Es ist immer wieder erstaunlich, welche Musiker und Bands man als Redakteur so kennenlernt und was für ein Lebenswerk sich dahinter auftut. Der Name Robert Schroeder war mir tatsächlich noch nie bewusst ins Bewusstsein gedrungen, aber bereits nach kurzen Recherchen stellte sich heraus, dass der Mann bereits seit 1978/79 hochproduktiv ist und geradezu ein Album nach dem anderen veröffentlichte. Unser Ulli hatte im Februar diesen Jahres bereits das aktuelle Album Velocity vorgestellt und nun griff der ursprünglich aus Aachen stammende Electronic-Musiker noch einmal ganz tief in die Trickkiste. Über die Jahr(zehnt)e gab es bereits drei (jeweils voneinander getrennte) Veröffentlichungen unter den Namen "D.Mo Vol. 1 – 3" und nun ist die Nr. 4 an der Reihe. Ganz tief in die Trickkiste schrieb ich, da es sich hier tatsächlich um das erste angedachte Album Schroeders aus dem Jahr 1978 handelt. Leider lief es damals nicht sehr gut für ihn, denn die Scheibe wurde von seinem Label abgelehnt und verschwand erst einmal für lange Zeit in der Versenkung bzw. Vergessenheit. Bereits verloren geglaubt, tauchte die Platte dann aber doch wieder auf. Zwar nicht die Original-Bänder, dafür aber eine damals gemasterte bzw. die Master-Kassette.
Es wurde sehr viel Arbeit in die Restaurierung und Aufpolierung gesteckt, aber der volle Sound, das damals eigentlich beabsichtigte Klangerlebnis konnte nicht mehr zu 100 Prozent wieder hergestellt werden. Der Musiker war dennoch von dem Fund begeistert und deklariert im Booklet: »Die altersbedingten Klangeinbußen tragen zum 70er Jahre-Charme bei. Es wurde neu gemastert und aufpoliert. Diese CD beinhaltet nun die ungekürzte, authentische Original-Version von "Harmonic Decadence" von 1978.«
Dann also mal ran an den Speck: Wie bereits an der Kategorisierung ganz oben erkennbar, handelt es sich hier um ein reines Electronic-Album. Electronic der Berliner Schule sozusagen, bei der ein Erkennungsmerkmal war, dass sich als Backdrop immer wiederholende Klangschleifen ihren Weg durch die Songs schlängelten und so dem Musiker jede Menge Raum für Experimente, freie Improvisationen sowie meditative Klang-Collagen boten. Somit ist Robert Schroeders Musik – zumindest auf der mir nun vorliegenden Scheibe – gar nicht allzu weit weg von Leuten wie beispielsweise Klaus Schulze, der zugegebenermaßen auch der größte Einfluss des Protagonisten war (und eventuell immer noch ist).
Der Sound mag stilistisch zwar sehr in den Siebzigern verwurzelt sein, was ihn aber in keinster Weise abwertet. Vielmehr haben wir es hier mit zwei langen (jeweils über 20-minütigen) Stücken zu tun, die dennoch als Ganzes gelten sollen und dies auch tun. Mal sphärisch-träumerisch und auch mal mit mehr Rhythmik versehen sorgt "Harmonic Decadence" für insgesamt fast fünfzig Minuten allerfeinste Electronic-Unterhaltung. Klar, muss man ein gewisses Faible für diese Art der Musik haben, aber wenn dies der Fall ist, wird der Hörer an dem Erstwerk Robert Schroeders viel Freude haben. An Arbeitsgeräten sind hier – falls mir nichts entgangen ist – lediglich Keyboards, Synthesizer und eventuell noch weitere elektronische Instrumente im Spiel, was das Ganze aber auch zu einer echten Einheit verschmelzen lässt und dem Konzept durchaus zugute kommt. Selbstverständlich sind Vergleiche zu dem bereits erwähnten Klaus Schulze oder auch auch Stephan Kaskes Mythos nicht ganz von der Hand zu weisen. Allerdings sind das schon auch Namen, mit denen man sich in dieser Szene ganz sicher gerne in einem Atemzug erwähnen lässt.
Electronic- und Ambient-Fans wird der Name Robert Schroeder sicherlich schon lange nicht mehr unbekannt sein, mit "Harmonic Decadence" hat der Musiker nun noch einmal ganz tief in sein Repertoire gegriffen – ein Fund, der sich zu entdecken lohnt!
Line-up Robert Schroeder:
Robert Schroeder (all instruments)
Tracklist "D.MO Vol. 4 – Harmonic Decadence":
- Harmonic Decadence Side-A (23:56)
- Harmonic Decadence Side-B (25:19)
Gesamtspielzeit: 49:22, Erscheinungsjahr: 2017 (1978)
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