Eine amorphe Bandgeschichte, die Anfänge
Amorphis wurden 1990 in Helsinki gegründet und auf ihren ersten Veröffentlichungen ("Karelian Isthmus" 1992 und nachfolgende EP "Privilege Of Evil" 1993) war die musikalische Ausrichtung Death Metal. Fand ich beim reinhören nicht schlecht, jedoch auch nicht so interessant, dass ein Kaufreiz ausgelöst wurde.
Dies sollte sich mit der "Tales From The 1000 Lakes" 1994 (und der "Black Winter Day" EP) ändern. Nicht nur dass ich Cover mit der finnischen Seelandschaft sehr schön fand (davon erbettelte ich beim Kauf im Plattenladen noch eine LP-Fronthülle, die zu Werbezwecken zur Verfügung gestellt worden war …) , gleiches galt ebenfalls für die Musik. Es gab Wechsel zwischen Growls und Klargesang, dazu waren verträumte Melodien und der Einsatz von Keyboards als Kontrast zur dunklen Grundlage der Musik eingebaut. Für damalige Verhältnisse war das gewagt, weil etwas Neues (lange bevor Melodic Death Metal eine verbreitete Stilrichtung war) und die Band war sich anfangs nicht sicher, wie das aufgenommen werden würde. Rückblickend war genau das der richtige Schritt…
"Elegy" (1996) setzte den eingeschlagenen Weg fort, ging sogar etwas weiter und zeigte vermehrt progressive Einflüsse. Mit "My Kantele" gab es gar eine (halb-) Ballade, auf der gleichnamigen EP zudem als akustische Version.
Durch den Erfolg ermutigt ging "Tuonela" (1999) noch weiter, was für meinen Geschmack allerdings nicht gelang. Diese, "Am Universum" (2000) und "Far From The Sun" (2003) fand ich nicht überzeugend. Kaum noch Growls, ja sogar kaum noch Metal eigentlich, eher nur noch Rock, was an sich nicht verkehrt sein müsste, aber in diesem Fall meiner Meinung nach nicht wirklich funktionierte.
Wiedererstarken
Mit neuem Frontmann, Tomi Joutsen (seit 2004 dabei) , der ganz hervorragend zwischen Klargesang und Grunzen wechseln kann, ging es wieder aufwärts. Auch live ist er ein hervorragender Frontmann, wovon ich mich mehrfach überzeugen konnte:
2010 im Colos-Saal Aschaffenburg
2011 auf dem Rock Hard Festival
2012 im Colos-Saal Aschaffenburg
"Eclipse" (2006) und "Silent Waters" (2007) markierten den Beginn einer neuen Ära, des Wiedererstarkens auf (kommerziell) höherem Level. Auch wenn nicht alle alten Fans diesem Schritt folgen konnten oder wollten, Amorphis definierten sich neu, und wurden größer als je zuvor. Kleiner Nachteil der Sache: Nachdem sie mit der "Skyforger" (2009) ihren eigenen Stil gefunden hatten, der irgendwo zwischen Folk Metal, Progressive Metal und einer kleinen Prise Death Metal liegt, war die Weiterentwicklung nur noch minimal. Die nachfolgenden Scheiben stagnierten somit ein wenig, dies allerdings auf hohem Niveau, die galt für die "The Beginning Of Times" (2011) und noch mehr für Circle (2013), bei der ich das Gefühl von leichten Ermüdungserscheinungen habe (ist dennoch ganz und gar keine schlechte Scheibe, andere Bands würden sich gerne ein Scheibchen davon abschneiden). Wer nun an ein erneutes Schwächeln glaubte, wurde mit "Under The Red Sun" (2015) eines besseren belehrt. Lebendiger und frischer zeigten die Finnen, dass ihnen noch lange nicht das Wasser der tausend Seen ausgeht… und die Ideen.
Amorph = formbar
Amorphis beweisen immer wieder neu ihre Wandlungsfähigkeit, amorph (griechisch für formlos) bedeutet in ihrem Fall: formbar. Sie beweg(t)en sich spielerisch in mehreren Musikrichtungen und gelten als eine der wichtigsten Metal-Bands Finnlands, sind dort seit der "Elegy" mit jedem Album in den Charts, oft sogar auf Platz 1. Auch in einigen anderen Ländern gibt es verdientermaßen hohen Platzierungen seit dieser Zeit. Erfolg und musikalischer Anspruch schließen sich in diesem Fall nicht aus.
Sehr dem Wandel unterworfen war auch die Besetzung der Band, lediglich die beiden Gitarristen und Gründer Esa Holopainen und Tomi Koivusaari (der zeitweise auch für Gesang zuständig war) sind seit 1990 dabei. Manche der Musiker sind/waren ebenfalls aktiv in Bands wie Ajattara, Barren Earth, Kyyria,Violent Solutionen, Shape Of Despair und einigen weiteren.
Kalevala und andere Bezüge
Neben der Vielschichtigkeit der Musik ist bei Amorphis ein weiterer Punkt erwähnenswert: Die textliche Verbindung zu ihrer Heimat, dem Land der tausend Seen, dessen Sagenwelt und Natur. Viele Lyrics basieren auf dem finnischen Nationalepos "Kalevala", andere auf der Gedichtsammlung "Kanteletar" (auf der Scheibe "Elegy").
Viele Cover (und Shirts) sind in Blautönen, manche auch in Braun/Rot, gehalten, zeigen Motive, die thematisch den Elementen Wasser oder Luft zugeordnet sind.
Nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich sind Amorphis eine Klasse für sich, gehen einen eigenen Weg fernab von Metal-Klischees.
Diskografieübersicht (nur Studioalben)
1992 The Karelian Isthmus
1994 Tales From The Thousand Lakes
1996 Elegy
1999 Tuonela
2001 Am Universum
2003 Far From The Sun
2006 Eclipse
2007 Silent Waters
2009 Skyforger
2011 The Beginning Of Times
2013 Circle
2015 Under The Red Cloud
Aktuelles Line-up
Esa Holopainen (lead guitar, seit 1990)
Tomi Koivusaari (rhythm guitar, seit 1990; vocals 1990-1997, 2010)
Jan Rechberger (drums, 1990-1995, seit 2002; keyboards 1992-1993)
Santeri Kallio (keyboards, seit 1999)
Niclas Etelävuori (bass, backing vocals, seit 2000)
Tomi Joutson (vocals, seit 2004)
Ehemalige
Pasi Koskinen (vocals, 1995-2004)
Olli-Pekka Line (bass, 1990-2000)
Kasper Mårtenson (keyboards, 1993-1994)
Kim Rantala (keyboards, 1994-1998)
Pekka Ksari (drums, 1995-2002)
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