Zur diesjährigen Zappanale sendete uns Jürgen Gispert nicht nur einen Bericht über das Geschehen in Bad Doberan, sonden referiert in folgendem Artikel auch sehr ausführlich über den Musiker und Menschen Frank Zappa sowie dessen Umfeld. Der Länge wegen haben wir den Artikel in zwei Teile gesplittet.
Das Bild links wurde uns von Spreewilder zur Verfügung gestellt. Die anderen Bilder in diesem Text stammen mit freundlicher Genehmigung vom Künstler Helmut King. (Seine Facebookseite ist nur zu erreichen, wenn man in FB eingeloggt ist).
[Die Redaktion].
Nach zig Jahren war ich wieder einmal auf der Zappanale. Die 28. Ausgabe des weltweit größten Festivals, das sich dem Leben und Werk des US-amerikanischen Komponisten Frank Zappa (1940-1993) widmet, bot einen Leckerbissen der besonderen Art, sozusagen aus erster Hand: Dweezil Zappa, Sohn des Virtuosen, war zu Gast, weswegen sich diese Darstellung hierauf konzentrieren wird.[1]
Das Areal, auf dem das Festival stattfand, hat sich gegenüber dem Zeitpunkt meines letzten Besuchs um einige Meter verschoben. Es ist zwar immer noch auf dem Gelände der Pferderennbahn zu Bad Doberan, aber die Hauptbühne ist entsprechend verlegt. Schuld daran waren geheimdienstliche Tätigkeiten anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm im Jahre 2007. Der BND schien Raum gebraucht zu haben, und man bediente sich der Fläche, auf der zuvor noch auf einer Bühne Zappa zelebriert wurde. Das Gelände wurde umgepflügt, sodass man unter der Oberfläche operieren konnte und Frau Merkel und ihre Gäste auch sicher tagen konnten. Nachdem das ganze vorbei war, war das Gelände wohl für das Festival nicht mehr nutzbar. Nun dient es als Parkplatz. Es ist in diesem Zusammenhang erwähnenswert, dass Zappa das Treiben mit den Worten »Politik ist die Unterhaltungsabteilung des militärisch-industriellen Komplexes« bedacht hätte. Dabei verwendet Zappa den Begriff 'to entertain' streng im Kontext der Kommunikation. Es bedeutet, dass Kommunikation, ihre Wege 'unterhalten', also am Laufen gehalten werden. Damit, und das sagte Zappa deutlich, fielen Diskotheken raus aus der von ihm bevorzugten Kommunikation, vor allen Dingen im musikalischen Raum: »Disco music makes it possible to have disco entertainment centers. Disco entertainment centers make it possible for mellow, laid-back, boring kinds of people to meet each other and reproduce«.[2] Unterhaltungsmusik, Diskotheken-Lala gehören ebenso zu einer Unterabteilung des militärisch-industriellen Komplexes, genauso wie die Politik.
Der Ursprung der Zappanale liegt im Osten Deutschlands, der DDR in ihrem zeitlichen Ausklang 1989. Es geht aber noch etwas tiefer in den Osten. Prag, wo Zappa anlässlich der Rückkehr des letzten Sowjetsoldaten im Jahre 1991 im Juni ein Konzert gab, sein letztes als Gitarrist (es folgte ein Jahr später die famose Aufführung "The Yellow Shark" mit dem Ensemble Modern, dem er mit Hilfe von Peter Rundel als Dirigent vorstand). Aber auch in Vilnius, in Litauen, steht ein Denkmal zu Ehren Zappas. In diesen Breiten schätzte man vor allen Dingen den subversiven Charakter Zappascher Musik, die Texte wurden politisch gedeutet und den eigenen Verhältnissen angeähnelt. Sohn Dweezil würdigt seinen Vater wie folgt: »Ja, es ist wahr, diese Songs klingen sehr gegenwärtig. Ich scherze oft mit dem Publikum und sage, dass wir Musik aus der Zukunft und nicht aus der Vergangenheit spielen. Ich glaube, dass mein Vater seiner Zeit voraus war. Irgendwie war er eine Art Rock’n’Roll-Nostradamus. Seine Fähigkeit, Songs zu komponieren, die Botschaften seiner Beobachtungen zu Gesellschaft und Politik umfassten, sind für mich wesentliche Gründe, warum seine Songs so respektabel sind. Er hatte keinerlei Angst davor, die Wahrheit zu sagen. Und er war in der Lage, seine lyrischen Statements mit empirischen Beweisen, komplexen Rhythmen und harmonischen Konturen zu untermauern. Deshalb hat seine Musik die erstaunliche Fähigkeit, die Zeit zu überdauern.«[3]
Nun, Zappa ist 24 Jahre tot, aber seine Aussage, die er in den 80er-Jahren in Auseinandersetzung mit Vertretern der so genannten Moral Majority, zumeist Haus- und Ehefrauen namhafter Politiker jener Zeiten, gab, hat prognostischen Charakter. Die auf Youtube erhältliche Aufzeichnung des Gesprächs "Zappa on crossfire" gibt uns Auskunft über das Selbstverständnis des Musikers Frank Zappa.[4] Es ging damals um den von besagten Protagonisten angestrebten Prozess gegen angeblich anstößige Musik, die ausgetilgt werden sollte. Hierzu zählte auch seine eigene Musik. Die Diskussion machte klar, wie die radikale christliche Rechte in den USA damals dachte – auch und gerade hinsichtlich der heutigen Politik in den Staaten.[5] Zappa sagte damals über die USA, dass sie dort auf dem Weg zu einem »theokratischen Faschismus« seien. Zappa erklärt den Begriff wie folgt: »When you have a government that prefers a certain moral code derived from a certain religion, and that moral code turns into legislation to suit one certain religious point of view, and if that code happens to be very very right wing, almost toward Attila the Hun…«
Moral ja, aber nicht in der Terminologie des Religiösen.[6] Alles in allem Aussagen des Künstlers, deren Inhalte man an der gegenwärtigen politischen Praxis in den USA sehr gut überprüfen kann.
Dweezil Zappa, wie zu lesen, betont den überzeitlichen Charakter der väterlichen Musik. Allerdings konnte man vielleicht davon ausgehen, dass die Damen und Herren Fans älter würden und bei der allgemein schnellen und alldurchdringenden Reproduktion musikindustriellen Mülls nach dem Ableben des Meisters vielleicht mögliche Interessenten abhandenkommen könnten. Jedoch weit gefehlt. Zappas Werk wird in Klassik, Jazz und von Cover- bzw. Tribute-Bands gewürdigt. Außerdem ist ein reichhaltiger Nachlass zu verwalten und zu verarbeiten, wobei der Witwe Zappas seitens der Fans bei der Auswahl der Musik nicht immer ein glückliches Händchen beschieden wurde. Damit wären wir beim Thema, das in den letzten Jahren in der großen Fangemeinde stets diskutiert wurde: das Gebaren der Witwe Zappa. Im Folgenden möchte ich das ein wenig aufrollen, um mit den gemachten Gedanken das Konzert am 15. Juli zu verknüpfen. Das ist insoweit folgerichtig, als die Tochter Moon Unit per Skype für Fragen zur Verfügung stand und Dweezil am Nachmittag vor seinem Konzert Rede und Antwort saß.
Das Problem ist: Die Witwe wird von den Fans Zappas gehasst. Es gibt ein längeres Interview mit ihr, in dem sie über das Verhältnis zu Frank, zu seiner Musik erzählt.
Dweezil wurde von italienischen Fans auf die Parallele seines Problems mit der Mutter zur mythischen Medea aufmerksam gemacht. Medea, eine Figur aus der griechischen Antike, wird von ihrem Mann Jason wegen einer anderen Frau verlassen und ermordet aus Rache die gemeinsamen Kinder. Es gibt unzählige Interpretationen des Mythenstoffes, interessant für uns an dieser Stelle ist aber ein Monolog, in dem sie über ihr Schicksal ihren Kindern gegenüber berichtet und ihre kommende Tat zu legitimieren sucht. Man kann hier eine scharf reflektierte Kaltblütigkeit ersehen.[7] Der Stoff, den Dweezils Mutter liefert, bietet aber tatsächlich Anlass, an Medea zu denken. Medea zielt mit ihrem Mord an den gemeinsamen Kindern mit Jason auf ihn ab. Gails angestauter Hass, so scheint es, entlädt sich in Form der ökonomischen Organisation des Nachlasses des Werkes, der gegen Dweezil und Moon Unit, also den die Musik des Vaters praktisch reproduzierenden Teil der Familie, ab. Sie zielt auf eine Art symbolischen Tod der beiden über das Mittel der Ökonomie ab.
Sie teilt den Nachwuchs in zwei Teile: Ahmet und Diva verwalten den Nachlass nach ihrem eigenen Tod. Gail macht dieses Kinderpaar zu ihrem Medium, über das sie die Giftpfeile auf das zweite Kinderpaar abschießt, wobei sie es vor allem auf Dweezil abgesehen hat, der einzige mit dem Namen Zappa, der das Werk nicht nur kennt, sondern auch spielen kann.
Was ist der Konflikt? Um 2006 bastelt Dweezil eine Gruppe zusammen, u.a. mit ehemaligen Mitgliedern von Zappas verschiedenen Bands, um unter dem Namen Zappa Plays Zappa aufzutreten. Seine Mutter hatte schon zu Franks Lebzeiten das Geschäftliche des Privatunternehmens in der Hand – nebst Erziehung der vier Kinder. Moon betont im Gespräch, dass die Mutter dem Vater den Rücken für dessen Arbeit freigehalten hätte. Die Gespräche mit Vater reduzierten sich auf die Zeitspannen gemeinsamer Mahlzeiten. Eine für mich signifikante Bemerkung von Moon ist, dass die Parterre mit dem Arbeitsraum von Frank über ein Paternoster verbunden waren, um das Essen hoch und runter zu transportieren. Was natürlich als effizient gilt, transportiert zugleich ein familiäres Verhältnis mit – und zwar im Kreise. Er war ganz Musik, sie schien den Rest zu machen. Wichtig war der Sektor Merchandising und die Wahrung des Urheberrechts. In einem Interview geht Gail ausführlich auf diese Problematik ein.[8] Man darf nicht die Unbilden der Musikindustrie vergessen, mit denen das Familienunternehmen Zappa zu tun hatte. Ökonomische Unabhängigkeit bringt inhaltliche Freiheiten, für das besonders die Inhalte des Zappaschen Werkes zählen. Die Aussagen, die Zappa in "On Crossfire" traf, beziehen sich ebenfalls auf diesen Kontext. Was die weltweite Fangemeinde ärgerte, war die Interpretation des Markenrechts durch die Witwe, was auch die Zappanale tangieren sollte. Am 9. April 2008 fand vor dem Düsseldorfer Landgericht ein Prozeß zwischen dem Zappa Family Trust (ZFT) und der Arf-Society e.V. statt.[9] Auch Musikgruppen wie etwa die deutsche Tribut-Band Sheik Yerboutie waren von der Witwe bedroht – international verklagte die Nachlassverweserin nicht nur diese praktizierenden Erinnernden des Werkes, gegen urheberrechtliche Bestimmungen verstoßen zu haben. Eine der Forderungen, die mit der Klage in Düsseldorf gegen die Veranstalter der jedes Jahr in Bad Doberan stattfindenden Zappanale verbunden sind, betrifft die in der kleinen Stadt an der Ostsee im Jahre 2003 zum 10. Todestag eingeweihte Büste von Zappa, die vernichtet und gegen eine von der Witwe Zappas autorisierte eingetauscht werden sollte.
Gail Zappa machte hierbei urheberrechtliche Bestimmungen geltend, die im Falle ihres Gatten allerdings Brisantes der digitalen Entwicklung der Musikindustrie insgesamt birgt. Die Witwe wandelt regulatives Recht in konstitutives um, d. h. der einzelne Künstler wird in seinen Möglichkeiten, seinem Können eingeschränkt, gar gegängelt. Unter diesen äußeren Bedingungen verstößt sie gegen die Werkintention: Die Musiker, die sich mit dem Werk Zappas aktiv beschäftigen, reproduzieren nicht nur, sondern interpretieren auch und entwickeln, wirken also tradierend, was jedes klassische Werk auszeichnet. Die Anwendung des Urheberrechts durch die Witwe versucht, die Mehrstimmigkeit der Musik ihres Mannes auf angeblich eindeutig Messbares zu reduzieren, was dessen Künstleranspruch praktisch zur Gänze zuwiderläuft! Zugleich aber wäre Gail Zappa in persona im Werk selbst gut aufgehoben: als Tempel-Nachtwächterin der Kunst, als deren bloßer Managerin ihr die Inhalte des Werkes schon immer fremd gewesen zu sein scheinen. Dweezil Zappa äußert sich anderswo zu diesem Thema: »Lizenzen sollen das Werk schützen, nicht jedoch die Wiedergabe verhindern. «
Genau dies versuchte Gail Zappa schon zu Lebzeiten und nach dem Tode des Gatten. Gail versah den Bandnamen Zappa Plays Zappa, unter dem Dweezil schon seit Jahren tourte, mit einer Lizenz.[10].
Man kann den Konflikt über die Jahre hinweg an den Namensänderungen feststellen, die der Sohn ausheckte: Zappa Plays Zappa, Dweezil Zappa Plays Frank Zappa, Dweezil Zappa Plays Whatever the F @%K He Wants [11], The Others Of Intention, Dweezil Zappa. Die Änderungen nach dem ersten Bandnamen sind auch Zeichen der Auseinandersetzung zwischen den Geschwisterpaaren, sozusagen aus dem Grab der Mutter heraus gemanagt.[12]
Mit Beginn des Monats April 2016 wurde seitens des ZFT Dweezil untersagt, unter dem Namen Zappa Plays Zappa die Musik des Vaters aufzuführen. Das bedeutete faktisch, dass Dweezil nicht unter dem eigenen Namen auftreten durfte, da der Name nun rechtlich geschützt war.[13] Die Strafe bei Zuwiderhandlung belief sich auf $150,000 für jeden Auftritt. Schon zu ihren Lebzeiten belegte die Witwe ihren Sohn Dweezil mit einer »exorbitanten Summe an Gebühren«, wie Dweezil in einem Interview äußerte.[14]
In einem Video bewirbt Dweezil seine eigene Kampagne, seine Gruppe mit dem nun neuen Namen Dweezil Zappa & The Others Of Intention. Den Namen begründete er mit den Zwängen, die ihm der Streit mit seinen Geschwistern beschert hatte.[15]
Der durch die Namensfindung implizierte Hinweis auf den Namen Mothers Of Invention eröffnet uns einen interessanten Weg. Das erste Album "Freak Out!" erschien bei MGM Records. Zappa musste jedoch den Namen seiner Band ändern. Mothers alleine wurde nicht akzeptiert. Dieser rein metonymische Ansatz der Verantwortlichen seitens der Firma wurde von Zappa mit dem nun neuen Namen Mothers Of Invention beantwortet. Es macht klar, dass sie KEINE Mütter sind (für MGM und sehr schön nachzusehen auf dem "We’re Only In It For The Money"-Cover), zudem ist der Name Programm für alles Folgende. Invention bedeutet Fantasie, Erfindung und Inspiration (fürs Publikum). Übrigens taucht dieses Problem auch im Verlaufe der Diskussion "On Crossfire" auf: Die Gegner Zappas werfen ihm vor, dass er zu unzüchtigen Handlungen und Ähnlichem aufriefe. Er macht darauf aufmerksam, dass er mit Sprache handle. Indem er etwas sagt, ist es noch nicht geschehen. Die Klerikalen der anderen Seite identifizieren Sprachhandlung mit Handlung selbst.
Dweezil übernimmt die Methode der Verballhornung. Gleichzeitig transportiert er die tiefe Verwobenheit zwischen Familiärem und Geschäftlichem nach Außen, und dies auf kunstvolle Weise. Die Others Of Intention, so ließe sich behaupten, entsprechen den damaligen 'Müttern der Erfindung'. Die 'Absicht' im neuen Namen bezieht sich konnotativ auf 'Invention' auch hinsichtlich des Hergangs der eigenen Namensfindung und macht hierüber auch auf den Konflikt in der Familie aufmerksam. Sie, d. h. Dweezil und seine Truppe, haben anderes mit der Musik und dem Geschäft damit im Sinn.
Der ganze Streit wird vor dem interessierten Publikum ausgebreitet, in aller Öffentlichkeit ausgetragen – veröffentlicht wird der Briefwechsel zwischen Dweezil und Ahmet: »Behind closed doors, we didn’t get anywhere,' a clearly exasperated Dweezil Zappa tells […]. So it doesn’t really matter one way or the other whether it’s public or behind closed doors.«[16]
Der Inhalt der Auseinandersetzung zwischen den Brüdern betrifft natürlich Vertragliches als für Dweezil auch Unverträgliches. Ach hier ist einer der Hauptstreitpunkte der Sektor Merchandising, generell geht es um die Teilung der Güter: Gail teilte asymmetrisch auf – Diva und Ahmet wurden 60 % zugesprochen und haben faktisch den Trust unter ihrer Kontrolle, Dweezil und Moon nur 40 %. Gail hatte von Dweezil gefordert, 60% des Merch-Erlöses an den ZFT abzuführen. Von den restlichen 40 Prozent sah er jedoch nie etwas, wie er sagte. Ahmet auf der anderen Seite schien ihm ein faires Angebot zu unterbreiten: Dweezil solle den symbolischen Betrag von 1 Dollar zahlen und könne dafür die Musik des Vaters spielen. Realiter aber scheint es zu sein, dass als Gegenleistung für die Gigs der gesamte Erlös des Merchandising dem ZFT zuzuführen sei.[17] Zusätzlich: Kurz vor seinem Tod hatte Frank seinem Sohn die Gitarrensammlung vermacht. Nachdem er verstarb, sagte Gail, da die Gitarren sich in ihrem Hause befänden, gehörten sie auch ihr.
Dweezil ist ausgeschlossenes Mitglied der Familie. Der Name Zappa Family Trust schließt ihn nominell ein, der Trust aber agiert gegen ihn. Die Spitze dieses Stückes besteht darin, dass die Trust-Seite beansprucht, die Darbietungen des Bruders mit der so genannten Lizenz 'Grand Rights' zu belegen. Es wurde argumentiert, Darbietungen, die größtenteils vom Werk Zappas handeln, könnten nicht mit normalen Maßstäben gemessen werden. Sie unterlägen der Lizenzierung durch die Grand Rights. Die Ironie dessen ist, dass die Grand Rights in der Regel für Theateraufführungen vergeben werden.[18]
Schauen wir in die Geschichte des Lizenzierens, so lesen wir, dass das älteste Zeugnis für Markenrecht aus dem fünften Jahrtausend vor der Zeitenwende stammt – und in Transsylvanien gefunden wurde![19]
Der Streit wird nicht nur auf offener Bühne ausgetragen – nein, es handelt sich tatsächlich um ein im Grunde genommen auch gruseliges Theaterstück, dem Zappa persönlich einmal den Handlungsrahmen vorgegeben zu haben scheint: »People make a lot of fuss about my kids having such supposedly ’strange names'. […] But the fact is that no matter what the first names I might have given them, it is the last name that is going to get them in trouble.« Diese Sätze stehen dem Werbeclip Dweezils bedeutungsschwanger voran.
Meine These ist nun, Dweezil mag sich nach außen hin und hinsichtlich seiner Aufführungen als unpolitisch bezeichnen, jedoch, indem er auftritt, wird’s politisch – und dies ganz im Sinne des Vaters der Erfindung, wenn auch bestimmt ungewollt. Zudem, und um das zu betonen, sind wir gewissermaßen Zeuge eines Dramas, was uns an die Zeit erinnern mag, als Zappa mit dem Konzept des Total Rock Theatre aufwartete. Dessen konzeptioneller Bestandteil war unter anderem, das Publikum mit auf die Bühne zu holen. Nichts Anderes passiert gegenwärtig, wenn die Zappas eine 'Bühne' errichten, auf der sie uns ein tragisches Schauspiel zeigen – samt musikalischer Darbietung.
Um die Tragweite der Tragik oder Tragikomik zu verdichten, sei zusammengefasst:
Frank lebt im Keller, seine Frau mit den Kindern obendrüber. Er macht Musik, sie die Geschäfte und die Erziehung. Gewissermaßen steht sie zwischen ihm und dem Außen: Als diejenige, die die Telefongespräche entgegennimmt, hat sie auch die Verfügung darüber, wer an ihn rankommt und wer nicht. Sicherlich bedeutete dies Ruhe für den Komponisten, andererseits hat sie auch Kontrolle darüber, wer ihn sehen kann und wer nicht. So passierte es dem Bruder Bob Zappa, dass er Frank noch kurz vor dessen Tod nicht sehen konnte, Gail schickte ihn weg. Diese Info stammt von Dweezil.[20]
Dazu muss allerdings ergänzt werden, dass das Verhältnis zwischen den Brüdern nicht das Beste war, worauf Moon im Gespräch hinweist: »He was very strange«, wie sie über ihren Onkel sagt. Gail habe, so Dweezil, auch den letzten Willen von Frank gegenüber den Kindern verleugnet.
Gail richtet die Praxis ihre Auslegung des Urheberrechts direkt gegen ihren Sohn Dweezil und dessen Schwester Moon Unit. Es geht also weniger darum, dass Dweezil etwa gegen Urheberrecht verstoßen würde – er ist der SOHN von Frank, das scheint sein Verstoß zu sein. In dieses Licht kann die Merchandise-Politik von Gail gegen andere Nutzer der Musik gestellt werden. Ist die Urheberrechtspolitik von Gail allgemein, so wirkt sie gegen den Sohn als Besonderes, paradoxerweise, indem er für sie zum Allgemeinen wird – weil er Zappa heißt, muss er für die Musik zahlen. Gail stellte auch den Namen Cpt. Beefheart unters Markenrecht. Die Quelle hierfür gibt keine weitere Auskunft, die man sich aber denken kann – zwischen Frank und Don Van Vliet bestand ein enges Verhältnis seit der Jugend. Dass es konkret gegen die Person Dweezils geht, zeigte Gail, als sie diesem die von Frank vor dem Tod versprochene Gitarrensammlung nicht aushändigte. Im Sinne des eigenen Geschäftes handelt Gail gar unökonomisch, als Dweezil sie in der Vorbereitung der ZPZ-Tour bittet, die Tour-Daten auf der Zappa.com-Site zu platzieren, sie aber ein paar Wochen gar nicht reagiert, ihm aber auf entsprechende Frage zur Antwort gibt: »I’m not just some groupie your father f*cked, you know!« [21]
Surrealismus heißt auch 'über die Realität', ihre künstlerische Verfremdung, um hierüber entsprechende Aussagen zu machen, sie beim Konsumenten zu evozieren. So erläuterte Zappa einmal, wie er zu "Montana" ("Over-Nite Sensation", 1972) kam. Er stand vor dem Spiegel, der Blick muss auf die Zahnseide gefallen sein, und er überlegte sich, wie es wohl sei, wenn der Cowboy in Montana Zahnseide anbaue und sie mit einer Riesenpinzette ernte. Als Hobby-Anthropologen, als der er sich bezeichnete, basieren die Liedinhalte in entsprechend verfremdeter Form auf realen Ereignissen oder Personen. So existiert die Person "Willie The Pimp" ("Hot Rats", 1969) tatsächlich,[22] "Stevie’s Spanking" ("Them Or Us", 1984) geht auf ein Interview zurück, dass Zappa mit einem Groupie über ihre Praktiken hielt. Methodisch nennt man diese Vorgehensweise 'teilnehmende Beobachtung' – kurz gesagt, bedeutet dies: Mal ist der Beobachter im Feld, mal ist er draußen: In dem Interview ging es nämlich insbesondere um das Verhältnis der interviewten Groupies zu Mitgliedern der Mothers of Intention. Nun mag das für manch einen etwas ’strange' sein – Pauline Butcher, eine frühere Sekretärin im Unternehmen Zappa, bezeichnete solcherart Verhalten als »doppelten Standard«.[23]
Das Interview, das Zappa mit den drei Groupies machte, enthält reichhaltiges Material über das Selbstverständnis von Groupies jener Zeiten.[24] Und Franks Frau Gail war vor ihrer Heirat ebenfalls in der Groupie-Szene. Nur musste sie davon ausgehen, dass für Frank (und seine Gruppe) danach das Groupie-Leben nicht aufhörte zu existieren. Das scheint die Atmosphäre ebenfalls be-stimmt zu haben. In einem Interview über die Praxis der Verwaltung des Erbes in Hinblick auf ihre eigenen Kinder äußerte sie: »There is always a solution. I don’t worry about that stuff. I mean it’s in the process anyway. Once, I’m gone, I don’t care. Why should I care? I do the best that I can with the tools that I’ve got while I’m here«.[25] Q.e.d.?
Dweezil sagt, er sei nicht wie sein Vater politisch. Er verhält sich zum Werk seines Vaters eher als eine Art Kopist, der Werktreue verspricht und die Musik seines Vaters entsprechend weiterzugeben sucht. Die Mutter nun überträgt auf ihn und über das zweite Geschwisterpaar als ihrem Medium ihren Fluch. Kurios nun ist, dass, indem Dweezil die Musik des Vaters auf der Bühne wiedergibt, er auch dieses Verhältnis reproduziert. Er trägt den Namen des Vaters, er wird für die Mutter mit diesem identifiziert. Sie arbeitet an ihm den persönlichen Hass ab.
Dem Zappaschen Werk ist ein Prinzip unterlegt, das Zappa 'konzeptionelle Kontinuität' nennt. »Zentraler Bestandteil der Konzeption der Kontinuität ist das Leitmotiv. Dieses Leitmotiv kann eine Idee sein, ein Wort oder eine Note, fünf Noten, ein Akkord oder ein bestimmter Klang. Derlei Einzelelemente fügen sich in das Gesamtsystem ein.«[26] Dadurch, dass der Sohn eine gegenüber der Perspektive des Vaters veränderte Sichtweise auf die Wiedergabe der Stücke hat, verschwindet die konzeptionelle Kontinuität – jedoch nur oberflächlich. Im Hintergrund ist sie dennoch am Wirken, sei es, weil der Bandnamen sich mehrmals änderte, sei es, weil das Organisieren des Musikalischen nicht ohne die familiäre Problematik zu sehen ist etc. Dweezil selbst sagte dies indirekt bei dem Gespräch mit Jim Cohen und dem Publikum: »Ich bin hier, weil sie nicht hier ist!« Schon im Jahre 2008 hatte Dweezil Interesse an einem Auftritt in Bad Doberan gezeigt. Alleine die Schwierigkeiten mit dem Trust hinderten ihn daran.
Weiter zum zweiten Teil.
Quellenangaben:
- [1] Vollständige Liste der auftretenden Gruppen (Dieser Link ist nicht mehr im Netz, die Redaktion).
- [2] Frank Zappa: Garni Du Jour, Lizard King Poetry and Slime by Tim Schneckloth. Downbeat Magazine May 18, 1978
- [3] DWEEZIL ZAPPA – Die erstaunliche Fähigkeit, die Zeit zu überdauern. Eclipsed, 25. Mai 2017
- [4] Zappa CNN Crossfire 1986
- [5] Vgl. hierzu den Artikel von Chris Hedges: The Radical Christian Right and the War on Government (Dieser Artikel ist nicht mehr im Netz, die Redaktion).
- [6] CNN Crossfire
- [7] Vgl. z.B. Karin Alt: Medeas Entschluß zum Kindermord (Zu Euripides Medea 1078-80), in: Hyperboreus Vol. 4 (1998) Fasc. 2.
- [8] Industry Profile: Gail Zappa. – By Larry LeBlanc
- [9] Vgl. hierzu Zappa gegen Zappanale (Dieser Artikel ist nicht mehr im Netz, die Redaktion).
- [10] Kaanii Powell Cleaver: Gail Zappa: Simply Greedy, Or Was She Mentally Disturbed, Too? Dweezil Discusses The Medea Complex And More.
- [11] Off. Website, Stand 03-07-2017
- [12] Dweezil Zappa wants his siblings to shut up so he can play guitar: »I never paid attention to any of it anyway, 'cause I was just making music.« by Bill Kopp
- [13] Im Zusammenhang mit dem Namen Zappa kam es in Berlin im Jahre 2007 zu einer Namensänderung einer Straße, die man nach dem Künstler benannte. Die Beschäftigung damit barg Interessantes zur Politik mit Straßennamen : Jürgen Gispert: Zappa unter Preußen. (Dieser Artikel ist nicht mehr im Netz, die Redaktion).
- [14] 'Zappa Plays Zappa' Pits Zappa vs. Zappa. By BEN SISARIOAPRIL 29, 2016 (Dieser Artikel ist nicht mehr im Netz, die Redaktion).
- [15] Vgl. Dweezil Zappa (01.08.2017)
- [16] Dweezil Zappa wants his siblings to shut up so he can play guitar
- [17] Vgl. stellvertretend: Ahmet Zappa Pens Open Letter to Dweezil Zappa. May 06, 2016
- [18] Die Kriterien für die Qualifizierung hierfür sind Ort, Kleidung der Protagonisten der Aufführung, Struktur der Aufführung. Das trifft aber auf eine tribute Band, die Zappa spielt, nicht zu. By BEN SISARIO, APRIL: 'Zappa Plays Zappa' Pits Zappa vs. Zappa (Dieser Artikel ist nicht mehr im Netz, die Redaktion).
- [19] Trade Marks – a brief history. The Origins of Trade Marks
- [20], [21] Gail Zappa: Simply Greedy…
- [22] Frank Zappa: Groupies As People. High Times, February 1983.
- [23] Deborah Orr: Frank Zappa, his groupies and me , 03 October 2011
- [24] Vgl. Fußnote 16. Robert Kurz fasst den Warencharakter des Groupie-Wesens wie folgt zusammen: »Das Publikum soll die gleichsam als Wrestling-Kämpfer präsentierten Textproduzenten-Darsteller als Idole oder, um ein anderes einschlägiges Bild zu verwenden, als 'eigene' Mannschaft beim Länderspiel erleben; und zwar in der Art nicht bloß von gewöhnlichen Fans, sondern von regelrechten, meist als weiblich konnotierten Groupies (einst von Frank Zappa als »Mannschaftsschlampen« bezeichnet). Man möchte eine Aura von Überlegenheit, Optimismus und Forschheit bilden, mit der das Publikum sich qua Imponiergehabe in eine Ansammlung von gemeinen Mannschaftsschlampen verwandelt, und sei es auch nur in der eigenen Einbildung.«
Robert Kurz: SEELENVERKÄUFER – Wie die Kritik der Warengesellschaft selber zur Ware wird - [25] Industry Profile: Gail Zappa – By Larry LeBlanc (CelebrityAccess)
- [26] Volker Rebell: Frank Zappa – Freak-Genie mit Frack-Habitus. In: Rocksession 1, Rororo Sachbuch, 1977
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