Ziemlich bunt geht es im Gesicht des Bochumers zu. Kriegsbemalung? Tarnfarben? Nein! Oder vielleicht von Beidem etwas? Selbst beim ersten Hördurchgang wird einem – man muss noch nicht einmal bis zum letzten Track warten – klar, dass Marius Tilly seinen Weg der Weiterentwicklung konsequent fortsetzt. Den Vorgänger Nebula Rising sah man schon auf »[…] der anderen musikalischen Straßenseite […]« des Blues/Blues Rock.
"Words From The Wilderness" schaut ebenfalls auf die gegenüber liegende Seite des 12-Takters und man nimmt dabei eine Häuserfront mit ganz unterschiedlichen Farbgebungen wahr.
Wie aus dem Informationsblatt zur vorliegenden Platte hervorgeht, meint Marius Tilly dazu, »[…] dass ich vor einiger Zeit Nick Cave und seine unorthodoxe Art, Musik zu machen für mich entdeckt habe. […]«
Die vorliegende Platte ist etwas Besonderes.
Wie bereits erwähnt, muss man die Scheibe nicht bis zur letzten Nummer gehört haben, um über die Gesamtspielzeit von gut neununddreißig Minuten großzügig hinweg zu blicken.
"Words From The Wilderness" ist einfach spannend, in der Weise eines Abenteuers, auf das man sich, von Neugierde getrieben, einlässt. Der Ruhrpott-Künstler bewegte sich schon mit "Nebula Rising" auf einem anderen Weg, als man es von den Vorgängern Blue Colors, Red Lights beziehungsweise Come Together erwarten konnte. Marius Tilly ist unkalkulierbar. Gut so! "Words From The Wilderness" ist anders. Bei "Words From The Wilderness" agiert Marius Tilly wie ein Sternekoch, der außergewöhnliche Genuss-Komponenten mit dem Moment der Überraschung kreiert.
Kompositionen pendeln zwischen Eingängigkeit und durchaus sperrigen Phasen, die den Hörer packen und ihn bildlich in seine Sitzgelegenheit pressen. Jeder Song verfügt über unvorhersehbare Arrangements, deren Kulminationspunkte Spannung sowie Entspannung bilden.
Die Songs wirken teilweise wie mutig inszeniertes Theaterstück. Die Kulissen der Song-Bühnen sind einerseits durch Bass und Drums, andererseits von Benjamin Oppermanns Piano und Synthesizer-Einsätze fantastisch gestaltet worden.
Umspielt man die Gefühle des Hörers mit herrlich locker-balladesken Klängen der akustischen Gitarre, wird die Dynamik zu einer Hauptfigur in vielen Stücken. Dramatik ist ein essenzielles Mittel des hohen Niveaus, auf dem sich die Combo bewegt.
Zum musikalischen Hochgenuss gesellt sich auch noch ein interessant gestaltetes Poster als Ersatz für ein Booklet. Dort findet man alle Texte zu denen der Protagonist sagt, dass er »[…] etwas gesellschaftskritischer […]« geworden ist. Das Trio gestaltet eine musikalisch-emotionale Zerrissenheit genauso eigenwillig wie Phasen des Durchatmens. Trotz einiger fast schon halsbrecherischen Abschnitte gehen die Lieder ohne Probleme durch das Nadelöhr Gehörgang.
Richtig relaxt wird es dann ganz am Ende der Platte. Marius Tilly verteilt seine schmeichelnden Emotionen auf der akustischen Gitarre im letzten Song mit vollen Händen und pfeifen kann der Mann auch noch.
Vom Jahr 2018 ist noch nicht einmal ein Monat gezählt und schon darf man "Words From The Wilderness" als essenzielle Überraschung betrachten. Dieses Album wird für viel Gesprächsstoff sorgen. Richtig so! Dieses Album begeistert.
Ganz unabhängig von den inhaltlichen Aussagen des "Traveling Boy" darf man gespannt sein, wohin die weitere kreative Reise eines Marius Tilly führt.
Line-up Marius Tilly:
Marius Tilly (vocals, lyrics, guitar)
Benjamin Oppermann (bass, piano, synthesizer, backing vocals)
Hans Jacob 'Hanser' Schüler (drums, percussion, backing vocals)
Tracklist "Words From The Wilderness":
- The World’s End (3:38)
- The Ladder (4:09)
- Back On Track (3:23)
- Sold Out (3:14)
- The Wilderness (00:40)
- Are You Ready To Go (3:57)
- War (3:16)
- Mr. Kites Memorial (3:20)
- Land Of Grains (3:19)
- Hercules (3:15)
- Bank Robber (3:22)
- Traveling Boy (3:44)
Gesamtspielzeit: 39:17, Erscheinungsjahr: 2018
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