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Yesternight / The False Awakening – CD-Review

Yesternight / The False Awakening – CD-Review

Lang ist es her, als Polens fortschrittlich ausgerichtete Rockszene jenseits aller Beat-Weisen und Volksballaden dank Czeslaw Niemens stilistisch expressiver Ausdrucksformen ein musikalisches Antlitz bekam.
Verkommen diesseits jene rockistischen Meilensteine heutzutage lediglich zu verklärendem Hörfutter für Nostalgiker, so haben sich doch indes ausreichend Prog-verbündete Garanten samt stilistischem Naturell etabliert.
Insofern erhärten seit geraumer Zeit nicht nur Mariusz Dudas Intellekt ebenso metallisch verstärkte Prog-Mannen wie Riverside oder Old School-Traditionalisten wie Believe (und noch ein Dutzend mehr) ihre landesüberschreitende Wertschätzung neben Weltklasse-Altsäcken des Genres.
Natürlich verlieren auch jene laborierenden Nachwüchslinge fortschrittlicher Rock-Götzen unserer östlichen Nachbarn schnell ihre musikalischen Argumente, profitieren jedoch, wie alle Mitbewerber, von der ungebrochenen Gunst einer weltweit wertepflegenden Prog-Gemeinde.
So unterliegen Polens derzeitig als Prog-Dutzendware abgetane Newcomer oftmals noch Dudas Riverside oder Lunatic Souls übermächtiger Konsumenten-Lobby, gewinnen aber hierzulande – einem ungebremst entdeckungsfreudigen Stückchen Erde für rockistisch Kopfgesteuertes – vermehrt an Beachtung.

Mitunter reicht eine Handvoll solide ausgebildeter Musiker – eine der unbestrittenen Tugenden des ehemaligen Ostblocks – samt ihrem Drang nach Verwirklichung, um sich aufs Schlachtfeld einer vielfach totgeglaubten Rock-Kultur zu begeben.
Etwas genretypisch Vielversprechendes dürften deshalb auch drei gestandene Musikusse aus dem pommerschen Bromberg für alle Jäger und Sammler des progistisch-leichtmetallischen Kuschelrocks inklusive ihres Debüts "The False Awakening" bereithalten.
Yesternights tönende Rezeptur, die sich neben musikalisch gesättigter Härte und vornehmlich aus Schwermut-erfülltem Ohrenschmaus speist, wird bisweilen Parallelen infolge riffiger Ingredienzien zu den Landsmännern von Riverside nicht negieren können. Mit eigensinniger Attitüde werden bei Label-Oberhaupt und Art Of Illusion Schlagwerker Kamil Kluczynskis Mitstreitern demzufolge reichlich hörkulinarische Rester bereits probater Prog Rock-Leckereien zu verdauungsfreundlicher Vollkost verwertet.
Einen wertvollen Beitrag erbringt dabei Marcin Boddemans, wahlweise Gäste-unterlegtes, sowohl kraftvolles als auch melancholisch-melodiöses Organ, der vergleichsweise sämig-opulenten Epen wie "Just Try!", einem balladesken "To Be Free" mit wohlfeilen Gitarrenlinien, dem Riff-beschwerten "My Mind" respektive dem Art Rock-Hoheit Steven Wilson entlehnten "Who You Are" zu ihrer atmosphärisch konsistenten Totalität begleitet.
Musikalische Eigenständigkeit sucht man auf "The False Awakening" fatalerweise vergebens, aber wer braucht das schon bei anhaltenden Zeiten retrotrendiger und Heroen verehrender Hörgewohnheiten in Nimmermüden Prog-Kreisen.

Was für den Einen bestens produzierte Langeweile, mag für den Anderen die wohltuende Mischung von metalparasitärer plus Gilmour-kompetender Fingerfertigkeiten, tütenweise gesungenes Rocker-Leid, überdies jene zwischen handwerklichem Yin und Yang lavierende Prog-Maloche sein.


Line-up Yesternight:

Marcin Boddeman (vocals)
Bartek Wozniak (guitars, keys)
Kamil Kluczynski (drums)

Guests:
Tomasz Znyk (bass)
Karol 'Kay' Tomas (voice – #1,3,7,8)
Dorota Tomas (voice – #5)
Filip Wisniewski (voice – #7)

Tracklist "The False Awakening":

  1. The False Awakening
  2. My Mind
  3. Who Are You
  4. Solitude
  5. About You
  6. To Be Free
  7. Yesternight
  8. Lost
  9. Just Try!

Gesamtspielzeit: 54:00, Erscheinungsjahr: 2018

Über den Autor

Ingolf Schmock

Als gebürtiges Mauerkind zudem frühzeitig mit westlichen Rock'n Roll-Ultrakurzwellen-
Oddyseen und Beatclub-Aufklärungen sozialisiert, galt mein musikalisches Verständnis
deren meist langmähnigen Aussenseitern. The Who, Small Faces, The Move...,später dann
Hartglötzer wie Black Sabbath, Deep Purple&Co., zu guter Letzt Schwurbel-Pioniere
ala Yes, Genesis, ELP...waren (sind) meine Helden sowie Seelenklempner.
Heute liegt mein Hauptaugenmerk (auch Hierzulande) auf sowohl handgemacht Rockistischem
mit Engagement und Seele, als auch Prog-gebrandmarkten virtuos-Verspieltem.

1 Kommentar

  1. Mario Keim

    Gut zu wissen, dass es im Land der „Roten Gitarren“ (wer erinnert sich noch an sie?) auch anno 2018 noch so etwas wie eine Musikerbewegung gibt. Gut gemacht Ingolf, denn man hört ja sonst gar nix davon. Noch besser, dass es sich dabei um Progrock-Jünger handelt. Rocktimes ist international aufgestellt und dabei gehört irgendwie auch der ehemalige Ostblock dazu. Bravo.
    Liebe Grüße Mario

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