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Planxty / One Night In Bremen – CD-Review

Planxty - "One Night In Bremen" - CD-Review

Wie jedes andere Land, hat natürlich auch Irland seine einheimischen Legenden. Eine davon ist die Band Planxty, die im Januar 1972 von den Musikern Christy Moore, Andy Irvine, Liam O’Flynn sowie Donal Lunny gegründet wurde. Das Quartett hatte sich auf traditionellen Irish Folk spezialisiert, allerdings durchaus auch zeitgenössischere Auslegungen dieses Stils im Köcher. So schnell wie der große Erfolg (speziell in ihrem Heimatland) kam, so rasend drehte sich allerdings auch das Besetzungs-Karussell. Nach nur drei Alben und im Jahr 1976 angekommen, war dann auch schon wieder Schicht im Schacht. Bis Christy Moore (der etwa 1973/74 ausgestiegen war) gute zwei Jahre später, also 1978, doch wieder den starken Drang verspürte, die Original-Besetzung zusammen zu trommeln. Mit ins Boot genommen wurde der Flötist Matt Molloy und auf dem Plan stand erstmal eine lange Europa-Tour mit 45 Konzerten in 58 Tagen. Direkt anschließend ging es dann ins Studio, um die neue Scheibe "After The Break" einzuspielen.

Aber halt, drehen wir die Zeituhr doch nochmal ein kleines Stückchen zurück. Nämlich genau zu dem Abend des 24. April 1979, als die Band in der Bremer Uni-Mensa ein Konzert gab, das von Radio Bremen aufgezeichnet wurde. Gut sechzig Minuten davon (oder war dies vielleicht sogar die komplette Show?) liegen nun in CD-Form mit dem Titel "One Night In Bremen" vor. Planxty brachte ihre traditionellen irischen Songs mit rein akustischen Arbeitsgeräten, von denen vor allem die Saiten- und Blasinstrumente dominant sind. Dazu hatte die Band gleich drei Sänger (lediglich Liam O’Flynn hielt sich raus) am Start, die jeweils als Solisten und selten gemeinsam antraten. Rock-Musik sucht man hier also vergeblich und das Gefallen dieses Albums hängt somit logischerweise stark davon ab, ob man der Grünen Insel und ihrer Musik etwas abgewinnen kann oder nicht. Der Rezensent hat das Land, die Leute und auch ihre Musik über die letzten Jahrzehnte sehr zu schätzen gelernt.

Dieses Live-Album strotzt nur so vor wunderschönen Melodien und Harmonien, immer unterlegt von dieser so ganz eigenen Melancholie, die untrennbar mit Irland verbunden zu sein scheint. Neben den Flöten und Gitarren kommen zusätzliche Instrumente wie eine Bouzouki, eine Mandoline und sogar eine Drehleier zum Einsatz, was für zusätzliche Abwechslung in den sowieso schon sehr unterhaltsamen Stücken führt. An den Flöten glänzt Matt Molloy, der Planxty direkt nach dieser Tour wieder verließ, um bei The Chieftains (einer weiteren legendären irischen Band) einzusteigen, mit der er bis heute spielt. Das Spektrum der Songs bewegt sich von getragen-traurig bis hin zu furios-flott, ohne jeweils das eingeschlagene Genre zu verlassen. Wer bereits ein oder mehrere Mal(e) in Irland war, für den werden beim Anhören von "One Night In Bremen" zwangsläufig die damals aufgesogenen Bilder und Erinnerungen wieder lebendig, und ganz sicher wird sich auch das eine oder andere Wehmuts- bzw. Fernweh-Gefühl einstellen. Vorausgesetzt natürlich, dass man seine Zeit dort genossen hat.

Selbstverständlich muss man aber auch noch gar nicht dort gewesen sein, um diese zwölf Tracks (inklusive einiger Medleys) lieben zu lernen. Der Sound der Aufnahmen, dem man sein Alter zu keinem Zeitpunkt anmerkt, ist erfreulich klar und gut ausgefallen, was dem Hörvergnügen der enthaltenen zwölf Titel natürlich nur zu Gute kommen kann. Wer sich erstmal einen Eindruck verschaffen möchte, dem lege ich als Anspieltipps die Nummern "The Bonny Light Horsemen", "Nancy Spain", "Raggle Taggle Gypsy/Tabhair Dom Do Lamh" oder auch "The Rambling Siuler" ans Herz.

Planxty wird bis heute als eine der einflussreichsten irischen Bands gehandelt, an der auch spätere Erfolgs-Gruppen wie etwa The Pogues nicht ganz unbeeinflusst vorbei kamen. Christy Moore war und ist bis heute auch solo sehr erfolgreich und Donal Lunny erarbeitete sich später eine große Karriere als Produzent von Künstlern wie unter anderem Rod Stewart, Sinead O’Connor (mit der er auch ein Kind zusammen hat), Kate Bush, Clannad oder Elvis Costello.

Für alle, die Irland und irische Musik mögen, ist "One Night In Bremen" ein wahrer Schatz. Für alle anderen zumindest ein wunderbarer Einstieg.


Line-up Planxty:

Christy Moore (acoustic guitar, harmonium, vocals)
Andy Irvine (mandolin, drehleier, vocals)
Liam O’Flynn (uillean pipes, tin whistle)
Donal Lunny (bouzouki, acoustic guitar, vocals)
Matt Molloy (flutes)

Tracklist "One Night In Bremen":

  1. The Pursuit Of Farmer Michael Hayes
  2. Slip Jigs, The First Slip/Hardiman The Fiddler x 2/The Yellow Wattle
  3. The Bonny Light Horsemen
  4. Double Jigs/East At Glendart/Bryan O’Lynn/Pay The Reckoning
  5. You Rambling Boys Of Pleasure
  6. The Good Ship Kangaroo
  7. Reels, The Humours Of Carrigaholt/The Chattering Magpie/Lord MacDonald’s
  8. The Rambling Siuler
  9. Raggle Taggle Gypsy/Tabhair Dom Do Lamh
  10. Nancy Spain
  11. Reels, The Blackberry Blossom/Lucky In Love/The Dairy Maid

Gesamtspielzeit: 60:37, Erscheinungsjahr: 2018 (1979)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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