Dass die zehn Tracks des Debütalbums der in England ansässigen Band Curse Of Lono in einem Zeitraum von 14 Jahren entstanden sein sollen (obwohl die Combo erst 2015 zusammenfand), mag zunächst kleine Fragezeichen vor dem geistigen Auge produzieren. Aber logischerweise haben wir es hier auch nicht mit Greenhorns zu tun, sondern vielmehr mit der neuen Band des ehemaligen Hey Negrita-Frontmanns Felix Bechtolsheimer, der für diese Produktion sowohl auf neuere, als auch ältere Tracks zurückgriff, die vielleicht nicht zu einer seiner vorherigen Combos gepasst hatten. Zehn Songs aus 14 Jahren also, die nicht wirklich die Sonnenseiten des Lebens widerspiegeln. Dementsprechend düster und recht ungewöhnlich ist dann auch der Sound der Scheibe. Nicht selten hat man das Gefühl, ein in schwarz/weiß-gedrehtes Roadmovie im Stil eines Jim Jarmusch– oder Tarantino-Films vor dem geistigen Auge zu haben. Das hat selbstverständlich seine Reize und ist im Moment auch der einzige Weg, wie ich diese Platte in bildlicher Sprache beschreiben kann.
Grundsätzlich ist das hier Americana, Roots und Alternative Country/Folk, lediglich eher ungewöhnlich instrumentiert bzw. produziert. Was aber tatsächlich auch genau die Absicht war, wie Bechtolsheimer in einem Statement zur Scheibe sagte. Dabei sind die Zutaten eigentlich sehr traditionell. Zwei Gitarren, Keyboards, Bass und Schlagzeug – was den Unterschied zu herkömmlichen Americana-Produktionen ausmacht, ist die Gewichtung der jeweiligen Instrumente innerhalb eines Songs. Die Drums stehen öfter ungewohnt weit im Vordergrund, die Keyboards ziehen ihre so ganz eigenen Kreise und auch die Gesangsmelodien treffen nicht unbedingt immer die geschulten Genre-Ohren. Genau diese Punkte sind dann aber auch die Stärken von "Severed", da sie das Album interessant und spannend machen. Dazu kommen die meist tiefgehenden Texte, die von Untreue, Eifersucht oder auch dem Kampf gegen die eigene Heroin-Sucht handeln. Nicht unbedingt Stoff fürs Radio, um es mal gelinde auszudrücken.
Die Band Curse Of Lono schafft es scheinbar (wieviele Stunden im Studio dazu nötig waren, wird ja nur sehr selten verraten) ganz locker, den perfekten Lou Reed-Spagat aufs Band zu zaubern, sich von der Junkie-Hölle handelnde Lyrics (beispielsweise "Welcome Home") dennoch von beschwingter (wenn auch mit sehr bedrückendem Unterton versehener) Musik tragen zu lassen. "Don’t Look Down" lässt die Scheibe dann auch mit einer sehr dunklen Note sowie trüben Zukunftsaussichten ausklingen. Bereits der Opener "Five Miles" beschäftigt sich offensichtlich mit der bitteren Erfahrung, nach einem heftigen Drogen-Trip wieder in die Wirklichkeit zurück zu kehren. Und noch während sich der Protagonist in diesem Prozess befindet, verspricht er sich bereits, wieder dorthin zurück zu gehen, wo er gerade her kam. Aber – um es nochmal zu betonen – so düster und niederschmetternd die Lyrics oft sein mögen, ist das musikalisch verdammt clever umgesetzt. Die bereits beim ersten Track kreierte Spannung wird durchgehend aufrecht erhalten und dieser Song-Zyklus hat den interessierten Hörer bereits ziemlich bald so sehr im Griff, dass er – nur um sicher zu gehen auch tatsächlich alles richtig zu verstehen – das Booklet in die Hand nimmt, um die Texte beim Anhören mitzulesen.
"Severed" ist ganz sicher kein Album, das zur Steigerung der persönlichen guten Laune des Hörers gemacht wurde, das ihn die Narrenkappe aufsetzen und auf einem Bein im Kreis hüpfen lässt. Vielmehr ist es ein sehr tiefgehendes, ernstes Album, das sich von gewissen Parallelen zu dem bereits erwähnten Lou Reed und sogar dessen Album "Berlin" (1973) nicht ganz freisprechen kann. Nicht bezüglich der Musik (obwohl die auch sehr 'dunkel' rüberkommt), sondern vor allem bezüglich der Texte und allgemeinen Atmosphäre. Sehr gut ist das Gesamtwerk "Severed" dennoch, denn wie bei "Berlin" kehrt Felix Bechtolsheimer viel tiefer in sein Inneres ein und stülpt es nach außen in die Öffentlichkeit, als die meisten anderen Menschen dazu überhaupt in der Lage sind.
Und auch das ist Kunst – sich in Gegenden zu wagen wo sich sonst fast niemand hintraut und dann darüber zu berichten! Die (Kunst) und nur die zählt und ist zu bewerten. Bestimmt kein Album für jeden Tag und jede Alltags-Situation, dafür ein Album, das – zum richtigen Zeitpunkt mit der angemessenen Aufmerksamkeit angehört – emotional mitnimmt und berührt.
Line-up Curse Of Lono:
Felix Bechtolsheimer (guitars, lead vocals)
Neil Findlay (drums)
Dani Ruiz Hernandez (keyboards, background vocals)
Joe Hazell (guitars, background vocals)
Charis Anderson (bass, background vocals)
Tracklist "Severed":
- Five Miles
- Pick Up The Pieces
- Each Time You Hurt
- Just My Head
- London Rain
- He Takes My Place
- Send For The Whiskey
- All I Got
- Welcome Home
- Don’t Look Down
Gesamtspielzeit: 39:13, Erscheinungsjahr: 2017
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