«

»

Grey’s Tone / Wasted Land – CD-Review

Grey’s Tone / Wasted Land – CD-Review

Mein lieber Mike, da hast du mich auf dünnes Eis geschickt. Es gibt keine undankbarere Aufgabe, als das Album eines Freundes zu rezensieren. Bleibt man sich treu und schreibt die Wahrheit und verliert einen Freund, wird womöglich zur Persona non grata des Ruhrgebietes erklärt, oder schreibt man dem Freund nach dem Mund und kann weiterhin ohne Begleitschutz unterm Mond von Wanne Eickel wandern.

Für die Leser: Grey’s Tone ist die Band von RockTimer Mike. Doch damit nicht genug, unser Jochen steuerte außerdem das sehr gelungene Coverfoto bei und signiert haben sie mir die Platte auch noch. Trotzdem Jungs, ich will bei der Wahrheit bleiben, bzw. bei meiner Wahrheit bleiben, denn auch hier gilt, dass das, was ich über ein Album schreibe, meine ureigene Meinung ist. Und da gibt es gleich einen Rüffel, denn bei den Credits taucht RockTimes nicht auf. Und das, obwohl wir dich für Grey’s Tone quasi freigestellt haben. Na ja, nichts was du nicht mit zwei Kisten Krefelder wieder gut machen könntest …

Nun zur Musik der sechs Protagonisten, die allesamt seit Jahrzehnten Musik machen. Ja einige der Bandmitglieder bereits seit den 1960er Jahren und diese Gnade der frühen Geburt haben sie trefflich verwendet, denn viele der Nummern auf "Wasted Land" geizen nicht mit der Harmonielehre der goldenen Beat- und Rockära. Dass die Jungs auf alte Sachen stehen liegt somit definitiv an ihrer musikalischen Sozialisation, was sich am Repertoire ihrer Coverversionen-Setlist auch zeigt. Vor der Bandgründung trafen sich die Musiker bei gemeinsamen Jams, da jeder irgendwo in einer Ruhrpott-Band spielte und man sich aus der Szene kannte. Das gemeinsame Musizieren kam bei den Leuten so gut an, dass 2009 der Entschluss gefasst wurde, eine Band zu gründen. Seitdem sorgen sie bei ihren Auftritten für mächtig Stimmung, was auch daran liegt, dass sie mit großer Besetzung spielen: mit zwei Gitarristen, zwei Sängern, Bass, Keyboard, Schlagzeug sowie einem Perkussionisten. Nicht zu vergessen sind auch die Leute an den Backings, denn, wie z. B. auf vorliegendem Album, setzten die sehr oft das berühmte i-Tüpfelchen.

Wenn man auf dermaßen viel musikalische Erfahrung zurückgreifen kann, liegt es eigentlich nahe, dass man an einen Punkt kommt, wo einem das Covern nicht mehr genügt. So auch bei Grey’s Tone, die nach One Eyed Jack nun das zweite Album mit eigenem Material vorlegen. Ich kann vorwegnehmen, dass Oli 'The Cat' Knabben ein gutes Händchen für das Songwriting hat. Die Stücke machen sich nämlich außerordentlich gut beim Hören in heimischen Gefilden, haben auf der anderen Seite aber auch das gewisse Etwas das nötig ist, um bei Auftritten die Fans bei der Stange zu halten, wenn z. B. nach einem Monument wie Wild Horses ein Song kommt, den erstmal keiner kennt und der trotzdem die Stimmung nicht zerstören soll. Der "Tommyknocker" kann das mühelos. Vom Grund her ist das eine rootsige, den Geist alter CCR-Aufnahmen atmende Nummer, die jedoch durch Slidespiel sowie ABB-Färbung der Gitarre noch einen draufsetzt.

Allen Stücken eigen ist eine gewisse Rootsigkeit, eine gewisse Country Rock-Attitüde. Dabei spielt es keine Rolle, welche Rhythmik sich ansonsten durch den Track zieht. Nehmen wir mal "Postbox 49" mit diesem Zeitlupenreggae-Grundtenor.  Da könnte man auch in den Staaten auf einer Porch sitzen, ein Bud schlabbern und den Stetson im Takt wippen lassen. Ähnlich auch "Deadly Sins" was den Grundrhythmus angeht. Schön hier auch zu beobachten, wie songdienlich die gesamte Band agiert. Zwei weitere Stärken zeigt auch gerade dieses Stück: das per dreckiger Gitarre Hindriften in eine Westcoast-Landschaft und das Gespür für starke Refrains, von denen es auf "Wasted Land" jede Menge gibt. Dieses Stück dokumentiert ebenfalls die vortrefflichen backing vocals.

Starke Hooks, gut gesetzte Breaks, packende Refrains sind das A und O, wenn Musik die Fans erreichen soll. Zumindest dann, wenn es keine von Stockhausen oder Fungi & Foe sind. Das alles beherrscht Grey’s Tone. Dabei spielt es keine Rolle, in welche Grundrichtung eine Nummer zielt. Ob das teilakustischer Country ("The Reaper"), Volles-Rohr mit starker Wah Wah-Gitarre ("Wasted Land"), Zurückgenommenes mit Gänsehaut-Backings ("Marianne"), an den Komponisten Jim Steinman erinnerndes ("Rock’n' Roll Heart"), Saloon Country der 1950er mit schöner Kazoo-Einlage ("Ramblin' Rose" ), oder, oder, oder ist: Über allem schwebt dieser Roots-Staub-Unterton und eigentlich muss das auch so sein, denn gestaubt hat es im Pott ja früher schon immer.

Allen Nummern gemein ist die Bühnentauglichkeit. Ich erwähnte es ja bereits, dass das Songwriting eines von der Art ist, dass die Musik nicht an einen Ort bindet. Man braucht keinen Kopfhörer und akademischen Hintergrund, um zu erforschen, was der Komponist sagen will. Die Musik zielt auf  das Wohlfühlzentrum und das hat man immer dabei, Zuhause, im Auto und eben auch vor der Bühne. Und gerade dort braucht sich kein Stück vor den bekannten Coversongs zu fürchten. Alle Musiker beherrschen ihre Instrumente, es gibt keine Verlegenheits-Soli, keine Extrawürste, keine Ausrutscher. Die Herren sind gereift und wissen worauf es ankommt. Und genau das bieten sie ihren Hörern. Wer das neue Album haben will, sollte sich sputen, denn die Auflage ist auf 500 Exemplare limitiert.

Am 28.04.2018 steigt in der Herner LMV-Halle (Südstr. 85) die CD-Release-Party. Als Gäste sind Sambakowski sowie Rub The Cat mit an Bord.

So Mike, Roots Rock, ABB-Gitarrenfärbung, 60er Harmonies, Westcoast … von was ich mir beim nächsten Album einen Nachschlag wünsche, besprechen wir dann beim Trinken der beiden Kisten Krefelder …


Line-up Grey’s Tone:

Oli 'The Cat' Knabben (main & backing vocals, rhythm-, lead-, acoustic guitar)
Klaus-Peter Janduda (main & backing vocals, rhythm-, lead-, acoustic guitar, kazoo)
Günther Brandt (bass, backing vocals – #7)
Michael Sievering (drums, choir – #13)
Michael 'Mike' Schröder (keyboards)
Uwe Otto (percussion)

Special guests:

Leonie Schaup (backing vocals – #1,2,4-7,12)
Helmer Lennertz (choir – #13)

Tracklist "Wasted Land":

  1. The Reaper
  2. Wasted Land
  3. Tommyknocker
  4. What 'Cha Gonna Want Me To Do
  5. Deadly Sins
  6. It’s The Only Way How
  7. Marianne
  8. I Only Want You
  9. Postbox 49
  10. Mayhem In Brownsville
  11. Did You Hear The News
  12. Rock’n' Roll Heart
  13. Ramblin' Rose

Gesamtspielzeit: 56:14, Erscheinungsjahr: 2018

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
Über mich
Meine Seite im Archiv
News
Mail: ulli(at)rocktimes.de

1 Kommentar

  1. Mario Keim

    Coole Story. Rocktimer als handelnde (musizierende) Protagonisten. Das rockt gewaltig!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>