefans Band Colour Haze an diesem Abend gleich zweimal auf die Bühne gingen. Fast hätte es am Ende auch noch My Sleeping Karma erwischt, deren Keyboarder Norman kurzfristig erkrankt war, doch Machine-Gitarrist David Eering sprang ein und ging an den Tasten der Aschaffenburger an diesem Abend sozusagen gleich doppelt fremd.
Robert verkaufte brav seine Band-Utensilien, die ebenfalls eine dramatische Vorgeschichte erfahren hatten. Im großen Hochwasser von 2013, als eben auch die ansonsten so beschauliche Saalach zu einem reißenden Gewässer wurde, war der Keller in Freilassing mit den T-Shirts und Platten von Been Obscene abgesoffen und es bedurfte intensiver Wäsche, um die Dinger wieder sauber zu bekommen. Immerhin, einen Kurzauftritt auf der Bühne erhielt Robert dann doch, denn in "She Said" von Colour Haze hatte er schon bei den Studioaufnahmen die Percussion eingestreut und duellierte sich an diesem Abend mit Manni Merwald aufs Trefflichste. Diese beiden Rhythmus-Monster kochten eine hitzige Suppe wie aus besten Santana-Zeiten, ganz sicher der Höhepunkt des gesamten Festivals.
Dass es danach noch ein unverhofftes und sehr bewegendes Nachspiel mit Been Obscene geben würde, sei schon mal vorab erwähnt – zunächst jedoch soll das Rad der Zeit zurückgedreht werden in die Anfangstage der Salzburger Underground-Helden.
Die Geschichte von Been Obscene hätte bilderbuchmäßig verlaufen können. Schon seit der Schulzeit miteinander befreundet beschlossen die Salzburger Peter Kreyci (lead guitar), Thomas Nachtigal (vocals, guitar) und Philipp Zezula (bass) gemeinsam mit Robert Schoosleitner (drums), der über sein Instrument am Drummers Collective in New York studiert hat, unter dem Namen Been Obscene eine neue Formation für progressiv alternative, Stoner basierte Rockmusik zu gründen. Ein bisschen Art- und Krautrock war auch dabei, als das Debut "The Magic Tabledance" am zweiten April 2010 auf dem Markt erschien. Die Resonanz in der Szene war ausgesprochen positiv, eine solche melodische Melange aus der Welt der tiefen Riffs war man nicht gewohnt. Vor allem erstrahlt auf diesem Erstlingswerk mit "Demons" ein fantastisches, episches Stück Musik, dass in Aufbau, Struktur und Dramaturgie zu einem absoluten Klassiker taugt, erst Recht auf der Bühne. Die Version aus dem Münchener Feierwerk kann man übrigens bei Youtube anschauen, ein wahres Juwel zeitgemäßer Rockmusik.
Großartiges Songwriting, eine angenehm einfühlsame Stimme, krachende Akkorde und wilde Rhythmus-Eskapaden werden schnell zum Markenzeichen der aufstrebenden jungen Salzburger. Und eben die Eule. Die Frage danach hat Phil mir einst in einem Interview mit der Band wie folgt beantwortet: » Wenn man sich das Artwork von unserem Erstling "The Magic Table Dance" genau ansieht, so wird man schon dort fündig werden, was die Eule betrifft. Am Frontcover sitzt klein und zierlich eine Inka Eule auf dem Ast des Baumes. Die Idee war einfach etwas "lebendiges" im Artwork zu haben, ein bisschen versteckt und geheimnisvoll und auch irgendwie zum Album passend. Die Eule hat da sehr gut ins Bild gepasst und so wurden sie dann auch graphisch umgesetzt«.
Hätte ich die Möglichkeiten meines Fußballvereins realistisch eingeschätzt, ich hätte die Bekanntschaft von Been Obscene wohl schon an jenem Abend im Festsaal Kreuzberg gemacht, damals im Mai 2011, als der MSV ins Pokalendspiel gegen Schalke einzog. Vielleicht hätte ich mir die vielen Gegentore ersparen und gleich zur Musik gehen sollen, ich hätte zum ersten Mal »the demons« aufsteigen hören und sehen können, »the demons from the west«. Hätte, hätte, Fahrradkette – sagen sie hier bei uns im Ruhrpott.
So dauerte es eine Weile, bis dieser Song in meine persönliche Hall Of Fame der Stoner-Songs aufsteigen konnte, wo er bis heute wohnt.
Es war die Release-Party zu "Night O’Mine" im Rockhouse Salzburg, die mich endlich und endgültig mit der Band verbandelte, ein paar Monate nach dem Auftritt in Berlin. Been Obscene drehten für die Veranstaltung mächtig auf und lieferten mit Katapher und Plastic Monroe gleich zwei Vorbands, bevor sie selbst die Bühne enterten. Die Stimmung war Klasse – kein Wunder, wenn die Lokalmatadore in den Ring steigen. Das galt aber nicht nur für die Fans, sondern auch auf der Bühne ging ordentlich der Punk ab und wir bekamen quasi das volle Programm der Obszön-Gewesenen. Besser noch, für drei gemeinsame Nummern verstärkte Stefan Koglek von Colour Haze und gleichzeitig Label-Boss der Salzburger heute Abend das Quartett und wir bekamen ein Brett aus drei Gitarren um die Ohren gehauen. Hey, und das Rockhouse mit seiner grottenähnlichen Gestaltung ist eh schon sehr laut. Das Zipfer Bier floss reichlich und am frühen Morgen zurück in meiner Behausung entstand jener schräge Kult, der fortan meine nächtlichen Ausflüge ins Rockhouse begleiten sollte. Gegen fünf Uhr morgens gönnte ich mir eine einheimische Spezialität, Brühe mit einem Kaspressknödel. Wer’s nicht kennt: Sehr zu empfehlen. Später kamen die Pofesen oder Powidln noch dazu, eine Art süße Arme Ritter (Tipp von Robert!).
Stefan Koglek war auch der Ausgangspunkt für die nächste Begegnung, wieder im Rockhouse. Nachdem Colour Haze im September 2012 endlich ihr lang erwartetes und hoch bewertetes Doppelalbum "She Said" auf den Markt gebracht hatten, stand die XXL-Tour an. Ein Name, der wahrlich zutrifft, denn Colour Haze spielten auf die Minute genau drei Stunden ein Feuerwerk aus technisch brillanter, hoch energetischer Stonermusik, völlig konträr und sehr sanft eingeläutet von Saturnia mit sphärisch psychedelischen Klängen. Doch als die After-Stage-Party anlief, da betraten Been Obscene die Bühne und legten ein fantastisches Konzert hinein in die laue Salzburger Nacht, die zu meinen schönsten Erinnerungen in der Stonerszene zählt. Das Rockhouse Salzburg ist eh meine Lieblings-Location.
Das Ticket für diese Veranstaltung habe ich mir übrigens an meinem 50. Geburtstag vor Ort gekauft und das ist seltsamerweise in der Nacht im Strudel der Zeit verloren gegangen. Schade, wo ich diese Dinger doch eigentlich aufbewahre. Kismet, gebraucht hätte ich es eh nicht, beide Bands hatten mich unabhängig voneinander akkreditiert – Vorteil dessen, der schreibt.
Zum Ende des Jahres hatte ich eigentlich eine Audienz beim X-MAS-Ride von Been Obscene in München fest im Visier, eine Grippe machte mir einen Strich durch die Rechnung. Für die Band war die kurze Tour dennoch eine gute Erfahrung, gingen sie doch gemeinsam mit den Truckfighters auf die Runde, der wohl abgefahrensten Combo aus nordischen Landen, die ich je gesehen habe. Der Umgang mit diesen Jungs soll nicht immer ganz einfach gewesen sein.
Für Been Obscene hingegen war dies nur der Auftakt zu einem weit größeren Abenteuer, denn im Februar 2013 ging die Band für etliche Konzerte auf transatlantische Reise. Quer durch die USA zu touren ist für viele Bands sicher ein Traum, vier junge Herren aus Salzburg schafften dies nach nur zwei Alben. Respekt.
Dann wieder schien es fast so, als wären die Geschicke von Been Obscene und Colour Haze auf ewig miteinander verknüpft, denn beim nächsten Treffen in Stuttgart spielten beide wieder mal auf einer Bühne. Ich erinnere mich noch gut an Roberts Erzählungen über die Rekordreise. Drei Stunden von Salzburg nach Stuttgart, mit Band und Equipment, »next destination Salzburgring«, würde ich sagen. Bei dieser Veranstaltung war ich übrigens mit ein paar Schnullern bewaffnet, war mir doch bekannt, dass im Hause Colour Haze zwei neue Erdenbürger kurz vor ihrem Premierenauftritt standen. Manni lachte später: »Nein mein Freund, die brauch ich nicht, wir haben noch welche vom ersten Kind!« Philipp war zu diesem Zeitpunkt schon verschwunden, so hab ich die Dinger wieder mit heim genommen und später hat sie ein Kollege geerbt.
Wenige Wochen später trauten sich meine Salzburger Freunde auch in meine heimischen Gefilde, genauer gesagt in die Nähe derselben. Im Kölner Underground gab es ein gemeinsames Konzert – nein, nicht mit Colour Haze – dieses Mal mit Mattes My Sleeping Karma. Die hatten allerdings erst einmal mit den Verkehrsbedingungen zu kämpfen und blieben prompt auf der Autobahn liegen. Nicht jeder hat einen Bleifuß wie Robert Schoosleitner in der Band.
Wir genossen diesen gemeinsamen Abend ganz und gar ohne Stress, vor allem auch deshalb, weil mein damaliger Schreiberkollege und MSK-Fan genau wie ich als Been Obscene-Anhänger an diesem 30. April 2013 keinerlei berichtende Aktivitäten entfalten, sondern einfach nur mit den Freunden abhängen wollten, wie man das ja heute so schön nennt.
Wenige Tage später begann für mich eine mehrmonatige, familienbedingte musikalische Latenzphase, die im Grunde erst mit der eingangs geschilderten Entwicklung kurz vor dem Keep It Low 2013 endete, eben genau da, wo eigentlich auch die Geschichte von Been Obscene endet.
Aber eben nur eigentlich!
Zunächst bitte ich aber zu entschuldigen, dass ich über die Hinter- und Beweggründe, die zur Trennung führten, grundsätzlich nichts sagen werde – eben nur so viel, wie es damals auch offiziell verkündet wurde. Peter hat demnach seinerzeit kurzfristig erklärt, nicht mehr zur Verfügung zu stehen und Robert, Tommy und Phil waren sich einig, ein funktionierendes Konstrukt nicht unter neuen, anderen Bedingungen fortführen zu wollen. Welche emotionalen Begleitumstände ein solches Geschehen mit sich bringt, kann sich sicher jeder selbst ausmalen.
Für das alljährliche Winterfest in der Kunst- und Kulturstadt Salzburg war Been Obscene mit einem Unplugged-Konzert im großen Zirkuszelt des Volksparks angekündigt und für diese Veranstaltung beschloss man, ohne den ausgestiegenen Peter und dafür mit einem befreundeten Gitarristen, Stefan, noch ein letztes Mal gemeinsam zu spielen.
Eine eigenartige Atmosphäre umfing mich schon, als ich am Vorabend des Sylvesters 2013 zu Fuß vom Mirabell-Garten hinüber zum Volkspark wanderte und an all die schönen Stunden mit der Band denken musste. Freunde, Verwandte, Fans, sie alle waren noch einmal gekommen. Viele hatten Geschenke mitgebracht. Die urig gemütliche Atmosphäre in der großen Zirkuskuppel tat ihr Übriges, ein genialer Hort für akustische, mitreißende Musik – ja, wenn es nicht das Abschiedskonzert sein würde.
Nun gut, die Jungs haben trotz enormer emotionaler Belastung einen fantastischen Job abgeliefert und ihre herrlichen Songs auf ganz neue und spannende Weise vorgetragen. Schon damals fiel es mir schwer, die Gedanken und Gefühle zu so einem Ereignis in Worte zu fassen, dennoch möchte ich eine kurze Passage dazu auch an dieser Stelle wiedergeben:
»Je später der Abend voran schritt und je weiter sich das Konzert entwickelte, desto mehr geriet das begeisterte Publikum in einen Rausch – so wie es die Jungs auf der Bühne vermutlich auch für sich empfunden haben. Es war eben diese Atmosphäre aus historischer Bedeutung, dem Zauber des Moments und dem großen Können derer dort auf den Brettern, verbunden mit dem fast mystischen Geist solch unverstärkter Musik, die am Ende alle Beteiligten davon fliegen ließ. Stehende Ovationen, ein tobendes Zelt und vier bewegte Musiker waren am Ende das Produkt dieser zwei Stunden für die Ewigkeit. Uneingrenzbare Glücksgefühle und die ewige Melancholie eines erzwungenen Abschieds verbanden sich zu einem einzigartigen Gefühl, das wir alle miteinander teilten«.
Das Konzert wurde später bei Elektrohasch auf Vinyl gebannt und kann dort immer noch erworben werden.
Mit diesen Momenten endete die Geschichte der Eule, die sich einst aufmachte, zum König des Österreichischen Undergrounds empor zu steigen. Sie war ein prächtiges Tier und es schien kein Ziel zu hoch, kein Horizont zu weit. Doch auch bestens harmonierende und eng befreundete Musiker sind nicht davor gefeit, dass Menschen sich entwickeln und es gibt eben keine Garantie dafür, dass vier individuell verschiedene Charaktere auf ewig auf denselben Pfaden unterwegs sein werden. Auch, wenn wir uns alle das gewünscht hätten.
Was bleibt ist die Erinnerung. An eine großartige Band, die dem Begriff Stoner eine gehörige Portion kunstvoll melodischer Harmonien geschenkt hat wie kaum ein anderer; an vier tolle Musiker und liebenswerte Freunde, mit denen ich eine gute Zeit erleben durfte. Auch wenn die Eule nicht mehr fliegt, in meinem Herzen lebt sie weiter – ach ja, und ein paar steinerne und hölzerne Abbildungen verstecken sich immer noch irgendwo in meinem Heim. Man muss ein bisschen suchen, sie zu entdecken. Genau wie damals auf der Platte, als alles anfing…
Line-up Been Obscene:
Robert Schossleitner (drums)
Tommy Nachtigal (vocals, guitar)
Phil Zezula (bass)
Peter Kreyci (guitar)
Discographie:
The Magic Tabledance (2010)
Night O’Mine (2011)
Unplugged (2013)
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