Die Essener hätten mich mit ihrer dritten Veröffentlichung beinahe schreibunfähig gemacht. Überhaupt nicht professionell sitze ich abends da, höre mir die Scheibe immer wieder an und starre auf mein virtuelles Notizblatt. Wörter wie 'knallhart', 'feurig', 'massiv' fallen mir zwar ein, aber anstatt diese in sinnvolle Sätze zu bringen, singe ich die Songs mit – hab noch nie so schnell eine Platte auswendig erlernt – und trommele auf der Klaviatur. Auf die Luftgitarre muss ich diesmal verzichten, so schnell sind meine Finger unglücklicherweise nicht, oder ihre Anzahl ist einfach nicht ausreichend.
Das Album ist aus keiner Sicht unseriös. Es ist schon ein wohliges Erlebnis, es in die Hand zu nehmen, das Jewelcase mit den abgerundeten Ecken und mit dem anspruchsvollen Artwork von Björn Gooßes (Killustrations) macht schon ordentlich neugierig. Was da wohl alles drin steckt? Die Thematik ist ziemlich aktuell und dementsprechend trüb, wie die Welt selbst. Vermutlich aus diesem Grund haben es sich die Songtexte so rasch und selbstverständlich in meinem Kopf gemütlich gemacht. Und nicht zuletzt aus dem Aspekt der musikalischen Gestaltung kann ich das Teil einfach nur als heavy im klassischen Sinn bezeichnen.
Mit "Sole Survivor" nimmt der Silberling einen starken Anfang, der Track ist ein echter Headbanger-Ohrwurm und wurde gleich einer meiner Favoriten. Das Tempo spannt dann mit dem fast schon thrashigen "Autophobia" den Bogen noch weiter nach oben. Neugierige können diese Nummer schon mal vorab testen, denn das Video zum Track wurde (genauso wie das zum vierten Song "Golem") bereits veröffentlicht. Track Nummer drei, "Tunguska", ist wohl nicht umsonst Titeltrack. Die vier haben da alles komprimiert, was sie mit ihren Instrumenten zu sagen haben. Sie haben sich sogar durch Gitarrensoli von Ra’s Dawns Marek Schoppa verstärkt. Ich würde jedem davon abraten diesen Song – und übrigens das ganze Album – auf der Straße, beim Spazieren zu hören. Denn lautes Mitsingen, Headbangen, das gesamte Paket also, dem ein ordentlicher Metalhead normalerweise in den eigenen vier Wänden frönt wenn er die gehörte Musik genießt, ist so gut wie garantiert.
Das anschließende, schon kurz erwähnte "Golem" startet mit resoluten Riffs und erinnert zwar an verschiedene Szene-Größen, jedoch ohne dabei eine Kopie zu sein. Im Gegenteil, ein meisterhaft einzigartiges Stück, aus traditionellen Elementen gebacken.
Gefahrdrohend bricht dann die Nummer "DEFCON Zero" heran – nicht umsonst – denn DEFCON steht ja nicht für die Jahreskonferenz der Def Leppard-Fans, sondern bezeichnet den Verteidigungszustand des US-amerikanischen Militärs, wo die Stufe Eins die maximale Einsatzbereitschaft bedeutet. Der Stufe 0 entsprechend hat die Nummer einen schweren, harten, trüben, sogar erdrückenden Sound, von den Musikern sehr stilvoll dargestellt. Ein wirklich gelungenes Stück, es passt schön zu der Stimmung der Gegenwart.
Mit "The Island" sind wir zu meinem absoluten Favoriten gekommen. Wenn dieser der einzige Track auf dem Album wäre, mich hätten die Jungs schon damit glücklich gemacht. Alles was mir gefällt, hab ich in diesem Song gefunden: Shredding mit unglaublicher Geschwindigkeit, angenehme Midtempo-Parts und der unausweichliche, akustische Teil in einem absoluten Killer-Lied eingebettet – genial und zum Verlieben. Und als ob das nicht schon genug der Kuriositäten wäre, tauschen Bassist und Gitarrist ihre Instrumente und beweisen, dass es den beiden egal ist, auf wie vielen Saiten sie spielen. Das Ergebnis ist einfach nur hervorragend.
Über den kürzeren instrumentalen "One Last Prayer"-Song gelangen wir zu "The Walking Dead". Zombies sind eher nicht so ganz mein Thema, die Nummer selbst ist aber ein schön instrumentierter, strammer, quirliger Track mit einem idealen Circle Pit Refrain, könnte toll auf einem Festival ankommen.
Der vorletzte Track, "Inner Fire", war mir nicht ganz unbekannt. Ein Video ist schon seit längerem verfügbar, obwohl, wenn ich meinen Ohren vertrauen kann, nicht ganz diese Version. Die Nummer startet kraftvoll und geht mit sorgfältig dazugegebenen Riffs und einem energischen Refrain weiter. Wieder ein Stück, welches sich sofort nach dem ersten Hören in den Gehörgängen festsetzt und sich dort wohlfühlt, so wie der Hörer selbst.
An diesem Punkt hat man wohl keine Stimme mehr und überall Muskelkater, aber man möchte immer noch mehr davon. Doch so viel mehr gibt es leider nicht mehr. Lediglich das hymnische "Dancing On Our Graves" lässt das Album perfekt ausklingen. Man sollte aber an kein langweiliges, schleppendes Liedchen denken, darum geht es hier nicht. Nach der lyrischen Einleitung erschallt eine richtig schwungvolle Melodie, die der Härte des gesamten Albums absolut nicht abträglich ist. Zusätzlich gewürzt mit der Stimme von Gastsänger Patrick 'Ted' Donath (Ex-Bandmitglied, jetzt Wicked Disciple) ist das Stück ein wirklich würdiger Abschluss.
Wenn ich könnte, würde ich die zehn Nummern gern auch live erleben, hab irgendwie das Bauchgefühl, dass diese da vielleicht noch intensiver explodieren können. Bei mir ein neuer Favorit zum unlimitierten Anhören.
Lineup Greydon Fields :
Volker Mostert (vocals)
Gregor Vogt (guitars)
Patrick Sondermann (bass)
Marco Vanga (drums)
Special Guests:
Marek Schoppa (lead guitar – #3)
Patrick 'Ted' Donath (vocals – #10)
Tracklist "Tunguska":
- Sole Survivor
- Autophobia
- Tunguska
- Golem
- DEFCON Zero
- The Island
- One Last Prayer
- The Walking Dead
- Inner Fire
- Dancing On Our Graves
Gesamtspielzeit: 46:08, Ersheinungsjahr: 2018
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