Nach einem Gespräch mit Peter Bursch über die Bröselmaschine, ihre Geschichte und ganz besonders das neue Album "Indian Camel" befassen wir uns im zweiten Teil des RockTimes-Interviews mit Peters zusätzlichen Aktivitäten, somit weiteren musikalischen Projekten und vor allem auch seiner Rolle als erfolgreicher Autor.
RockTimes: Kommen wir noch ein wenig zu Deiner Person. Du giltst als DER Gitarrenlehrer der Nation, empfindest Du das als ein Stigma, welches von Deiner Musik ablenkt oder macht es Dich eher stolz?
Peter: Na klar bin ich stolz darauf. Es ist schon eine Ehre, wenn einem ein solcher Titel verliehen wird. Vor allem aber hat mich das unabhängiger gemacht.
Scheinbar ist die Eigenschaft, anderen einen komplexen Sachverhalt einleuchtend erklären zu können, ein natürlicher Teil von mir. Das war eigentlich schon immer so. Schon als Jugendlicher konnte ich halt gut erklären. Ich erinnere mich an meinen Mathe-Unterricht, da hieß es dann oft: Bursch, geh mal vor an die Tafel und erkläre uns das. Anscheinend habe ich eine eigene Art, Sachen darzustellen, so dass andere es besser verstehen.
So war das dann auch bei den Büchern. Ich bekomme heute noch Zuschriften von Lesern, die sich bedanken und erklären, bestimmte Sachverhalte bei mir zum ersten Mal richtig verstanden zu haben. Das erlebe ich sogar auf den Festivals, wenn Leute aus anderen Bands zu mir kommen und zugeben, dass sie das Gitarrenspiel mit meinen Büchern erlernt haben. Rudolf Schenker von den Scorpions ist so ein Beispiel, Kuddel von den Toten Hosen ein anderes.
RockTimes: Man sagt gemeinhin, dass eine Arbeiterstadt den perfekten Nährboden für Blues und Rock’n’Roll darstellt. So gesehen passiert in der Duisburger Clubszene eigentlich viel zu wenig, oder?
Peter: Nein, das siehst Du falsch. Es gibt eine Menge Aktivitäten diesbezüglich in unserer Stadt, nur steigen die Blues-Events bei uns beispielsweise meist als Session, egal ob im Steinbruch oder im Grammatikoff. Und es gibt diverse andere Clubs, die auch regelmäßig ein spannendes Programm anbieten. Gibt es eigentlich diesen genialen kleinen Club im Norden noch, das Red Rooster?
Anmerkung der Redaktion: Nein, leider nicht, das Red Rooster hat vor ein paar Jahren geschlossen, war aber ein tolles Beispiel für einen mit viel Liebe geführten kleinen Musikclub, der letztlich an den wirtschaftlichen Begleitumständen gescheitert ist.
RockTimes: Neben Deinen Vorträgen arbeitest Du auch viel mit Jugendlichen an Projekten, da hab ich Dich mal im Steinbruch (Duisburger Location) gesehen.
Peter: Das war bestimmt beim Euro-Rock. Das ist eine wiederkehrende, jährliche Veranstaltung, die ich ins Leben gerufen habe. Im Kern geht es darum, Jugendliche bzw. junge Erwachsene aus ganz Europa, genau genommen aus Duisburgs Partnerstädten zusammenzuholen. Diese Menschen hätten sonst finanziell nie die Gelegenheit, sich in ihrer europäischen Nachbarschaft umschauen zu können. So lernen sie neue Leute kennen, andere Gebräuche und Kulturen. Und sie lernen voneinander. Ich mixe die Teilnehmer zu Bands und sie erhalten den Auftrag, binnen einer Woche neues Material zu schreiben und zu spielen. Du kannst Dir nicht vorstellen, was da für unglaublich faszinierende Songs entstehen. Wir schneiden diese Sachen mit und bringen sie auf CD, auf meiner Website findet man näheres dazu. Das macht unglaublich viel Spaß und ich selbst lerne dabei auch immer wieder Neues.
Übrigens, der Euro-Rock besteht nun auch schon seit 25 Jahren und ist, soweit mir bekannt ist, in Deutschland bis heute einmalig.
RockTimes: Aber in Deiner Gitarrenschule geschieht auch eine Menge, oder?
Peter: Na sicher, gerade in diesen Tagen bieten wir einen Blues-Workshop an, den hält kein geringerer als Henrik Freischlader ab. Das Ding war ganz schnell ausverkauft und ich freue mich sehr, dass so ein renommierter Musiker wie Henrik sich dazu bereiterklärt hat. Ich bewundere seine Art, Musik zu machen, toll, dass er sein Wissen bei uns weitergibt. (Anmerkung der Redaktion: Der Workshop fand statt am 27. und 28.05.2017 in Peters Gitarrenschule in Duisburg-Duissern).
RockTimes: Stichwort Rockmusik. Wir haben hier bei RockTimes im letzten Jahr viel diskutiert, ob man solche Klassiker wie "The Wall" oder "Tommy" heute noch schreiben kann. Da stellt sich mir die Frage, wo Rockmusik heute überhaupt steht im kulturellen Spektrum. Hat sich viel verändert in den letzten 40 Jahren, oder?
Peter: Vor allem habe ich das Gefühl, alles ist viel weiter gefasst und immer mehr gewachsen. Es gibt eine unglaublich hohe Zahl an jungen Bands, und eben auch immer wieder werden neue Bands weltweit populär. Denke an Ed Sheeran. Wer hätte früher gedacht, dass in der heutigen Zeit ein einzelner Kerl mit seiner Klampfe auf die Bühne geht und damit an mehreren Abenden hintereinander das Wembley-Stadion füllt.
Natürlich hat jedes Jahrzehnt seine eigenen Ereignisse und besonderen Köpfe. Besonders eben auf die Köpfe kommt es an. Wenn es eine Möglichkeit gibt, Epochales zu tun, brauchst Du auch die Leute dafür. Pink Floyd hatte solche Leute und ihr "The Wall" war eben so ein Beispiel, was man machen kann, wenn man es kann.
Das ist ja das Faszinierende daran. Musiker sind besonders offen für die Dinge ihrer Umwelt und wagen vielleicht auch mehr als andere, denn sie freuen sich auf etwas Neues, während andere vielleicht sogar Angst davor haben. Das ist das großartige an der Musik überhaupt, die damit in der Lage ist, Dinge zu zeigen und zu präsentieren, wie es andere Menschen, Medien oder sonst wer niemals könnten.
RockTimes: Du hast ja Deine Antennen nicht nur auf dem heimischen Markt auf Empfang, sondern warst ja auch viel in der Welt unterwegs?
Peter: Das stimmt. Als wir damals in den Staaten unterwegs waren, habe ich viele faszinierende Leute kennengelernt, unter anderem eben auch David Lindley und Ry Cooder. Von solchen Menschen kann man unglaublich viel lernen. Aber eben nicht nur musikalisch. Die Amerikaner zelebrieren ihre Konzerte völlig anders als wir. Wenn wir selbst spielten, waren wir zu einhundert Prozent auf uns selbst konzentriert, wir haben uns nur auf das fokussiert, was wir rüber bringen wollten. Die Amerikaner sind völlig anders, die wollen ihr Publikum unterhalten. Die performen im wahrsten Sinne des Wortes.
Vielleicht liegt das ja auch daran, dass man in Amerika in mancherlei Hinsicht sehr viel lockerer mit der Musik umgeht als hierzulande. Ich erinnere mich, dass ich in den Siebzigern mal ein Interview beim WDR hatte und im Verlauf dessen einen Song auf der Gitarre spielen wollte. Oh Mann, das war ein Problem. Da musste erst mal eine Studio-Atmo aufgezeichnet werden, alle waren in heller Aufregung. Als ich später mal in New York zu einem Live-Interview geladen wurde, da ging das völlig anders ab. Die Sendung lief bereits und der Moderator, der ganz nebenbei auch noch die Werbung vortrug, begrüßte mich freundlich und voller Lässigkeit. Musik live im Studio? Na klar, sehr gerne, gar kein Problem.
Verrückt waren auch die Erfahrungen auf einer Tournee mit Uriah Heep Anfang der Siebziger. Die hatten damals bereits eine professionelle PA und ein Mischpult mitten im Saal. Zu dieser Zeit war das für uns wie der Besuch auf einem fremden Planeten.
Wir haben viel gelernt in dieser großartigen Zeit.
RockTimes: Und Du hast Jimi Hendrix live gesehen, nicht wahr?
Peter: Oh ja, wir standen damals hinter der Bühne, als Jimi auf Fehmarn spielte. Wir sollten damals mit der Bröselmaschine eigentlich auch spielen, aber dazu kam es nicht mehr, weil schon vorher irgendwer mit der Kasse durchgebrannt war. Das war damals eine ziemlich chaotische Veranstaltung. Aber Jimi war einfach großartig.
RockTimes: Beim Klassik Open Air in Duisburg habt Ihr mit der All Star Band vor fast 10.000 Menschen gemeinsam mit klassischem Orchester und klassischen Chören gespielt. Das war doch sicher ein ganz besonderes Erlebnis, oder?
Peter: Oh ja, das war es, einfach einzigartig. Und weil es so toll war, wird es sich in diesem Jahr wiederholen. Beim Haniel Klassik Open Air steht dieses Jahr das Motto Russland an. Es wird zunächst wieder ein rein klassisches Konzert von etwa zwei Stunden geben, dann kommen wir mit der All Star Band dazu. Soviel sei schon mal verraten: Wir spielen "Back In The USSR" und natürlich auch "Wind Of Change" und zu der Beatles-Nummer wird es ein gigantisches Feuerwerk geben. Bei gutem Wetter werden sicher wieder 10.000 Menschen den Opernplatz besuchen.
RockTimes: Wenn Du einen Wunsch frei hättest für die Band, was würdest Du Dir wünschen, was wäre Dein Brösel-Traum?
Peter: Das ist relativ einfach. Ich würde wahnsinnig gerne noch einmal ein paar große Festivals wie zum Beispiel Glastonbury mit der Bröselmaschine spielen. In Roskilde waren wir ja schon mal, das war wirklich gigantisch.Wer weiß, vielleicht klappt’s ja.
Einwurf Peter: Hey Michael, sollte ich an dieser Stelle nicht mal die Band vorstellen? Sozusagen »Bröselmaschine live as our guests«!
RockTimes: Na klar, Peter, auf geht’s!
Peter: Zunächst ist da mal Manni von Bohr am Schlag. Wir kannten uns seit den Siebzigern, richtig geklappt hat es seit jener Zeit, als der Rockpalast rief. Manni ist ja auch mit den Kollegen von Birth Control gut verbandelt.
Wir kommen zu Detlef Wiederhöft, dem Bassmann. Seit den Siebzigern dabei erlernte er irgendwann den Job des Toningenieurs. Diesbezüglich haben wir übrigens mit Dieter Dierks und Conny Plank immer beste Betreuung gefunden.
Michael Dommers, unser Gitarrist ist seit den Achtzigern dabei und hat früher bei Wallenstein mächtig Gas gegeben. Er ist ganz sicher der Rocker unter uns.
Tom Plötzer bewegt die Tasten bei uns eben seit jenem Anruf des Rockpalasts und spielt nebenbei bei diversen Musicals.
»Last but not least« singt Liz Blue seit drei Jahren bei uns und manchmal muss ich sie einfach fragen, wie sie mit uns alten Stiefeln denn noch zurecht kommt. Scheint irgendwie kein Problem zu sein und wir sind froh, für Anja Lerch einen geeigneten Ersatz gefunden zu haben, die als allein erziehende Mutter einfach nicht mehr den Stress der Band mitgehen konnte.
RockTimes: Lieber Peter, ich danke Dir ganz herzlich für die Zeit, die Du Dir für uns genommen hast und uns so tief in die Geschichte der Bröselmaschine hast eindringen lassen. Ich wünsche Dir für die Zukunft alles Gute und ganz viel Erfolg mit dem schönen neuen Album. Vielleicht sehen wir uns ja am 22.06.2017 in Dortmund wieder, wenn Ihr das Album erstmals live der Presse und dem Publikum vorstellt.
So sind wir am Ende verblieben, der Duisburger und der Duisburger. Es ist ein gutes Gefühl, in der Heimat einen Hafen für das zu haben, was man mag. Peter Bursch und seine Bröselmaschine sind unser Aushängeschild in Sachen Rockmusik, möge das noch recht lange so bleiben.
2 Kommentare
Elisabeth Höller
8. Juni 2017 um 10:54 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Der Michael heißt Dommers nicht demmers 🙂
Sabine Feickert
8. Juni 2017 um 12:56 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Danke für den Hinweis, Elisabeth. Wir haben den Tippfehler korrigiert. 🙂