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Rockpile / Live At Rockpalast – DLP & DVD-Review

Rockpile - "Live At Rockpalast" - Doppel-LP & DVD-Review

Es ist schon eine bisschen verzwickt, wenn es zu der Band Rockpile kommt. Hier also erstmal eine kurze Einführung: Der Waliser Dave Edmunds veröffentlichte 1972 ein Soloalbum mit diesem Titel und das wars dann erstmal, was diesen Namen betrifft. Im Jahr 1976 fanden dann aber vier Musiker zusammen, die unter dem Bandnamen Rockpile firmierten, vier Alben einspielten, wovon allerdings lediglich eines ("Seconds Of Pleasure", 1980) unter dem gewählten Banner erschien. Der Grund war, dass einige der Bandmitglieder Verträge als Solokünstler hatten und ihre Scheiben dann auch unter ihrem eigenen Namen herausbringen mussten. Und um deutlicher zu machen mit was für einer geilen Band wir es hier zu tun haben, stelle ich einfach mal die Namen der Musiker in den Raum: Da wäre zum einen der bereits erwähnte Dave Edmunds (den 1970er-Hit "I Hear You Knockin'" dürfte wohl jeder kennen), dann der ehemalige Brinsley Schwarz-Bassist und -Sänger Nick Lowe, dazu der in Szenekreisen hochgeschätzte Gitarrist Billy Bremner sowie der Schlagzeuger Terry Williams (Ex-Man, später Dire Straits). Noch Fragen?

Eigentlich nicht, sollte man meinen… Allerdings hatte ich mich, als ich die diesem Doppelalbum beigefügte DVD zum ersten Mal einwarf, noch gar nicht genauer informiert… und wurde dann direkt vom Opener "Sweet Little Lisa" so dermaßen an die Wand gedrückt, dass ich nicht mal mehr bis 'drei' zählen konnte. Wow, was für eine Power! Im Laufe des Konzerts tauchte immer wieder eine Frage vor meinem geistigen Auge auf: Was heißt hier eigentlich Punk Rock? Rockpile spielten stark vom Rock’n’Roll und Rockabilly geprägte Rock-Musik, die zwar nach außen hin nicht so aggressiv wie Punk rüberkam und auch vom Gesang her gemäßigter war, durch ihre schiere Dynamik, Lautstärke (man kann sogar auf der DVD hören, dass es an dem Abend sehr laut gewesen sein musste), spielerisches Können und Spaß an der Sache aber so ziemlich alles in Bewegung setzte, was nicht schnell genug auf den Bäumen war bzw. den Notausgang gefunden hatte.

Am 12. Januar 1980 gastierte die Band in der Hamburger Markthalle für ein Konzert, das für den Rockpalast aufgezeichnet wurde und sie tat alles dafür, um in Erinnerung zu bleiben. Wobei hier nicht von einer außergewöhnlichen Bühnenshow die Rede ist (diesbezüglich passierte nämlich gar nicht viel), sondern vielmehr von der musikalischen Leistung. Da reiht sich ein wunderbarer blitzsauberer Rocker an den nächsten, die drei Saitenakrobaten wechselten sich bezüglich der Lead Vocals brüderlich ab und auch die Gitarrensoli wurden zwischen Edmunds (weniger) und Bremner (mehr) aufgeteilt. Es sind erstaunlich wenige Eigenkompositionen vertreten (lediglich drei von Lowe, eine von Bremner und eine Band-Komposition), dafür aber Rock’n’Roll-Klassiker wie etwa Chuck Berrys "Promised Land" sowie "Let It Rock" und auch Kompositionen von Leuten wie Mickey Jupp ("Switchboard Susan" und "You’ll Never Get Me Up In One Of Those") sowie Elvis Costello ("Girls Talk"), bei deren Einspielung Rockpile als Backing Band für die jeweiligen Protagonisten im Studio am Start war.

Der Spaß steht ganz klar im Vordergrund und so forderte Nick Lowe das etwas träge Hamburger Publikum auch immer wieder auf, zu tanzen. Allerdings war auch dieses zunächst scheinbar so dermaßen von der schieren Wucht der Band beeindruckt, dass man öfter mal große Augen und offene Münder beobachten kann. Der Sound des Vinyls ist ebenfalls prächtig, sodass man hinsichtlich "Live At Rockpalast" nur von einem absoluten Gewinner sprechen kann. Wer tatsächlich noch Anspieltipps braucht, dem würde ich neben den bereits genannten Tracks noch "So It Goes", "Trouble Boys", "Three Time Loser" oder "Singing The Blues" empfehlen, einen Ausfall gibt es allerdings auf keiner der vier LP-Seiten bzw. der beigefügten DVD zu beklagen. Ach ja, und man lernt doch nie aus: Bei "Queen Of Hearts" handelt es sich doch tatsächlich um die Nummer, die 1981 von Juice Newton in einer Country-Version zum Welt-Hit wurde und bis heute im Radio läuft. Als erstes aufgenommen (allerdings nicht komponiert) wurde sie jedoch tatsächlich für ein Soloalbum von Dave Edmunds. Hammer!

"Live At Rockpalast" von Rockpile (bei dem die Tracklist der DVD übrigens identisch mit der der Doppel-LP ist) ist zweifellos ein ganz dicker Tipp für alle, die ihren Rock ohne Netz und doppelten Boden, dafür aber mit viel Dreck unter den Fingernägeln mögen. Absolute Empfehlung!


Line-up Rockpile:

Dave Edmunds (lead & rhythm guitar, lead & background vocals)
Nick Lowe (bass, lead & background vocals)
Billy Bremner (lead & rhythm guitar, lead & background vocals)
Terry Williams (drums)

Tracklist "Live At Rockpalast":

Side 1:

  1. Sweet Little Lisa
  2. So It Goes
  3. I Knew The Bride (When She Used To Rock’n’Roll)
  4. Switchboard Susan
  5. Crawling From The Wreckage

Side 3:

  1. Promised Land
  2. Queen Of Hearts
  3. They Call It Rock
  4. Ju-Ju Man

Side 2:

  1. Trouble Boys
  2. Girls Talk
  3. Three Time Loser
  4. Born Fighter
  5. You’ll Never Get Me Up In One Of Those

Side 4:

  1. Singing The Blues
  2. Let It Rock/Let’s Talk About Us
  3. Down Down Down (aka Feel Like I’m Going Down)

Gesamtspielzeit: 16:49 (Side 1), 16:32 (Side 2), 14:24 (Side 3), 14:30 (Side 4), 67:00 (DVD), Erscheinungsjahr: 2018 (1980)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv
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Meine Konzerberichte im Team mit Sabine
Mail: markus(at)rocktimes.de

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