Cachemira sind ein junges Power-Trio und stammen aus Barcelona, aber ihre Musik scheint direkt aus den endlosen Weiten der Wüste wie ein Wirbelwind zu uns zu kommen. Denn das muss ich schon vorweg nehmen, auf "Jungla" geht mächtig die Post ab. Dass die Band das Album weitgehend live und analog eingespielt hat, gibt der Musik noch mehr raue Härte und Authentizität.
"Ouverture": Eine fast sanft reflektierende Gitarre kreiselt über den staubtrockenen Ebenen der Wüste hinweg, nur ab und an von ein wenig Blech-Gestreichel umtanzt, bis die Drums und der Bass mit zunehmender Härte in die Riffs hintreiben, die mir als Freund der Stonermusik so vertraut und willkommen sind. Ein herrlicher Steigerungslauf, der die Facetten dieser Musik perfekt zur Geltung bringt. Zuletzt gibt es noch eine kurze, eher songtypische Passage mit Gesang und einem bluesigen Drive. Wow, das nenne ich mal einen Auftakt, und ganz tief drinnen in mir werden ein paar Reminiszenzen an die Holländer von 3 Speed Automatic wach. Die sind ja leider schon lange Geschichte.
Wachgerüttelt und weich geklopft gleiten wir in das herrlich jamartige "Sail Away", das irgendwie aus einer Zeitblase zu stammen scheint. Wilder, treibender Gitarrenrock wie aus Zeiten von Jimi oder Cream, aber garniert mit eben diesem knartzig dröhnenden Wüstensound. Düster ohne Ende. »Dunkelheit umfing den Dude. Dunkler als der Allerwärteste eines schwarzen Stiers in einer mondlosen Prärie-Nacht.« So wird das bei "The Big Lebowski" beschrieben und irgendwie passt Cachemiras Musik ganz prima in dieses Stimmungsbild. Heftige Breaks mit schönen gedehnten Passagen saugen den geneigten Zuhörer auf und lassen ihn kreisen.
Jamartig geht es weiter, erst mit einer kurzen Attacke und einem höllenmäßigen Affenzahn-Tempo, dann aber mit deutlich weniger PS und schönen, meditativen Klängen. "Ancient Goddess" bremst ein und bezieht die Spannung aus der aufgebauten Intensität. Die mitreißenden Licks von Gaston haben einen hohen Wiedererkennungswert, die Rhythmusabteilung befeuert subtil und immer dem Duktus des Songs angemessen die zirkulierenden Soli. Effekte wie der gute alte Wah Wah lassen immer wieder Zweifel an der Richtigkeit des Erscheinungsjahres aufkommen. 2017? Ehrlich? Ein engagiertes Drum-Solo beendet diese geile Nummer. Da kocht der psychedelische Blues Rock.
Bis hierhin läuft der Fahrplan perfekt, und das weiß ich als Eisenbahner besonders zu schätzen.
Das Titelstück eröffnet mit einer kleinen Improvisation, die fast vom legendären Kanadier Jeff Healey stammen könnte, doch sogleich jagen wir in eine wilde Improvisation, die recht bald fast schon jazzig unterbrochen wird. Ein geiles Freak-Out mit bestem Heavy-Psych-Blues, wie ihn meine Freunde von The Machine so trefflich beherrschen, lässt mich innerlich abrocken bis nach Arizona. Gut die Jungs stammen aus Spanien, aber der Fuzz geht ab, als würde er dem öden heißen Wüstenböden wie die Kakteen entwachsen, mit denen sich die Band in ihrer Bio haben ablichten lassen. Zum Ende hin verliere ich ein bisschen den Faden, denn mehr und mehr treibt die Band die wüste Improvisation in ein rhythmisches Inferno. Das wird treffsicher vorgetragen und verlangt ganz bestimmt eine Menge Konzentration von allen Beteiligten. Zwischenzeitlich hat man aber kurz den Eindruck, als würde "Jungla" zum Höhepunkt hin in eine Art unabhängiges, gleichzeitiges Improvisieren ausarten. Wenn man es ein paarmal gehört hat, legt sich jedoch der anfangs fast kakophonische Eindruck dieser abgefahrenen Passage und es erschließt sich die enorme psychedelische Dynamik. Wild und verschlungen, wie der Dschungel nun mal ist – denn "Jungla" heißt nichts anderes als Dschungel.
Insgesamt bieten uns Cachemira ehrliche, wild virtuose und gnadenlos nostalgische Rockmusik mit hohem Spaß-Faktor. Das muss wunderbar abgehen, wenn Gaston auf der Bühne zu seinen ein bisschen an den Meister Jimi erinnernden Soli ansetzt, genauso, wie er es im letzten Song "Overpopulation" noch einmal blendend heraushaut.
Beim Titelstück warne ich aber vor Verrenkungen und Zerrungen, wenn da versucht wird, alle rhythmischen Nuancen zu erfassen und mitzugehen. Vielleicht sollte man sich an der Stelle lieber auf die gute alte Urschrei-Therapie besinnen. Das schont den Nacken und kommt dem musikalischen Steigerungslauf von "Jungla" eigentlich recht nahe.
Line-up Cachemira:
Gaston Lainé (guitar, vocals)
Pol Ventura (bass)
Alejandro Carmona (drums)
Tracklist "Jungla":
- Ouverture
- Sail Away
- Ancient Goddess
- Jungla
- Overpopulation
Gesamtspielzeit: 30:51, Erscheinungsjahr: 2017
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