Es war wohl ein denkwürdiger Abend, damals am 21. November 1982, als »Hamburgs beste Band« die Bandauflösung mit einem Abschiedskonzert in ihrem »Wohnzimmer«, der Hamburger Fabrik, feierte. Und diese, 1982 bei Line Records erschienene, Show hat Sireena nun auf digitale Tonträger gepackt und somit die CD-Auswertung von Bad News Reunion-Alben komplettiert.
Im Gegensatz zu den Fans, die 1982 auf dem Abschiedskonzert waren – und das waren viele, denn die Fabrik war mit 1400 Besuchern proppenvoll, ja, auch vor der Location feierten 600 weitere Fans mit – wissen wir heute, dass es kein finaler Abschied war. Die Band trat immer mal wieder auf und brachte 1997 (Just One Night) und 2014 (Lost & Found) auch Platten heraus. Im September wird Bad News Reunion im Hamburger Downtown auch wieder live zu erleben sein.
Schon immer spielten die Musiker neben eigenem Material – gute Songschreiber sind ja zur Genüge im Line-up – gerne Coversongs und das in absolut toller Qualität. Musikalische Herkunft oder auch Vorlieben der Protagonisten sind Blues, Blues Rock und Westcoast. Und das spürt man auch in den Interpretationen, eine ungeheure Lässigkeit steckt selbst in den Blues-Klassikern. Und auch viel Freiraum sowie Eigeninitiative. Da gibt es z. B. ein herrliches, Wah Wah-veredeltes Gitarrensolo in "The Thrill Is Gone" sowie ein footstampin'-Erlebnis bei "Key To The Highway" – zu überschäumender Gitarre und Orgel rattert die Rhythmusmaschinerie wie eine unter Vollast stampfende Dampflokomotive. Wenn dann die beiden Elektrischen miteinander ’sprechen' kann man sich vorstellen, dass an diesem Abend vor 25 Jahren Feuer in der Fabrik war.
Über die Reputation der Musiker zu sprechen, erspare ich mir, denn die Namen dürften bekannt sein. Abi Wallensteins Stärken kommen hier voll zur Geltung, auch was ein Peter Urban an der Orgel zu leisten vermag, ist bei dieser Show klasse dokumentiert. Neben handwerklichem Geschick wird bei Stücken wie "Without Lies", "Breakaway Blues" oder "Our Old Song", um mal drei Nummern zu nennen, auch die Klasse des Songwritings sicht- bzw. hörbar.
Die Setlist ist perfekt, denn die Mischung aus Blues, Westcoast und Rock lässt niemals stilistische Langeweile aufkommen. Die Lässigkeit, mit der die Band agiert, ist in jeder Note spürbar. Da mutieren Songs wie "Country Comfort" und ganz besonders "Like A Hurricane" zu wahren Jam-Monstern. Gerade die Young-Nummer ist eine Sternstunde einer Coverversion. Leichtes Uptempo zu Beginn mit wieder herrlichen Orgelschwingungen. Dann startet die Gitarre und eröffnet den viele Minuten dauernden Wahnsinn. Ein Break drosselt das Tempo, die Tasten übernehmen, die Gitarre hackt sich etwas ein, führt dann träumerisch das Geschehen an, der Rest der Truppe mischt sich dazu und dann wird gejammt, was das Zeug hält. Jesses, da müssen 2000 Augenpaare getränt haben. Was für eine Hammerversion, zwölf Minuten lang und was für eine Tragödie, dass diese Band den Hamburger Raum kaum verlassen hat!
In die gleiche Kerbe schlägt die Version des Traditionals "Sugar Mama". Dieser Blues wird dreizehn Minuten lang wahrlich zelebriert. Dass sie den Rock’n’Roll ebenfalls beherrschen, beweist "Long Tall Sally". Der flotte Rocker zeigt auch die Interaktion mit den Fans und mit Sicherheit wurden da auch einige Liter Astra vor der Bühne verschüttet. Etwas erstaunt hat mich allerdings, dass eine Nummer wie "Stay" im Programm stand. Zu diesem Stück gehört zum einen für mich "The Load-Out" unbedingt dazu – die beiden Songs gehören einfach zusammen wie eineiige Zwillinge. Zumindest dann, wenn Jackson Brownes Album Running On Empty zur ewigen Bestenliste des Rezensenten gehört. Zum anderen ist der Falsettgesang nicht die Stärke des Mannes am Micro. Allerdings ging bei diesem Track die Show dem Ende entgegen und wenn dann die Fans lauthals »people stay just a little bit longer – we want to play, just a little bit longer« mitsingen, dann hat "Stay" schon seine Berechtigung.
Als Fazit bleibt zu sagen, dass dieses, gottlob doch nicht finale, Abschiedskonzert ein besonderer Leckerbissen im Portfolio der Band ist. Die Spielfreude der Musiker sowie die Begeisterung des Publikums sind in jeder Minute zu spüren. Wer kann, sollte sich die Truppe am 30. September in Hamburg unbedingt reinziehen. Ansonsten gibt es ja die Möglichkeit, "Last Orders Please!" als Livebesuch-Ersatz aus dem Regal zu ziehen.
Line-up Bad News Reunion:
Michael Schlüter (lead vocals, acoustic guitar)
Abraham Wallenstein (lead vocals, electric guitar)
Jochen Brückner (harmony vocals, acoustic guitar, lead vocals)
Karsten Hook (electric guitar, lead vocals)
Peter Urban (keyboards)
Tom Garn (bass)
Holger Zülck (drums)
Gäste:
Christoph Bunke (bass – CD 1 #8)
Reinhard Lehmann (drums – CD 1 #8)
Tracklist "Last Orders Please!":
CD1:
- Like A Rolling Stone
- Without Lies
- The Thrill Is Gone
- Country Comfort
- Key To The Highway
- Breakaway Blues
- Our Old Song
- Reis-Medley: Everybody Needs Somebody To Love / Watcha Gonna Do About It?
CD 2:
- Sugar Mama
- Long Tall Sally
- Stay
- Revival
- It Takes A Lot To Laugh, It Takes A Train To Cry
- Like A Hurricane
Gesamtspielzeit: 46:58 (CD 1), 47:33 (CD 2), Erscheinungsjahr 2017 (1982)
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